Presseschau

Das Recht des Stärkeren

Die europäische Handelspolitik widerspricht entwicklungspolitischen Zielen
Landwirtschaft in Ghana
Landwirtschaft in Ghana Bild von oneVillage Initiative

Einige Analysen wollen die Europäische Union gern als friedliches Imperium verstehen. Denn der Staatenbund verfügt über kein eigenes Militär, sondern übt seine Macht über Handelspolitik aus. Doch diese dient häufig Einzelinteressen wie denen der Agrarindustrie. So zwingt die Union afrikanische Staaten zu niedrigen Zöllen. Diese Agrarpolitik überschwemmt diese Länder mit billigen, weil subventionierten Produkten aus Europa, so daß die heimische Produktion leidet oder eingeht. Freihandel ist somit auch das Recht des Stärkeren. Armin Paasch, Referent für Welthandel und Ernährung beim katholischen Hilfwerk Misereor kritisiert insbesondere das Partnerschaftabkommen EPA, das die Streichung von Einfuhrzöllen bei der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas vorsieht. Bislang ist die Ratifizierung am Widerstand in den meisten Staaten gescheitert. Auch von Seiten der UNO wird die europäische Handelspolitik kritisiert.

Forciert wird die Handelspolitik der EU-Kommission von dem EU-Handelskommissar. Dieser vertritt in erster Linie die Interessen einiger Unternehmen und widerspricht entwicklungspolitischen Zielen. So bleiben die europäischen Staaten nicht nur hinter ihren Zielen in der Entwicklungpolitik und bei der Bekämpfung des weltweiten Hungers zurück. Die Handelspolitik torpediert diese Ziele vielmehr noch.

Konservative und Fundamentalisten sind nicht das gleiche

Zum Wahlergebnis in Ägypten
Wahllokal in Ägypten
Wahllokal in Ägypten Bild von Jonathan Rashad

Die ersten freien Parlamentswahlen in Ägypten seit Jahrzehnten endeten im Januar. Der renommierte Nahost-Fachmann Olivier Roy sieht darin ein Aufbrechen der vorherrschenden politischen Kultur der letzten 60 Jahre. Wie zu erwarten war, triumphierten die sog. Islamisten (47% der Stimmen), sprich Kulturkonservative mit religiös unterfütterten politischen Vorstellungen. Weil sie jahrzehntelang vom politischen Geschehen in Ägypten ausgegrenzt wurden, besitzen sie große Glaubwürdigkeit bei den Wählern. Überraschend dagegen ist der Wahlerfolg der Salafisten (24,6% der Stimmen), also Fundamentalisten, die sich an ihrer Vorstellung, wie das Gemeinwesen zu Mohammeds Zeiten ausgesehen haben soll, orientieren. Dass sich diese Gruppe, die eigentlich parlamentarische Demokratie bzw. eine pluralistische Gesellschaft überhaupt ablehnt, gezwungen sieht, an den Wahlen teilzunehmen, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, spricht für die Verankerung demokratischen Denkens in der ägyptischen Öffentlichkeit. Weiterlesen … »

Gedankliche Dissonanz

Türkische Nationalisten in Deutschland

Rechtsradikalismus ist immer auch Ausdruck einer Gesellschaft, der es nicht gelingt, ausreichend integrativ zu wirken. Sei es nun sozial oder kulturell. Insofern mag es gar nicht so sehr erstaunen, dass in den letzten Jahren rechtsradikale Denkweisen auch unter türkischstämmigen Mitbürgern zunehmen, besonders bei Jugendlichen. Die nationalistische MHP bedient dabei ihre Klientel mit eher schlichten, emotionalen Botschaften.

Wie kann man Kurden und anderen Minderheiten in der Türkei kulturelle Selbstbestimmungs- und politische Partizipationsrechte verweigern wollen und diese gleichzeitig für einen selbst in Deutschland einklagen? Wie kann man sich gegen pauschale Verdächtigungen verwahren, wie die, dass alle Muslime Islamisten seien, und gleichzeitig alle Kurden zu Terroristen erklären?

Im Jobwunderland

Verfrühtes jubeln?
Im Jobwunderland

Kanzlerin Merkel ist sich mit ihren Ministern einig: In Deutschland findet gerade ein Jobwunder statt, die Lage ist rosig. Doch was versteckt sich hinter den Erfolgsmeldungen vom Arbeitsmarkt? Panorama stellt drei Menschen vor, die den Zahlen ein Gesicht geben. Eine Wissenschaftlerin, die sich von Befristung zu Befristung hangelt, ein scheinselbstständiger Bauarbeiter und ein Feinmechaniker in der Leiharbeit. Sie arbeiten unter unterschiedlichen Bedingungen, aber doch alle prekär. Eine langfristige Lebensplanung ist so nicht möglich. Ja, mehr noch: Krankheiten werden aus Angst vor Kündigung nicht behandelt, die Familie leidet mit. Dass die Bezahlung meist eher gering ist, versteht sich fast von selbst. Über acht Millionen untypische Beschäftigungen gibt es hierzulande, davon fast eine Million Leiharbeiter. Und die Tendenz steigt, denn rund 75 Prozent aller neuen Stellen werden in diesen Bereichen geschaffen.

Wenn die Vergangenheit auf der Stelle tritt

Ein Bericht zum Prozess gegen Verena Becker

Manuela Pfohl hat für den Stern den Prozess gegen Verena Becker am Stuttgarter Landgericht besucht. Herausgekommen ist ein jovialer und unterhaltsamer Bericht. Bei der Verhandlung erkennt die Autorin dagegen kaum Fortschritte. Das liegt auch an dem Mauern der Behörden, das Bundesinnenministerium blockiert auch heute noch die Freigabe der alten Akten. Die Zeugen sind dagegen weniger hilfreich:

Die damals Involvierten widersprechen sich. Manche erinnern sich nicht mehr. Eine Zeugin will partout nicht aussagen, ein anderer kann nicht, weil er inzwischen dement ist und ein dritter fällt ebenfalls aus, weil er bereits verstorben ist. Detailfragen werden gestellt, akribisch seziert und schließlich beantwortet, ohne dass für einen Außenstehenden ersichtlich wäre, wozu das Ganze führt.

Die Welt hat sich seit Prozessbeginn weiter gedreht, das öffentliche Interesse an dem Fall nimmt ab. Einmal mehr scheitert die Aufarbeitung der Vergangenheit der Bundesrepublik. Der Initiator des Prozesses, Michael Buback, protokolliert dennoch fleißig das Geschehen.

Am Rande der Krise

Die Sparpolitik in Rumänien führt zur Eskalation
Proteste in Bukarest am 24. Januar
Proteste in Bukarest am 24. Januar Bild von Damiano Benzoni

Seit einigen Wochen wird Rumänien von heftigen Protesten erschüttert. Der südosteuropäische Staat reiht sich somit in die Liste der Länder ein, in denen die Folgen der Wirtschaftskrisen zu inneren Konflikten führt. Auslöser der Proteste war eine Gesundheitsreform, die den Rettungsdienst privatisieren sollte. Tomasz Konicz zeigt auf Telepolis jedoch, daß hinter dem Aufruhr der Unmut über ein aufgezwungenes Spardiktat steht, das breite Bevölkerungsschichten weiter verarmen läßt. Die Gehälter im öffentlichen Dienst wurden um ein Viertel gekürzt – ähnlich geht es den Rentnern, die durch Nullrunden bei Inflation faktische Rentenkürzungen hinnehmen müssen. Der Mindestlohn beträgt im »Armenhaus Europas« nur 162 Euro. Die Hoffnungen auf eine Besserung der Lage durch den Eurobeitritt sind insofern erschüttert. Weiterlesen … »

Stadtviertel im Visier

Massenhafte Datenspeicherung von Mobilfunk in Berlin
Stadtviertel im Visier
Bild von Alessandra Cimatti

Nachdem die sächsische Polizei in Dresden bei einer Gegendemonstration gegen einen Naziaufmarsch im Februar 2011 sämtliche Mobilfunkdaten eines Stadtviertels durch eine sog. »Funkzellenabfrage« gespeichert hat, ist nun auch in Berlin ein solcher Fall bekannt geworden. Im Bezirk Friedrichshain wurden auf Anfrage der Staatsanwaltschaft und auf richterliche Anordnung hin seit 2009 die Daten von mindestens 13 Funkzellen ausgewertet. Ziel der Fahndung waren die in Berlin grassierenden Autobrandstiftungen. Andre Meister zeigt auf Netzpolitik den Umfang der Fahndung auf und stellt die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Denn die massenhafte Speicherung von Daten werde mit Terrorismus und schweren Straftaten begründet. Dies öffnet jedoch ein weites Fenster je nach Definition. Das Ausmaß der Datenerfassung bleibt bislang ungeklärt. Weiterlesen … »

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