Medium Der Freitag

Außer Kontrolle

Ein kurzer Zwischenstand zur Serie des Versagens deutscher Sicherheitsbehörden
Das neue Logo des Bundesamts für Verfassungsschutz soll ein Zeichen für mehr Transparenz setzen
Das neue Logo des Bundesamts für Verfassungsschutz soll ein Zeichen für mehr Transparenz setzen Bild von florriebassingbourn

Ließe man die Rolle des Verfassungsschutzes bei dem Skandal um den NSU-Komplex außer Acht, so sind bereits die Versäumnisse der Fahndung durch die Polizei kolossal. So fand die Polizei 1998 in der vom Zwickauer Trio zur Bombenbauwerkstatt umfunktionierten Garage in Jena ein Adressbuch, das zum Umfeld der Gruppe in ihrem Versteck in Chemnitz sowie nach Nürnberg, dem ersten Tatort der Mordserie, führte. Mit einem der eingetragenen Kontakte soll Beate Zschäpe nach dem Abtauchen des Trios gar kurzzeitig liiert gewesen sein, doch diese vielsagende Kartei wurde als irrelevant eingeschätzt. Ebensowenig wurde ein 2000 bei eben diesem Mann beschlagnahmtes Adressbuch genutzt, in dem die Namen des Zwickauer Trios inklusive Umfeld eingetragen waren. Bei dem Bombenanschlag in Köln 2004 hätte schlicht der Abgleich einer Tatmitteldatei, also die Prüfung des verwendeten Sprengsatzes, die Namen des Zwickauer Trios ausgespuckt. Und bei der Ermordung der Polizistin Michelle Kiesewetter 2007 in Heilbronn wurde die Überprüfung der bei der Ringfahndung notierten Kennzeichen unterlassen, unter denen sich offenbar das Wohnmobil der Gruppe befand. Weiterlesen … »

Rückkehr zum faulen Frieden

Die Mexikaner wählen den Präsidenten des gescheiterten Drogenkrieges ab
Proteste gegen Wahlfälschung
Proteste gegen Wahlfälschung Bild von ismael villafranco

Die Zustände in Mexiko erinnern in einigen Provinzen an einen Bürgerkrieg. Nach unterschiedlichen Schätzungen fielen dem Drogenkrieg seit 2006 zwischen 50 000 und 65 000 Menschen zum Opfer. Die Graumsamkeiten der großen Kartelle im Kampf um die Vorherrschaft der Schmuggelrouten einerseits und gegen Armee und Polizei andererseits fordern täglich neue Tote, die zur Abschreckung entstellt und verstümmelt werden. Die Strategie des abgewählten Präsidenten Felipe Calderón, den offenen Konflikt zur Eindämmung des Drogenhandels zu wagen, ist somit grandios gescheitert. Fast 3000 Sicherheitskräfte kamen ums Leben, in der Merheit lokale Gemeindepolizisten. Die Glaubwürdigkeit der Regierung hatte auch darunter gelitten, dass gleich drei Innenminister durch Hubschrauberabstürze ums Leben kamen. Die Meinungen über das Scheitern dieser Stategie gehen auseinander:

Die Nachsichtigsten meinen, er habe sich unbedacht in diesen Krieg gestürzt, ohne dessen wahres Ausmaß zu erkennen. Andere behaupten unter Berufung auf Aussagen ehemaliger Beamter, die während der Regierungszeit der PRI mit den Drogenhändlern zusammengearbeitet hatten, dass der »Kreuzzug« Calderóns nur die Vorherrschaft des Sinaloa-Kartells, dem er selbst angehöre, gegenüber dem Golf-Kartell, den Zetas und dem Juárez-Kartell festigen solle.

Wie dem auch sei: Mit dem Wahlsieg des Vicente Fox von der konservativen PAN im Jahr 2000 ging die Jahrzehnte alte Dauerherrschaft der PRI zu Ende – und somit auch deren eingespieltes Korruptionsnetz mit den Drogenbaronen. Mit der Abwahl seines Nachfolgers und Parteigängers Calderón und der Wahl Enrique Peña Nietos von der PRI zum neuen Staatspräsidenten hoffen viele Mexikaner auf die Rückkehr zum alten faulen Frieden.

Verfassungsschutz gegen Zivilgesellschaft

Geheimdienst befindet über Gemeinnützigkeit

Trotz des laufenden Skandals um den Verfassungsschutz plant die Bundesregierung, dessen Machtbefugnisse zu erweitern: Er soll zum Richter über die Zivilgesellschaft werden, indem durch die Einschätzung des Inlandsgeheimdienstes von Vereinen und Organisationen als »extremistisch« die Gemeinnützigkeit aberkannt wird. Der Freitag legt dar, daß den betroffenen Organisationen durch die Gesetzesänderung nur ein langer Klageweg bleibt – die Einschätzungen sind jedoch zumeist willkürlich, denn die Definition von Extremismus ist schwammig und nicht wissenschaftlich fundiert. Als Resultat führt eine Erwähnung im Verfassungsschutzbericht ins finanzielle Abseits.

Nach dem Bürgerkrieg ist vor dem Konflikt

Keine Nachkriegsordnung in Libyen absehbar

Zwar ist der Kampf zwischen Gaddafis Militär und den Rebellen in Libyen vorüber, doch eine stabile Nachkriegsordnung zeichnet sich bislang nicht ab. Vielmehr zerfällt der Staat zunehmend. Städte wie Bengasi und Misrata treffen ihre eigenen Entscheidungen, die Autorität des Übergangsrates im Land ist ohnehin bescheiden. Dieser orientiert sich am überwunden geglaubten Autoritarismus. Darstellungen, nach denen die Mitglieder in Luxus leben würden, nehmen diesen ihre Glaubwürdigkeit. Nach wie vor werden weite Teile des Landes durch Milizen beherrscht. Nun stehen Parlamentswahlen an, einige Regionen fühlen sich nicht ausreichend repräsentiert. Am Ende wird jedoch die Kontrolle über die Rohstoffe entscheiden, wer die Macht im Staat hat.

Eine Ballade voller Ungereimtheiten

Neue Spuren deuten auf die Verwicklung der Geheimdienste in rechten Terror
Der Rennsteig im Thüringer Wald
Der Rennsteig im Thüringer Wald Bild von Glasherz

Ein Bericht, den Andreas Förster für die Berliner Zeitung und die Frankfurter Rundschau verfasste, könnte den Fall um den NSU zu einer unverhofften Wendung führen:  Denn nach einem geheimen Report des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfVS) an den Generalbundesanwalt (GBA) vom Dezember 2011 hat das Amt gemeinsam mit dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) und dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz (TLfV) von 1997 bis 2003 die »Operation Rennsteig« durchgeführt. Im Rahmen dieser, nach einem populären Thüringer Wanderweg benannten, Operation wurde der Thüringer Heimatschutz (THS) unterwandert, in dem die drei Dienste über zehn Informanten verfügten. Daher stellten einige Abgeordnete der Untersuchungsausschüsse die Frage, ob die drei Dienste den THS steuerten, welcher dann zur Keimzelle des NSU wurde. Für Empörung sorgte der Hintergrund, daß zu dem Vorgang vom BfVS nicht nur 2011 ein Teil der Akten vernichtet wurden, sondern auch der Schäfer-Kommission, die jüngst ihren Report zum Versagen der Behörden vorlegte, diese Information vorenthalten wurde. Weiterlesen … »

»Minimalbeschreibung eines Bürgerrechtlers«

Gaucks Rolle in der DDR ist zweifelhaft: Den einen ist er Freiheitskämpfer, den anderen ein IM
Im Rampenlicht, aber nicht ausgeleuchtet: Gauck zu Besuch bei der FDP, die seine Präsidentschaft durchsetzte
Im Rampenlicht, aber nicht ausgeleuchtet: Gauck zu Besuch bei der FDP, die seine Präsidentschaft durchsetzte Bild von FDP

Joachim Gauck ist neuer Bundespräsident. Die urspünglich taktische Aufstellung des Pastors und späteren Verwalters der MfS-Akten durch die Oppostion 2010 hat sich durch das Votum der FDP 2012 verselbstständigt. Der Schritt ins Rampenlicht hat zugleich die Frage losgetreten, wie die Rolle Gaucks in der DDR zu bewerten ist. Zugleich steht er aufgrund von Äußerungen zur Einwanderung und der deutschen Vergangenheit in der Kritik. So greift Andreas Strippel die Bezeichnung Gaucks in vielen Medien als Bürgerrechtler oder gar als Freiheitskämpfer an. Dies sei nach den Aussagen damals Oppositioneller nicht richtig, denn er habe sich in der Friedensbewegung nicht eingebracht. Er sei zwar Gegner des »autoritären Polizeistaat[es] DDR« gewesen, dies mache ihn aber noch nicht zu einen Streiter für Freiheit. Vielmehr sei sein Freiheitsbegriff eindimensional und unscharf:

Weder ist Gauck ein Befürworter eines liberalen Individualismus, noch profiliert er sich als Kritiker autoritärer Tendenzen in der westlichen Demokratie.

Weiterlesen … »

Der Untergang ist nah!

Vernunft und Unvernunft der Endzeitphantasie
Der Untergang ist nah!
Bild von Madman2001

Langsam hat es sich herumgesprochen: Nicht am 30. Mai ist Weltuntergang – und auch das Jahr ist nicht mehr unbekannt: Sondern am 21. Dezember 2012 wird die Welt entgültig untergehen. Dieses Gerücht geht in diesem allerletzten Jahr um. Wie die merkwürdige These in die Welt kam und wie die moderne Mediengesellschaft den Kalender der Maya in ihrem Sinne interpretiert, darüber klärt der Maya-Forscher Nikolai Grube im Interview mit dem Freitag auf. Denn die moderne Auffassung alter Kulturen erscheint dem Forscher befremdlich, doch er erkennt deren Wert an ganz anderer Stelle:

Ich glaube nicht, dass wir ­direkt etwas von alten Kulturen lernen können. Wir haben immer das Gefühl, wenn man Archäologie ­betreibt, dann muss das ­einen Nutzen haben, der sich sofort in Heller und Pfennig abzeichnet in unserer kapitalistischen Welt. Man kann vielleicht sagen, die Maya und viele andere Zivilisationen auf dem ­amerikanischen Kontinent lehren uns, dass es eben auch außerhalb von Europa bedeutende Kulturent­wicklungen gegeben hat. Und dass wir vielleicht etwas bescheidener sein sollten und die globale Vergangenheit verstehen müssen, die unterschiedlichen Traditionen, aus denen sich unsere moderne Welt zusammensetzt.

Weiterlesen … »
Inhalt abgleichen