Unklare Wut
In 78 Ländern und über 900 Städten gehen Menschen heute auf die Straße. Sie eint die Empörung über die Macht und den Egoismus der Finanzbranche. Darüber hinaus ist immer wieder zu hören, im Zentrum der Politik sollten die Interessen der großen Mehrheit stehen, nicht jene der »oberen Zehntausend«.
Zu diesem Zweck werden Demonstrationen, Platzbesetzungen und ähnliches veranstaltet. Wie viele sich an den Protesten letztlich direkt beteiligen, ist noch nicht ganz absehbar. Es werden voraussichtlich allein in Deutschland mehrere Tausend sein. Weiterlesen … »
Amerika erhebt sich
Als die Proteste in den USA begannen, nahmen etwa 1000 Menschen daran teil. Sie besetzten die New Yorker Wall Street und forderten das Ende der Dominanz der Finanzindustrie gegenüber der Politik und eine gerechtere Verteilung von Vermögen und Einkommen. Dieser erste Protest wurde maßgeblich von der konsumkritischen Werbeagentur „Adbusters“ und der Internetgruppierung „Anonymous“ initiiert. Die New Yorker Behörden reagierten auf ihn mit der Verhaftung von über 700 Demonstranten auf der Brooklyn Bridge. Weiterlesen … »
»Wir lassen nicht locker«
Es ist die größte soziale Bewegung in dem südamerikanischen Land seit dem Ende der Pinochet-Diktatur. Die Universitäten und zahlreiche Schulen sind seit Monaten besetzt, regelmäßig ziehen Demonstranten durch die Hauptstadt Santiago. Schüler, Lehrer und Studenten fordern umfassende Reformen.
Unter der Diktatur verwandelte sich Chile zu einem Musterland des Neoliberalismus, unter anderem wurden große Teile des Bildungswesens privatisiert. Direkte Folge dieser Politik sind die teuersten Hochschulen der Welt – wer keines der seltenen Stipendien ergattert, muss horrende Gebühren bezahlen. Dennoch ist die Ausstattung der Institutionen oft schlecht und veraltet.
Nutznießer der Krise
Im Süden Europas wird gespart, bis es quietscht. Die Sozialsysteme werden immer weiter ausgehöhlt. Gleichzeitig formiert sich eine dynamische Protestbewegung. Diese wird aber wirkungslos bleiben, wenn der Norden nicht einen Politikwechsel einleitet, prophezeit Anton Landgraf.
Statt mehr Solidarität, wird in Deutschland, Finnland oder Österreich aber vor allem die Angst der Mittelschichten vor dem sozialen Absturz angeheizt. Oder anders formuliert: Die Deutungshoheit über die Krise, ihre »Schuldigen« und Opfer verschiebt sich immer weiter nach rechts. Denn nun gehe es vor allem darum, populistisch und reflexhaft nach unten zu treten, anstatt oben Reformen einzufordern.
Gesellschaft gegen Staat
Die erste Protestwelle gegen die soziale Lage in Spanien ebbt ab, in Griechenland hat sich dagegen eine Vielfalt von Protestformen entwickelt. Die erzwungenen Sparmaßnahmen haben zu einer Wirtschaftskrise und einer spürbar gesunkenen Nachfrage geführt, so daß viele Geschäfte zur Aufgabe gezwungen sind. Ähnlich wie bei der Finanzkrise in Argentinien von 10 Jahren werden verschiedene Formen zivilen Ungehorsams erprobt: Dazu zählt die Verweigerung von Verkehrsgebühren, aber auch die Übernahme geschlossener Betriebe durch die Arbeitnehmer. Die breite Unterstützung des Widerstands gegen die Sparmaßnahmen zeigen eine tiefe Kluft zwischen Bevölkerung und Regierung auf. Weiterlesen … »
Widerstand der Gleichen
Heike Schrader hat sich in Athen umgesehen und festgestellt: Die Protestbewegung hier ist durchaus heterogen in ihren Ansichten und Zielen. Einig ist man sich aber im Widerstand gegen die etablierte Politik, selbst die Oppositionsparteien werden hier distanziert betrachtet.
Gleichzeitig gibt es Ansätze zu einer basisdemokratischen Organisation: Zahlreiche Arbeitsgruppen erstellen Vorschläge, die dann von einer Vollversammlung beraten werden. Dabei gibt es klare Regeln, die gleiche Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten für alle sichern sollen. Zudem legt man Wert auf Transparenz der Entscheidungen: Sie werden alle im Netz veröffentlicht.
Falscher Fokus
Der syrische Präsident Bashaar Al-Assad setzt die Politik seines Vaters Hafiz fort, meint Patrick Seale in der aktuellen Le Monde diplomatique. Dazu gehört die Fixierung auf die außenpolitische Rolle des Staates, eine komplexe Konstellation aus Gegnern und Allianzen in der Region. Seine Herrschaftsclique habe damit gerechnet, daß diese eigenständige Politik Syrien vor inneren Unruhen bewahre. Diese Einschätzung zeige sich nun als »großer Irrtum«. Zwar haben viele Protestler durchaus gehofft, daß Bashaar ein Katalysator des Wandels werden kann, doch in der Machtclique um die Assad-Familie seien substantielle Zugeständnisse an die Protestbewegung nicht durchzusetzen. Weiterlesen … »