Presseschau Mitteleuropa

Zeit für eine Wende

Eine Korrektur von Steuer- und Finanzmarktpolitik wäre notwendig

Die Wohlhabenden unter den Deutschen besitzen ein gewaltiges Vermögen, etwa 7,2 Billionen Euro. Wohlgemerkt: die Wohlhabenden. Denn ein Drittel dieses Eigentums konzentriert sich auf das reichste Prozent, ein weiteres Drittel auf die folgenden neun Prozent der Bevölkerung. Ein Großteil dagegen verfügt über keinerlei Vermögen. Die Verbindung aus »Bankenrettungspaketen« in der Finanzkrise und der sozial unausgewogenen Steuerpolitik der letzten Dekade hat zu dieser Entwicklung erheblich beigetragen. Zugleich stiegen die staatlichen Schulden in schwindelerregende Höhe. Angebracht wäre deshalb eine Belastung eben dieser Privatvermögen - um weitere Kürzungen bei notwendigen Ausgaben zu vermeiden und stattdessen all das zu finanzieren, das wirklich der Gesamtheit zugute kommt, findet Dierk Hirschel. Die Vermögensabgabe ist auf diesem Weg allerdings nur ein erster Schritt.

Der Anstieg der Staatsverschuldung ist nicht das Ergebnis laxer Haushaltspolitik, sondern Folge einer schamlosen politischen Reichtumspflege und der großen Finanzmarktkrise. Das Gemeinwohl schrumpfte zugunsten steigender Vermögen. Und jetzt sollen die Schuldenberge dadurch abgetragen werden, dass abhängig Beschäftigte, Rentner und Arbeitslose den Gürtel enger schnallen. Damit muss endlich Schluss sein. Die Schuldenfrage ist eine Verteilungsfrage. Der private Reichtum muss jetzt zum Abbau der Staatsschulden herangezogen werden. In den letzten Wochen wurde in diesem Zusammenhang verstärkt über das Instrument einer Vermögensabgabe diskutiert. Das ist gut so. Eine einmalige Vermögensabgabe auf Geld-, Immobilien- und Betriebsvermögen könnte einen wichtigen Beitrag leisten, um den milliardenschweren Schaden der Finanzmarktkrise zu beheben.

Kritik à la carte

Demokratische Defizite werden in Europa weitgehend ignoriert
The winner takes it all: Parlament in Bukarest
The winner takes it all: Parlament in Bukarest Bild von Nanel4

Undurchschaubare Ränke beherrschen die Politik in Rumänien. Ebenso wie die Nachbarstaaten Ungarn und Bulgarien ist der Karpatenstaat alles andere als eine Musterdemokratie, und trotz des Beitritts zur Europäischen Union ist das Land eines der ärmsten Europas. Um soziale Kämpfe handelt es sich beim Streit zwischen Ministerpräsident Victor Ponta und dem Präsidenten Traian Basescu jedoch nicht. Vielmehr geht es um einen Machtkampf. Der Präsident soll wegen unrechtmäßiger Ausdehnung seiner Kompetenzen des Amtes enthoben werden. Nach der Suspendierung durch das Parlament soll das Volk darüber befinden. In diesem Verfahren beschneidet das Parlament jedoch die Rechte des Verfassungsgerichts. Das wiederum empört europäische Regierungen – weit stärker als die Kompetenzüberschreitungen des Präsidenten. Dieser hatte sich zuvor durch seine Sparpolitik gegenüber Brüssel erkenntlich gezeigt. Zugleich ist er durch herablassende und rasssistische Bemerkungen gegenüber Minderheiten bekannt.

Andere Stimmen kritisieren seinen Opponenten, den Ministerpräsidenten Ponta, dessen Ansehen durch eine Plagiatsaffäre gelitten hat. Ponta betreibe das Amtsenthebungsverfahren mit Hilfe seiner Koalition aus Sozialdemokraten und Liberalen, um die Justiz unter Kontrolle zu bekommen, liest man in der Le Monde: Somit solle die Behörde zur Korruptionsbekämpfung unter Kontrolle gebracht werden. Zudem verfolge er die Interessen des undurchsichtigen Politikers und Medienmagnaten Dan Voiculescu, dem Verbindungen zur ehemaligen Staatssicherheit Securitate nachgesagt werden. Weiterlesen … »

Sonnenkönig im Fußballreich

Der Führungsstil des Sepp Blatter
Sepp Blatter
Sepp Blatter Bild von republicoftogo.com

Im jüngsten Korruptionsfall beim Fußball-Weltverband FIFA ist sie wieder zu beobachten, die selbstherrliche Amtsauffassung des Präsidenten Sepp Blatter. Schon viele Skandale hat er überstanden, manchen lästigen Konkurrenten ausgebootet. Zuletzt den Gegenkandidaten Mohamed Bin Hamam, der nach lancierten Bestechungsgerüchten erst gar nicht zur Wahl antrat. Seine Macht gründet sich dabei auf das erfolgreiche Geschäftsgebaren des Verbandes. Früher finanziell oft in arger Bedrängnis, hat Blatter die FIFA zu einem hochprofitablen Konzern umgebaut. Damit kauft er sich vor allem die Zustimmung der kleinen, von diesen Geldern abhängigen Landesverbände. Aber selbst die mächtigen nationalen Organisationen wie der größte von ihnen, der deutsche DFB, tanzen nach Blatters Pfeife.

Halbe Sachen?

Nochmals zum Vorschlag einer Vermögensabgabe des DIW

Stefan Bach, Autor der aufsehenerregenden Idee einer einmaligen Vermögensabgabe, nimmt in einem Beitrag für die Zeit Stellung zu den Vorwürfen der Medien und Ökonomen. Vielfach wurde sein Vorschlag als »Enteignung«, als »naiv und gefährlich« oder - mittlerweile allerorten ein fragwürdiges Standardargument - als abträglich für das Vertrauen der Märkte bezeichnet. Dem entgegnet Bach: Jede Steuer ist als Zwangsabgabe ohne direkte Gegenleistung de facto eine Enteignung, also auch beispielsweise die Mehrwertsteuer - die aber untere Einkommensgruppen weit überproportional belastet. Enteignungen sind auch vom Grundgesetz gedeckt, so lange eine Verhältnismäßigkeit gewährleistet bleibt. In den letzten Jahren haben Vermögende ohnehin von Reformen im Steuerrecht massiv profitiert. Im Übrigen würden mögliche Staatspleiten oder ein Ende des Euros Reiche weit mehr kosten als diese Maßnahme. Weiterlesen … »

Geben ist seliger denn nehmen

Zum aktuellen Steuervorschlag des DIW

Wolfgang Lieb analysiert den jüngsten Vorschlag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zur Verbesserung der Staatsfinanzen. Kurz gesagt werden darin zwei Möglichkeiten behandelt: Eine Zwangsanleihe Vermögender, also die verpflichtende Verleihung ihres Geldes an den Bund ist eine Variante. Zu Recht merkt Lieb hierzu an, dass damit lediglich eine Umschichtung der Staatsschulden erreicht würde, nicht aber eine wirkliche Lösung. Schließlich müssten diese Kredite genauso verzinst und getilgt werden wie freiwillige Kredite an den Staat. Ein zweiter Vorschlag geht dahin, eine (einmalige) Vermögensabgabe zu erheben. Diese würde erst für Eigentum über 250.000 bzw. 500.000 Euro (für Ehepaare) gelten, Betriebsvermögen bis fünf Millionen bliebe ebenfalls befreit. So könnten Einnahmen von möglicherweise über 200 Milliarden Euro erzielt werden.

Gerade der zweite Vorschlag ist aus mehreren Gründen bedenkenswert. Zunächst würde damit der wachsenden Ungleichheit in der Gesellschaft entgegengewirkt - seit gut zehn Jahren profitieren fast ausschließlich Wohlhabende vom Wirtschaftswachstum. Außerdem würde so indirekt gewährleistet, dass die Begünstigten der staatlichen Bankenrettungspakete der Vergangenheit für die dabei entstandenen Kosten aufkommen würden. Hinzu kommt, dass mit einer Erhöhung der Staatseinnahmen die Ausgaben, gerade im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich nicht gekürzt werden müssten. Im Übrigen bliebe die Kaufkraft der großen Bevölkerungsmehrheit erhalten, was die Binnennachfrage nicht belasten würde - anders, als das beispielsweise bei einer Erhöhung der Mehrwertsteuer der Fall wäre.

Verfassungsschutz gegen Zivilgesellschaft

Geheimdienst befindet über Gemeinnützigkeit

Trotz des laufenden Skandals um den Verfassungsschutz plant die Bundesregierung, dessen Machtbefugnisse zu erweitern: Er soll zum Richter über die Zivilgesellschaft werden, indem durch die Einschätzung des Inlandsgeheimdienstes von Vereinen und Organisationen als »extremistisch« die Gemeinnützigkeit aberkannt wird. Der Freitag legt dar, daß den betroffenen Organisationen durch die Gesetzesänderung nur ein langer Klageweg bleibt – die Einschätzungen sind jedoch zumeist willkürlich, denn die Definition von Extremismus ist schwammig und nicht wissenschaftlich fundiert. Als Resultat führt eine Erwähnung im Verfassungsschutzbericht ins finanzielle Abseits.

Eine Ballade voller Ungereimtheiten

Neue Spuren deuten auf die Verwicklung der Geheimdienste in rechten Terror
Der Rennsteig im Thüringer Wald
Der Rennsteig im Thüringer Wald Bild von Glasherz

Ein Bericht, den Andreas Förster für die Berliner Zeitung und die Frankfurter Rundschau verfasste, könnte den Fall um den NSU zu einer unverhofften Wendung führen:  Denn nach einem geheimen Report des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfVS) an den Generalbundesanwalt (GBA) vom Dezember 2011 hat das Amt gemeinsam mit dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) und dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz (TLfV) von 1997 bis 2003 die »Operation Rennsteig« durchgeführt. Im Rahmen dieser, nach einem populären Thüringer Wanderweg benannten, Operation wurde der Thüringer Heimatschutz (THS) unterwandert, in dem die drei Dienste über zehn Informanten verfügten. Daher stellten einige Abgeordnete der Untersuchungsausschüsse die Frage, ob die drei Dienste den THS steuerten, welcher dann zur Keimzelle des NSU wurde. Für Empörung sorgte der Hintergrund, daß zu dem Vorgang vom BfVS nicht nur 2011 ein Teil der Akten vernichtet wurden, sondern auch der Schäfer-Kommission, die jüngst ihren Report zum Versagen der Behörden vorlegte, diese Information vorenthalten wurde. Weiterlesen … »

Inhalt abgleichen