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Die Opfer des »Krieges gegen den Terror«
US-Soldat im Irak 2007
US-Soldat im Irak 2007 Bild von The U.S. Army

Im Jahr 2007 schätzten US-Amerikaner in einer Umfrage die Anzahl der Todesopfer des Irakkrieges auf unter 10.000. Und das trotz jahrelanger intensiver Berichterstattung über die Kampfhandlungen und deren Folgen auch für die Zivilbevölkerung. Die tatsächliche Zahl liegt nach fundierten Schätzungen bei etwa 1,5 Millionen. In Pakistan und Afghanistan sind es erheblich weniger. Natürlich kennt das exakte Ausmaß niemand, aber es gibt doch eine Reihe von Methoden, hier zumindest plausible Zahlen zu ermitteln. Häufig sind die in der Öffentlichkeit genannten allerdings deutlich zu niedrig angesetzt. Weil in Ländern mit zerstörter Infrastruktur kaum zuverlässige und umfassende Informationen zu bekommen sind, oder weil es politisch so gewollt ist.

Man mag es zynisch finden, sich dem Kriegsgeschehen über solche nackten Zahlen zu nähern. Aber sie zeigen doch eines sehr deutlich: Der Krieg gegen den Terror hat nicht Gewalt verhindert, sondern potenziert. Und das in einem Ausmaß, das schockiert. Gerade vor dem Hintergrund aktueller Interventionen wie in Libyen und Somalia oder eventuell bevorstehender wie in Syrien sollte das zu denken geben.

Die Bühne des irakischen Ringkampfes ist eröffnet

Dem Land droht nach dem Rückzug der Amerikaner eine Eskalationsspirale
Abzugs-Zeremonie am 15. März in Bagdad: "Ein neunjähriger Krieg, der sich neben Pearl Harbour, der deutschen Invasion in der Sowjetunion und Vietnam nahtlos in die Reihe der größten militärischen Fehler aller Zeiten einfügt."
Abzugs-Zeremonie am 15. März in Bagdad: "Ein neunjähriger Krieg, der sich neben Pearl Harbour, der deutschen Invasion in der Sowjetunion und Vietnam nahtlos in die Reihe der größten militärischen Fehler aller Zeiten einfügt." Bild von Erin A. Kirk-Cuomo

Kaum hat der letzten amerikanische Soldat den Irak verlassen, bricht der Sturm los: Die fragile Regierung bricht auseinander, kurz darauf explodieren in Bagdad fünf parallele Bomben, die 70 Menschen in den Tod reißen. Beobachter rechneten mit einer Zuspitzung der inneren Konflikte im neunten Jahr nach dem Einmarsch im März 2003  – vielmehr stellt sich aber die Frage, ob die Eskalationsspirale bis in einen erneuten Bürgerkrieg oder gar den Zerfall des Irak reichen wird. In diesem Konflikt ringen innere und äußere Kräfte um die Macht. Der Ministerpräsident Nuri Al-Maliki tritt als Repräsentant der schiitischen Bevölkerungsmehrheit auf, als er nach dem Regierungszerfall seinen sunitischen Stellvertreter Tarek al-Haschemi erfolglos festnehmen lassen will. Dieser floh in die autonome Kurdengebiete, der dritten Partei auf der irakischen Bühne. Doch auch die regionalen Mächte wollen ihren Einfluß geltend machen. Dazu zählen in erster Linie der Iran, der einen großen Einfluß bei den Schiiten hat, sowie dessen Rivalen Saudi-Arabien und die Türkei. Weiterlesen … »

Gestern und heute

Die Tradition der amerikanischen Kriegsstrategie im Irak und in Afghanistan

Die USA nutzen spätestens seit der Surge-Offensive (zu deutsch 'Welle') im Irak Methoden der Aufstandsbekämpfung, die sich am Repertoire der Kolonialherrschaft bedienen. Der Kern der Strategie ist die Trennung von Aufständischen und Zivilbevölkerung sowie das Ausspielen unterschiedlicher Gruppen gegeneinander. Dazu zählt aber auch zivile Aufbauhilfe, um die Bevölkerung zu gewinnen, und die systematische Folter von Gefangenen, um die im Kampf entscheidenden Information zu erpressen. David Petraeus und Stanley A. McChrystal waren federführend dabei, diese Konzepte im amerikanischen Militär durchzusetzen. Dabei gibt es eine Linie aus den Erfahrungen und Methoden des französischen Militärs, wie sie im Algerienkrieg angewandt wurden. Diese Linie, die nicht nur im Pentagon diskutiert wird, stellt der Historiker Stephan Malinowski in der Zeit dar: Weiterlesen … »

Etikettenschwindel

Der »Abzug« der USA aus dem Irak

Medienwirksam wurde der Abzug der letzten US-Kampftruppen inszeniert; es fehlte nicht an patriotischen Begleittönen, als die 4. Stryker Brigade die Grenze zu Kuwait passierte. Damit scheint Präsident Obama sein zentrales Wahlkampfversprechen, die Beendigung des Irak-Krieges, fristgerecht einzulösen.

Doch auch Amtsvorgänger Bush hatte bereits unter dem Motto »mission accomplished« das Ende des unpopulären Einsatzes verkündet. Das war im Jahre 2003 und, wie man heute weiß, mehr als voreilig. Tatsächlich bleiben auch weiterhin 50.000 Soldaten im Lande stationiert. Und diese haben keineswegs nur Beratungs- und Ausbildungsaufgaben. Vielmehr sind auch sie zu bewaffneten Aktionen in der Lage. Weiterlesen … »

Legitimation und Legalität

Eine kleine Geschichte der Berliner Häuserkämpfe
Mainzer Straße 1990 <br/>Foto von Renate Hildebrandt
Mainzer Straße 1990 Foto von Renate Hildebrandt

Die westberliner Hausbesetzer der 80er Jahre sind ein Mythos, der in den 90er Jahren im Osten eine Neuauflage erfuhr. Durch die Besetzungen wurde das Ende der Flächensanierung durch Abriß ganzer Straßenzüge eingeläutet und neue Anstöße in der Stadtplanung gegeben. Dabei wurde ein Kampf um öffentliche Legitimation zwischen Besetzern und Stadtverwaltung ausgetragen, meinen Andrej Holm und Armin Kuhn in ihrer kleinen Geschichte der Berliner Häuserkämpfe. Die Besetzer erreichten öffentliche Unterstützung durch die Nutzung des Leerstands bei gleichzeitiger Wohnungsnot, während der Senat an einem Korruptionsskandal zerbrach. Die Stadt unter Vogel und später Weizsäcker antwortete mit einer Befriedungsstrategie, die Besetzungen legalisiert oder räumt; dadurch wurde die soziale Bewegung erfolgreich in zwei Lager gespalten.

Faustrecht

Ein Geheimgefängnis der irakischen Regierung offenbart systematische Folter
Nuri Al-Maliki 2009 zu Besuch in London
Nuri Al-Maliki 2009 zu Besuch in London

Die autoritäre Regierungsführung des irakischen Ministerpräsidenten Nuri Al-Maliki ist ein offenes Geheimnis; eine ihm unterstehende Sondereinheit ist für Mord und Entführung bekannt. Durch die Recherchen von Ned Parker der Los Angeles Times und durch einen Report von Human Rights Watch ist ein weiterer Baustein an die Öffentlichkeit gekommen: ein geheimes Gefängnis am Flughafen in Bagdad, in dem Verschleppte – größtenteil aus dem sunitischen Norden des Landes – systematisch gefoltert und zu Geständnissen erpresst wurden. Al-Maliki ließ das Gefängnis schließen und leugnet erneut jede Kenntnis, obwohl ihm dieses Gefängnis ebenso wie die Sondereinheit untersteht.

Mit allen Mitteln

Amerikanische Hubschrauberpiloten töten im Irak Zivilisten wie im Computerspiel
Amerikanischer Apache-Kampfhubschrauber nahe Bagdad
Amerikanischer Apache-Kampfhubschrauber nahe Bagdad

Die amerikanische Kriegsführung und die Öffentlichkeitspolitik des Pentagon stehen erneut in der Kritik. Anlass ist die Tötung von über zehn Zivilisten durch die Piloten von Apache-Hubschraubern in Bagdad am Morgen des 12. Juli 2007; darunter waren zwei Journalisten von Reuters, zwei Kinder wurden schwer verletzt. Reuters versuchte durch den Freedom of Information Act an die Videoaufnahmen der Hubschrauber zu gelangen. Dieses Vorhaben scheiterte, das Pentagon informierte die Öffentlichkeit systematisch falsch – nun sind die Bänder allerdings Wikileaks zugespielt worden. Das Material wurde auf der Seite collateralmurder.com veröffentlicht. Weiterlesen … »

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