Presseschau Atomwaffen

Frieden durch Abschreckung?

Zu den Atomwaffen im Kalten Krieg - und danach
Atomwaffentest
Atomwaffentest Bild von vaXzine

Der Historiker Eckart Conze - einer breiteren Öffentlichkeit durch seine Mitwirkung an »Das Amt« bekannt geworden - analysiert die Rolle der Atomwaffen im Kalten Krieg. Das häufig formulierte Argument, gerade die extreme Vernichtungskapazität dieser Bomben habe den Frieden gesichert, stellt er dabei in Frage. Denn das setze voraus, dass alle Beteiligten rational handeln, also die Folgen ihrer Entscheidungen abwägen würden. Das sei zwar damals so gewesen, ist aber keineswegs selbstverständlich. Gerade heute, in einer zunehmend unübersichtlicher werdenden Welt, könne davon immer weniger ausgegangen werden.  Hinzu komme, dass der Kalte Krieg immer ein äußerst prekärer Frieden war: Die zahlreichen, schweren Krisen zeigten das. Hinzu komme noch die enorme wirtschaftliche Belastung durch die massive Aufrüstung. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass es mehrfach gerade auch in der BRD starke Friedensbewegungen gab, die sich mit ihren Anliegen aber nicht durchsetzen konnten.

Kommentar

Sicher hat Conze Recht mit seiner Betonung, dass der Kalte Krieg, gerade im Rückblick, stabiler scheine, als er war. Und ja: Die Kosten der Rüstung allein richteten schon extreme Schäden an, ohne dass die Bomben überhaupt eingesetzt wurden. Das bedeutet aber zugleich, dass irgendwer von dieser Aufrüstung auch enorm profitierte: Sei es die westliche Industrie oder das sowjetische Pendant eines bürokratischen Apparats. Vor allem aber sieht Conze heute die Gefahr vor allem in Regimes wie Iran oder in einem möglichen Nuklearterrorismus begründet. Das wäre noch zu hinterfragen. Denn Fakt ist: Der bis heute einzige Einsatz von Atomwaffen im Krieg wurde von der Regierung eines demokratischen westlichen Landes angeordnet. Und umgekehrt: Warum geht er davon aus, dass die Regierung in Teheran nicht rational handelt? Man muss die Ziele dieses Regimes ja nicht teilen oder verteidigen - aber es wäre kaum seit über 30 Jahren an der Macht, wenn es sich irrational verhalten hätte. Vielmehr zeigen viele Fälle aus der jüngeren Vergangenheit ja gerade, dass es rational agiert. Und dazu gehört unter Umständen auch der Wille, Atomwaffen zu besitzen. Im Übrigen war bis dato noch keine Terrorgruppe in der Lage, sich Atomwaffen zu beschaffen oder gar einzusetzen. 

Gespaltene Sicht

Der Streit um das iranische Nuklearprogramm
Der Iran droht im Konfliktfall die Straße von Hornus zu blockieren
Der Iran droht im Konfliktfall die Straße von Hornus zu blockieren Bild von eutrophication&hypoxia

Plant der Iran eine Atombombe? Diese Frage ist heftig umstritten, bislang wurden lediglich Indizen, jedoch keine Belege für ein Atombombenprogramm angeführt. Gilles Cayatte zeigt den Kalten Krieg zwischen dem Westen und dem Iran um dessen Atomprogramm, dessen Anfänge in der Zeit vor der Islamischen Revolution liegen. In einer Art Katz-und-Mausspiel versucht die iranische Regierung, die strengen Sanktionen über Mittelländer zu umgehen. Dabei bleibt unklar, ob die eingeführten Teile für zivilie oder militärische Zwecke genutzt werden. Dem etwas reißerischen Titel »Die Bombe um jeden Preis« wird der Film nicht gerecht, denn es wird nicht ersichtlich, daß der Staat am Persischen Golf diese tatsächlich anstrebt. Interessant sind jedoch die Stimmen von Beobachtern und Beteiligten. So wird deutlich, daß der Westen eine iranische Bombe im Zweifel kaum verhindern kann, auch wenn dies durch Sanktionen und Anschläge auf Wissenschaftler versucht wird. Dabei erscheint eine Bedrohung des Atomwaffenstaates Israel keineswegs als gravierenste Auswirkung dieses Szenarios. Vielmehr besteht die Bedrohung im Wettrüsten in Vorderasien. Wenn der Iran die Bombe will, so könnten auch die Türkei, Saudi-Arabien und Ägypten dies anstreben. Beim konventionellen Militär ist diese Rüstungsspirale schon längst im Gange.

Bombe im Keller?

Die Beweislage für ein iranisches Atombombenprogramm ist dünn

Bastelt der Iran an der Atombombe? Dafür gibt es keine ausreichenden Belege, meint der Altmeister des investigativen Journalismus Seymour Hersh. Zwar schließt auch Hersh nicht aus, daß der Iran über eine »versteckte unterirdische Atomwaffenfabrik« verfügt. Aber das Material der internationalen Atomenergiebehörde biete darüber keine neuen Informationen. Im Gegenteil bestehen keine Anzeichen, der Iran habe Uran für den Bombenbau abgezweigt. Hersh zitiert einen ehemaligen leitenden Beamten des US-Außenministeriums:

Diejenigen, die aus dem IAEA-Bericht die Berechtigung für einen Angriff auf den Iran abzuleiten versuchen, wollen ihn absichtlich missverstehen.

Hersh sieht hinter dem schärferen Ton der IAEA weniger neue sustantielle Informationen als vielmehr den neuen Chef, Yukiya Amano, an der Spitze, welcher die Linie der USA unterstützt. Um diese Aussage zu belegen, zitiert er die von Wikileaks veröffentlichten US-Depeschen:

[…] bei allen strategischen Entscheidungen – und zwar sowohl bei wichtigen Personalentscheidungen als auch im Hinblick auf das angebliche Atomwaffenprogramm des Irans – stehe er aber fest an der Seite der USA.

Der ungeschickte Schütze und das Kronjuwel

Wie nahe führten Reagans Polemik und sowjetisches Mißtrauen die Welt an den Rand des Atomkrieges?

Während die Kubakrise 1961 das Sinnbild eines drohenden Atomkrieges darstellt und Gegenstand von Kultur und Forschung wurde, ist die Krise um die NATO-Übung Able Archer im Jahr 1983 eher unbekannt. Diese umfassende Übung sollte einen Atomkrieg unter Leitung der NATO-Staatschefs simulieren. In einem Klima wachsenden Mißtrauens zwischen den Supermächten vermutete der KGB hinter der Übung eine Tarnung für einen nuklearen Erstschlag und bereitete einen Reaktion vor. Der amerikanische Präsident Ronald Reagan hatte die Sowjetunion als Reich des Bösen (»evil empire«) bezeichnet, das diplomatische Klima hatte einen Tiefpunkt erreicht. Dies geschah vor dem Hintergrund eines Wettrüstens, der Stationierung der amerikanischen Pershing-II durch den NATO-Doppelbeschluß als Antwort auf die sowjetische Mittelstreckenrakete SS-20. Die Sowjets reagierten auf die Angst vor einem Erstschlag mit dem Programm RJaN zur Aufklärung der Aktivitäten. Weiterlesen … »

Dr. Strangelove reloaded

Von echten und simulierten »Mad Men«

Vijay Prashad nimmt die aktuellen Ereignisse vor der Küste Palästinas zum Anlass, um über Strategien in der amerikanischen und israelischen Außenpolitik nachzudenken. Hier sieht er den Versuch, mit Hilfe von kalkulierter Unberechenbarkeit Druck aufzubauen: Traut der jeweilige Gegenspieler einem alles zu - inklusive massiver nuklearer oder konventioneller Militärschläge - dann befindet man sich automatisch in einer starken Position.

Gleichzeitig weist der Artikel auf die unterschiedlichen Maßstäbe hin, mit denen die USA das Handeln anderer Länder bemessen. Während die Opfer der israelischen Aggression lediglich bedauert würden, reagiere Hillary Clinton auf die jüngsten Vorkommnisse in Korea mit hektischer Aktivität.

Abschreckung von wem?

Die nukleare Abrüstung in Europa kommt voran
B-61 Atombombe, wie sie auch in Büchel lagern <br/>Foto von madcurtis.1959
B-61 Atombombe, wie sie auch in Büchel lagern Foto von madcurtis.1959

Während des Kalten Krieges wurden von den Großmächten hunderte Nuklearwaffen in Europa stationiert. Doch nach seinem Ende wurde nur Ostdeutschland zu einer atombombenfreien Region. In der alten BRD ebenso wie in einer Reihe weiterer Staaten blieben Teile der amerikanischen Bestände erhalten.

Nun haben einige Regierungen der NATO-Länder, darunter Deutschland, eine Initiative gestartet, um auch die restlichen ca. 200 Sprengköpfe der USA abzuziehen. Das scheint nicht unrealistisch. Denn einerseits hat sich die Bedeutung dieser Waffen in der amerikanischen Militärdoktrin weiter verringert, und die anstehenden Verhandlungen mit Russland werden wohl eine Reduzierung der taktischen Atomwaffen zur Folge haben.

Symbole ohne viel Substanz

Zu Obamas Abrüstungsinitiativen

Andreas Zumach betrachtet im Freitag Obamas außenpolitisches Engagement durchaus mit Wohlwollen. Allerdings seien die Bemühungen um die atomare Deeskalation vor allem symbolischer Natur und könnten die Adressaten – Iran und Nordkorea in erster Linie – kaum beruhigen. Denn in den entscheidenden Punkten, Erstschlagsoption und Zahl der einsatzfähigen Sprengköpfe, sind die Zugeständnisse sehr bescheiden. Zudem steht die Aufrüstung des konventionellen Waffenarsenals in direktem Widerspruch zur Friedensrhetorik des Präsidenten.

Ob diese Unzulänglichkeiten nur auf den republikanischen Widerstand im Kongress zurückzuführen sind, wie der Autor suggeriert, mag bezweifelt werden. Immerhin hat Obama weder die Rüstungsausgaben reduziert noch sich in den aktuellen Kriegen nachhaltig für eine Friedenslösung eingesetzt. Ganz im Gegenteil: Er erhöhte sogar die Truppenstärke in Afghanistan.

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