Presseschau Strategien

Das Ende der atlantischen Dominanz

Kalter Krieger plädiert für Bündnis mit dem einstigen Gegner
Platz für neue Spieler
Platz für neue Spieler Bild von angelocesare

Die Epoche der transatlantischen Dominanz ist vorüber. Angefangen von den Kolonialmächten der Renaissance bis zur Supermacht USA waren diese tonangebend in der Weltpolitik. Das Erscheinen neuer Akteure beim Ringen um Macht und Einfluß, wie Indien oder China, verändert die Lage auf dem »großen Schachbrett«. Welchen Einfluß diese Verschiebung auf das Denken des Zbigniew Brzezinski ausübt, untersucht Hauke Ritz in den Blättern für deutsche und internationale Politik. Brzezinski erscheint hier als moderner Königsberater, der für mehrere Präsidenten als Sicherheitsberater die amerikanischen Linien des Kalten Krieges vorgab. Er sieht sich als Architekt der sowjetischen Invasion in Afghanistan – eine Falle, die zum Zusammenbruch des Imperiums beitrug und zugleich unzählige Menschen das Leben kostete. Forderte der Sicherheitsberater in den 90er Jahren noch eine Neuauflage der amerikanischen Dominanz und zerstritt sich darüber mit den Neokonservativen ob deren Invasionsstrategie, plädiert er nun für eine Abkehr von der Feindschaft zu Russland. Denn nur durch einen Ausgleich mit dem einstigen Gegner und einer Integration der Türkei in den Westen ließe sich dem wachsenden Einfluß aufstrebender Staaten begegnen. Die USA seien in einer vergleichbaren Situation wie die späte Sowjetunion: »Ein festgefahrenes und reformunfähiges politisches System.« Dies werde durch das Unwissen breiter Bevölkerungsschichten über Weltpolitik begünstigt. Die grundlegende Veränderung der geopolitischen Landkarte hat aber auch Einfluß auf kleinere Staaten, die sich in Zukunft weniger stark am Westen orientieren werden.

Gespaltene Sicht

Der Streit um das iranische Nuklearprogramm
Der Iran droht im Konfliktfall die Straße von Hornus zu blockieren
Der Iran droht im Konfliktfall die Straße von Hornus zu blockieren Bild von eutrophication&hypoxia

Plant der Iran eine Atombombe? Diese Frage ist heftig umstritten, bislang wurden lediglich Indizen, jedoch keine Belege für ein Atombombenprogramm angeführt. Gilles Cayatte zeigt den Kalten Krieg zwischen dem Westen und dem Iran um dessen Atomprogramm, dessen Anfänge in der Zeit vor der Islamischen Revolution liegen. In einer Art Katz-und-Mausspiel versucht die iranische Regierung, die strengen Sanktionen über Mittelländer zu umgehen. Dabei bleibt unklar, ob die eingeführten Teile für zivilie oder militärische Zwecke genutzt werden. Dem etwas reißerischen Titel »Die Bombe um jeden Preis« wird der Film nicht gerecht, denn es wird nicht ersichtlich, daß der Staat am Persischen Golf diese tatsächlich anstrebt. Interessant sind jedoch die Stimmen von Beobachtern und Beteiligten. So wird deutlich, daß der Westen eine iranische Bombe im Zweifel kaum verhindern kann, auch wenn dies durch Sanktionen und Anschläge auf Wissenschaftler versucht wird. Dabei erscheint eine Bedrohung des Atomwaffenstaates Israel keineswegs als gravierenste Auswirkung dieses Szenarios. Vielmehr besteht die Bedrohung im Wettrüsten in Vorderasien. Wenn der Iran die Bombe will, so könnten auch die Türkei, Saudi-Arabien und Ägypten dies anstreben. Beim konventionellen Militär ist diese Rüstungsspirale schon längst im Gange.

Ein Pulverfass

Der Konflikt um die Spratly-Inseln eskaliert
Ein Atoll der Spratlys
Ein Atoll der Spratlys Bild von Storm Crypt

Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu kleineren Auseinandersetzungen im Südchinesischen Meer, beispielsweise um Fischereirechte. Wichtiger noch aber sind die vermuteten Rohstoffe auf dem Meeresgrund, vor allem Öl und Erze. Hinzu kommt die immense strategische Bedeutung als Schifffahrtsroute - nahezu ein Viertel der weltweiten Seetransporte passiert das Gebiet der mehreren hundert Inseln und Riffe.

Die direkten Kontrahenten sind vor allem China auf der einen und die südostasiatischen Anrainerstaaten - Vietnam, Brunei, Malaysia, Taiwan und die Philippinen - auf der anderen Seite. Aber auch Russland und die USA beteiligen sich mittlerweile an den Militärmänovern in der Region. Überhaupt scheint es wenig wahrscheinlich, dass die kleineren Länder eine Konfrontation mit China aufnehmen würden, ohne die amerikanische Schutzmacht hinter sich zu wissen. Und die hat kürzlich eine neue strategische Ausrichtung beschlossen: Das Hauptaugenmerk liegt künftig auf Asien. Ob sich das allgemeine Säbelrasseln zu ernsteren Waffengängen auswachsen wird oder eher den Auftakt für diplomatische Verhandlungen bildet, ist noch nicht sicher abzusehen.

Imperialer Habitus

Eine neue Strategie für Deutschland in der Welt
Imperialer Habitus
Bild von stevecadman

Vor wenigen Tagen beschloss das Bundeskabinett eine Neuausrichtung bzw. Ergänzung der deutschen Außenpolitik. Neben den traditionellen Verbündeten in EU und NATO sollen verstärkt politisch und ökonomisch wichtige Schwellenländer in allen Erdteilen zur Zusammenarbeit gewonnen werden. Dazu gehören beispielsweise Indien, Brasilien und Südafrika, möglicherweise auch Mexiko und Indonesien. Das erklärte Ziel der Bemühungen ist es, Deutschlands Macht und Einfluss weltweit zu stärken:

Durch diese Partnerschaften wollen wir den Spielraum, die Reichweite und das Wirkungsvermögen unserer gemeinsamen, globalen Gestaltungskraft in einer multipolaren Welt erhalten und ausbauen.

Die Kooperationen sollen sich auf eine breite Palette von Bereichen erstrecken. Es geht etwa um den Aufbau von Netzwerken in Kultur und Wissenschaft, um die lokalen Eliten an Deutschland zu binden. Aber auch militärische und polizeiliche Projekte werden angedacht, beispielsweise die Entsendung von Militärberatern oder Waffenlieferungen. Die Strategie als Ganze ist dabei durchaus langfristig angelegt und soll offenbar Deutschland unabhängiger von den USA machen, zugleich auch nationale Alleingänge ohne die bisherigen Partner ermöglichen.

Bombe im Keller?

Die Beweislage für ein iranisches Atombombenprogramm ist dünn

Bastelt der Iran an der Atombombe? Dafür gibt es keine ausreichenden Belege, meint der Altmeister des investigativen Journalismus Seymour Hersh. Zwar schließt auch Hersh nicht aus, daß der Iran über eine »versteckte unterirdische Atomwaffenfabrik« verfügt. Aber das Material der internationalen Atomenergiebehörde biete darüber keine neuen Informationen. Im Gegenteil bestehen keine Anzeichen, der Iran habe Uran für den Bombenbau abgezweigt. Hersh zitiert einen ehemaligen leitenden Beamten des US-Außenministeriums:

Diejenigen, die aus dem IAEA-Bericht die Berechtigung für einen Angriff auf den Iran abzuleiten versuchen, wollen ihn absichtlich missverstehen.

Hersh sieht hinter dem schärferen Ton der IAEA weniger neue sustantielle Informationen als vielmehr den neuen Chef, Yukiya Amano, an der Spitze, welcher die Linie der USA unterstützt. Um diese Aussage zu belegen, zitiert er die von Wikileaks veröffentlichten US-Depeschen:

[…] bei allen strategischen Entscheidungen – und zwar sowohl bei wichtigen Personalentscheidungen als auch im Hinblick auf das angebliche Atomwaffenprogramm des Irans – stehe er aber fest an der Seite der USA.

Strategische Nebelkerzen

Sparen beim US-Militär?
Strategische Nebelkerzen
Bild von The U.S. Army

Barack Obama ist ein Meister der Verschleierung. Der US-Präsident, der zwei Kriege führte und dennoch den Friedensnobelpreis bekam, hat schon mehrfach gerade in Fragen der Militärpolitik Hoffnungen geweckt, die von vornherein unbegründet waren. Die Atomwaffen werden keineswegs abgeschafft, sondern nur auf ein Maß reduziert, das den veränderten Bedingungen nach dem Kalten Krieg angemessen ist. Ebenso verhält es sich mit der jüngst angekündigten Kürzung des Militärbudgets um etwa 500 Milliarden Dollar. Und das aus mehreren Gründen.

Zunächst ist die Kürzung auf zehn Jahre angelegt, was allein schon die Summe erheblich relativiert. Darüber hinaus findet vor allem eine Neustrukturierung der Armee statt. Nach dem Abzug aus dem Irak und der Verringerung der Soldaten in Afghanistan kann die Zahl der Bodentruppen deutlich sinken. Gleichzeitig werden Flotte, Luftwaffe und Spezialkräfte eine wichtigere Rolle spielen. Von einer wirklichen Abrüstung kann also keine Rede sein. Außerdem betonte Obama, dass es auch weiterhin große Herausforderungen geben werde: An erster Stelle der Aufstieg Chinas, aber auch der Krieg gegen den Terror und nicht zuletzt der Iran. In Peking sorgt das Säbelrasseln indessen für ernste Sorgen. Eine bewusst offen gehaltene Liste von möglichen Einsatzländern umfasst daneben Pakistan, Jemen, Somalia. Das klingt nicht nach Entspannung, zumal ein Krieg gegen Iran unabsehbare Folgen haben würde. Ausdrücklich wird eine grundlegende Verschiebung der strategischen Ausrichtung nach Asien angekündigt, was einen teilweisen Abzug aus Europa einschließt. In jedem Fall soll die finanzielle Ausstattung der Armee in einer Höhe aufrecht erhalten werden, die eine globale Vormachtstellung auch in Zukunft garantiert.

Mord in der Grauzone

Drohnen im schmutzigen Krieg
Predator-Drohne der US Air Force
Predator-Drohne der US Air Force Bild von james_gordon_los_angeles

Auf den ersten Blick erscheint es widersprüchlich: Barack Obama, immerhin Friedensnobelpreisträger, hat wie kein Präsident vor ihm den Einsatz von Drohnen forciert. Sie werden aber nicht nur zur Aufklärung verwendet, sondern häufig auch zur gezielten Tötung von tatsächlichen oder vermeintlichen Terroristen, Taliban und anderen Gegnern. Tatsächlich ist diese Entwicklung Ausdruck einer neuen Art der Kriegsführung - mit unabsehbaren Konsequenzen.

Einmal wird so die Hemmschwelle zum Gewalteinsatz drastisch gesenkt, denn eigene Soldaten sind dabei kaum in Gefahr. Das macht es leichter, solche Aktionen innenpolitisch durchzusetzen. Hinzu kommt, dass Transparenz darüber, wer warum umgebracht wird, kaum noch möglich ist. Die parlamentarischen Kontrolleure haben nicht die nötigen Informationen, und viele fragen auch erst gar nicht danach. Rechtlich sind die Tötungen ohnehin fragwürdig. Besonders dann, wenn sie in Ländern stattfinden, die sich überhaupt nicht im Kriegszustand mit den USA befinden, wie aktuell Pakistan oder Jemen. Letztlich entscheiden also Militärs oder Geheimdienstler willkürlich über Leben und Tod von Menschen.

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