Presseschau Industrie & Handel

Risikofaktor TTIP

Eine Neubewertung

Führende Politiker, insbesondere aus der EU-Kommission, werden nicht müde, die Vorteile des gerade verhandelten Freihandelsabkommens TTIP zwischen der EU und den USA zu betonen. Dem steht eine wachsende Zahl von Kritikern gegenüber, die beispielsweise die geplanten Schiedsgerichte für den Investitionsschutz als intransparent und undemokratisch bezeichnen.

Mittlerweile kommt aber noch ein weiteres, durchaus gewichtiges Argument gegen das Abkommen hinzu. Eine aktuelle Studie der renommierten Tufts Universität nahe Boston kommt zu dem Schluss, dass die Wachstumserwartungen älterer Untersuchungen zum Thema weit überzogen sind. Und mehr noch: TTIP gefährde den innereuropäischen Handel, schaffe neue Krisenrisiken und führe zu einer weiteren Umverteilung des Volkseinkommens von der Lohn- zur Kapitalseite.

 

We draw two general conclusions. First, as suggested in recent literature, existing assessments of TTIP do not offer a suitable basis for important trade reforms. Indeed, when a well-reputed but different model is used, results change dramatically. Second, seeking a higher trade volume is not a sustainable growth strategy for the EU. In the current context of austerity, high unemployment and low growth, increasing the pressure on labor incomes would further harm economic activity. Our results suggest that any viable strategy to rekindle economic growth in Europe would have to build on a strong policy effort in support of labor incomes.

Im Schatten von TTIP

Ein Freihandelsabkommen mit Afrika

Das aktuell verhandelte nordatlantische Freihandelsabkommen stößt auf großes Interesse und breite Kritik. Fast unbemerkt wurde parallel dazu von der EU ein Abkommen mit mehreren südafrikanischen Ländern ausgehandelt. Dabei geht es u. a. um die Marktöffnung für Agrarprodukte aus der EU. Allerdings sind die Details unbekannt, da die Europäische Kommission den Vertrag nicht veröffentlichen will - noch nicht. Das macht aber eine Bewertung oder gar Proteste fast unmöglich, wie Jost Maurin festhält. Brisant ist das Vertragswerk vor allem im Hinblick auf die subventionierten Agrarerzeugnisse, die nun den afrikanischen Markt überschwemmen und damit lokalen Produzenten ihre wirtschaftliche Grundlage entziehen könnten.

Arbeit auf Abruf

Die Flexibilisierung im Einzelhandel

Mit einer ganzen Palette von Arbeitszeitregelungen wälzen die Unternehmen seit Jahren Geschäftsrisiken auf ihre Angestellten ab: Bei hohen Umsätzen fällt mehr Arbeit und entsprechend mehr Lohn an. Sind die Läden aber - vorübergehend - leer, müssen die Arbeitnehmer unbezahlt zuhause bleiben. Streiks haben zwar jüngst dazu geführt, dass der Manteltarifvertrag wieder in Kraft gesetzt wurde, weitere Verschlechterungen also abgewehrt werden konnten. An den Arbeitszeitregelungen hat sich jedoch nichts geändert. Das geltende Arbeitsrecht sieht hier großen Spielraum für die Unternehmen vor. Klagen an den zuständigen Gerichten werden außerdem kaum angestrengt und noch seltener über Jahre hinweg aufrechterhalten. Das liegt nicht zuletzt an der abhängigen und unsicheren Lage der Betroffenen. Hier zeigt sich, dass Prekarisierung schon selbst zum Erhalt und Ausbau der Prekarisierung beiträgt.

Händel um den Handel

EU-Indien-Abkommen bleibt weiter in Verhandlungen stecken
Händel um den Handel
Bild von Axel Weipert

Seit 2007 verhandeln die EU und Asiens drittgrößte Volkswirtschaft um ein Freihandelsabkommen. Doch noch immer sind viele Fragen offen, auch die aktuelle Gesprächsrunde brachte keinen Durchbruch. In Europa drängen vor allem die großen Konzerne und Lobbyverbände auf einen raschen Abschluss. Sie versprechen sich viel von dem gewaltigen Wachstumsmarkt Indien mit seinen 1,2 Milliarden Menschen. Dort gibt es jedoch – zu Recht – erhebliche Vorbehalte. Die Bauern fürchten Importe subventionierter europäischer Lebensmittel ebenso wie kleine Ladenbesitzer die Konkurrenz von Supermarktketten. Und wenn Autos nur importiert statt vor Ort gebaut werden, dürfte sich der erhoffte Technologietransfer in Grenzen halten. Die Befürchtungen haben zu umfangreichen Protesten in Indien geführt. Auch deswegen wurde das Abkommen vorerst blockiert. Schon vor einiger Zeit kam eine Studie der NGO Weed zu einem eindeutigen Fazit:

Insgesamt zeigt sich, dass das EU-Indien-Freihandelsabkommen gravierende Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit und die Existenzgrundlagen der indischen Bevölkerung haben wird und gleichzeitig den politischen Handlungsspielraum für zukünftige Regierungen erheblich einschränkt.

Gerechtigkeit nicht erwünscht

Die Bundesregierung spielt im Ringen um mehr Gerechtigkeit in der Textilindustrie keine rühmliche Rolle
Aktivisten vor einer Lidl-Filiale in Wien
Aktivisten vor einer Lidl-Filiale in Wien Bild von Clean Clothes Campaign

Dass die globale Textilienproduktion unter sozialen wie ökologischen Gesichtspunkten moralisch kaum vertretbar ist, belegen mittlerweile zahlreiche Berichte und Studien.

Auch bei der Europäischen Union (EU) scheint das Bewusstsein für das Problem zu wachsen. So arbeitet die EU-Kommission aktuell an einer neuen Handelsrichtlinie, die Unternehmen dazu verpflichten soll, ihre Produktions- und Handelsketten offenzulegen. Es soll in Zukunft überprüft werden können, ob die Unternehmen, die von ihnen eingegangenen, aber oft nicht befolgten Verhaltenskodizes befolgen. Weiterlesen … »

Das Recht des Stärkeren

Die europäische Handelspolitik widerspricht entwicklungspolitischen Zielen
Landwirtschaft in Ghana
Landwirtschaft in Ghana Bild von oneVillage Initiative

Einige Analysen wollen die Europäische Union gern als friedliches Imperium verstehen. Denn der Staatenbund verfügt über kein eigenes Militär, sondern übt seine Macht über Handelspolitik aus. Doch diese dient häufig Einzelinteressen wie denen der Agrarindustrie. So zwingt die Union afrikanische Staaten zu niedrigen Zöllen. Diese Agrarpolitik überschwemmt diese Länder mit billigen, weil subventionierten Produkten aus Europa, so daß die heimische Produktion leidet oder eingeht. Freihandel ist somit auch das Recht des Stärkeren. Armin Paasch, Referent für Welthandel und Ernährung beim katholischen Hilfwerk Misereor kritisiert insbesondere das Partnerschaftabkommen EPA, das die Streichung von Einfuhrzöllen bei der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas vorsieht. Bislang ist die Ratifizierung am Widerstand in den meisten Staaten gescheitert. Auch von Seiten der UNO wird die europäische Handelspolitik kritisiert.

Forciert wird die Handelspolitik der EU-Kommission von dem EU-Handelskommissar. Dieser vertritt in erster Linie die Interessen einiger Unternehmen und widerspricht entwicklungspolitischen Zielen. So bleiben die europäischen Staaten nicht nur hinter ihren Zielen in der Entwicklungpolitik und bei der Bekämpfung des weltweiten Hungers zurück. Die Handelspolitik torpediert diese Ziele vielmehr noch.

Der wahre Preis

Die sozialen und ökologischen Kosten globaler Kleidung
Textilfabrik in Gazipur, Bangladesch
Textilfabrik in Gazipur, Bangladesch Bild von Clean Clothes Campaign

Wenn wir ein T-Shirt kaufen, hat es in der Regel einen weiten Weg hinter sich. In der globalen Textilienindustrie sind die einzelnen Arbeitsschritte, die geschehen müssen, bevor wir die fertige Kleidung von der Stange nehmen können, auf unterschiedliche Länder und Kontinente verteilt.

Aufgrund mangelnder sozialer und ökologischer Standards bringt diese Art der Produktion enorme Probleme für die Textilarbeiter in Ländern wie Bangladesch und Indien oder auch Bulgarien und Polen mit sich. Besonders in Ländern der „Dritten Welt“ sind der Arbeitsschutz und die soziale Sicherung der Arbeiter mangelhaft. Die Menschen arbeiten für einen niedrigen Lohn und sehen sich durch den Einsatz giftiger Chemikalien gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. So kommt beispielsweise die Clean Clothes Campaign (Kampagne für saubere Kleidung) in ihren Recherchen zu dem Ergebnis, dass deutsche Unternehmen wie Aldi, Lidl oder KiK internationales Arbeitsrecht systematisch missachten. In den Zulieferbetrieben der Konzerne in Bangladesch sind 13 bis 15 Stunden Arbeit an sieben Tagen in der Woche und Überstunden über das zulässige Maß hinaus die Regel. Trotzdem reicht der Lohn der Angestellten meist nicht aus, um ihre Familien zu ernähren.

Auch unter ökologischen Gesichtspunkten ist die globale Textilienproduktion problematisch. Während Giftstoffe Böden und Gewässer belasten, schädigen die hohen CO2-Emissionen, die durch die weiten Transportwege entstehen, das Klima. Eine auf Indymedia erschienene Studienarbeit bietet einen tieferen Einblick in das Thema und zeigt mögliche Lösungsansätze und Alternativen auf.

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