Der aufhaltsame Aufstieg des Karl-Theodor zu G.
Wer dachte, dass Betrug und Blendung seine Karriere ruiniert hätten, sieht sich nun getäuscht. Dank virtuoser PR-Arbeit ist er nur acht Monate nach seinem tiefen Fall wieder allerorten präsent. Silvio Duwe analysiert die minutiöse Planung eines Comebacks: Erst Guttenbergs Auftritt als Elder Statesman jenseits des Atlantiks, dann der Quasi-Freispruch durch die Justiz und schließlich noch am gleichen Tag die Pressemitteilung des Herder Verlags bezüglich seines Interviewbuches. Weiterlesen … »
Gescheiterte Sozialdemokratie
Spanien hat gewählt, das Ergebnis ist eine überwältigende Niederlage der sozialdemokratischen PSOE. Dabei galt Rodríguez Zapatero bei seinem Amtsantritt vor sieben Jahren als Hoffnungsträger der europäsichen Sozialdemokratie. Andreas Baumer anaylsiert in den Blättern sein Scheitern: So ist Spanien nach dem Platzen des Bau-Booms mit 22% Arbeitslosigkeit eines der besonders von der Krise betroffenen Länder. Zapateros Sparpolitik auf Kosten des Sozialstaats hat die Wähler von der Partei entfremdet. Anstelle eines eigenen Ansatzes der Krisenbewältigung habe er sich äußerem Druck gebeugt:
Seit dem Frühjahr 2010 fungierte Zapatero quasi als Vollstrecker der Direktiven aus Berlin, Frankfurt und Brüssel oder plante in angstvoller Antizipation des nächsten Angriffs der Ratingagenturen weitere Sparpakete.
Die Krönung der Sparpolitik war eine Verfassungsänderung zur Schuldenbegrenzung. Darin zeige sich auch in Spanien, daß die europäische Sparpolitik die Konjunktur abwürge. Weiterlesen … »
Weltbild als Konsumprodukt?
Es ist ein durchaus interessantes Experiment: Indonesische Ethnologiestudenten erforschen deutsche Weltbilder. Begonnen hat alles mit ein paar Klischees, etwa dem, dass Deutsche säkularisiert, logisch und Religiösem wenig aufgeschlossen seien. In Gesprächen und Feldstudien wurde das überprüft, organisiert im Rahmen einer deutsch-indonesischen Forschungspartnerschaft. Gegenstand der Studien waren Esoteriker, Veganer, und – etwas überraschend – auch die grüne Jugend. Das Resultat war differenziert. Manches wurde bestätigt, anderes aber auch nicht.
Besonders verblüffend die Erkenntnis, dass Veganismus oder auch Umweltschutz hierzulande durchaus religionsähnlichen Status haben können. Jedenfalls dann, wenn man den Religionsbegriff weit genug auslegt. Und: manche Weltbilder haben durchaus eine Konsumfunktion:
»Neue Religionen sind für sie wie ein Kleid, das sie sich zulegen und es ausmustern, wenn es nicht mehr gefällt«, sagt sie. Außerdem würden sich ihre Forschungssubjekte passiv verhalten: »Sie lesen nur Bücher und hören, was ihr Guru sagt.«
Halbzeitbilanz
Gleich zweifach meldet sich Christoph Butterwegge zu Wort. Er analysiert die Politik der Regierung und kommt zu einem deutlichen Urteil: sozialer Fortschritt sei nicht zu erkennen. Einerseits bemängelt er die zahlreichen Verschlechterungen etwa in Bezug auf die Renten und andere Kürzungen bei den Ärmeren.
Gleichzeitig habe die Koalition aber gezielt Wohlhabende entlastet. Das gelte bei der Erbschaftssteuer, bei den Vergünstigungen für Hoteliers oder auch bei unzureichenden Maßnahmen gegen die Finanzmärkte. Am Ende stehe einer kleinen Gruppe von Profiteuren eine wachsende Zahl von Menschen gegenüber, die von Almosen des »Suppenküchenstaates« abhingen. Und das, obwohl die Regierung zu Beginn durchaus soziale Versprechungen gemacht hatte.
Vorwahl in der Wahlmonarchie
Der für seinen brüsken Stil bekannte französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy ist mittlerweile derart unbeliebt, daß die Sozialisten hoffen, ihn bei den kommenden Wahlen aus dem Élysée-Palast zu spülen: Unklar ist bislang noch, wer der zweite sozialistische Präsident nach François Mitterrand werden soll. Dafür wird nun nach amerikanischen Vorbild eine Vorwahl (»Les Primaires«) abgehalten. Ursula Welter stellt im Deutschlandfunk das Verfahren und die Kandidaten vor. Nach dem peinlichen Skandal um Dominique Strauß-Kahn gilt Francois Hollande, der geschiedene Ehemann der vormaligen Präsidentschaftkandidatin Ségolène Royal, als Favorit. Seine schärfste Konkurrentin ist Martine Aubry, welche eher dem linken Lager zugerechnet wird. Wichtige Themen sind die Schuldenpolitik und die Jugendarbeitslosigkeit. Die Mehrheit der Kandidaten lehnt eine Schuldenbremse nach deutschen Vorbild ab und setzt auf eine aktivere Wirtschaftspolitik.
Konservativ oder liberal?
Die Wahl in Polen bleibt spannend: Können sich die Rechtsliberalen von Premier Donald Tusk behaupten? Es wäre das erste Mal in der jüngeren Geschichte, dass eine Regierung wiedergewählt wird. Tusks Partei PO steht außenpolitisch für eine enge Anbindung an Europa, sie vertritt eine liberale Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Trotz der stabilen ökonomischen Lage hat sie aber auch viele Versprechen aus dem letzten Wahlkampf nicht einlösen können. Die schärfste Konkurrenz ist die nationalkonservative PiS des Expremiers Jaroslaw Kaczynski. Inhaltlich hielt er sich merklich zurück, spielte eher die emotionale Karte. Vor allem gegen Deutschland: Angeblich plane Berlin die Einverleibung Pommerns und Schlesiens, auch an Merkel ließ er kaum ein gutes Haar.
Die Linke dagegen, repräsentiert vor allem von der SLD, ist seit Jahren notorisch schwach und dürfte auch in der neuen Regierung nicht vertreten sein. Innerparteiliche Querelen standen zuletzt mehr im Vordergrund als das politische Programm. Die Partei verspricht Mindestlöhne und eine Verbesserung des Arbeitsmarktes. Interessant dürfte das Abschneiden der neuen und betont liberalen Bewegung des PO-Abweichlers Junsz Palikot werden. Er engagiert sich – häufig durchaus medienwirksam – für die Rechte von Homosexuellen, strikten Laizismus und eine freizügigere Abtreibungsregelung.
Amerikas zunehmende Verrohung
Paul Pillar, ehemaliger CIA-Mitarbeiter und Dozent für Sicherheitsstudien, behauptet, was erfolgreiche Demokratien von autoritären Systemen unterscheide, seien nicht so sehr die entsprechenden politischen Institutionen, sondern die politische Kultur. Verfassungen, Gerichte und Wahlen gibt es auch in autoritären Staaten. Es sei aber ein Verständnis von Mehrheitsherrschaft, »loyaler Opposition« und die Einsicht, Kompromisse eingehen zu müssen, was erfolgreiche Demokratien ausmacht. Diese politische Kultur sieht er in den Vereinigten Staaten schwinden. Die Republikaner, zum Beispiel, verhindern regelmäßig mehrheitlich beschlossene Gesetzgebung mit parlamentarischen Tricks und verletzen so das Prinzip der Mehrheitsherrschaft.