Presseschau Kriege & Konflikte

Doppeltes Spiel auf allen Seiten

Warum bei den afghanischen Kriegstagebüchern der brisanteste Teil fehlte
US-Spezialkräfte in Afghanistan
US-Spezialkräfte in Afghanistan Bild von ISAF

Marc Thörner zeichnet im Deutschlandfunk die Veröffentlichung der afghanischen Kriegsmeldungen des amerikanischen Militärs durch Wikileaks und Partnermedien Ende Juli 2010 nach. In diesem bemerkenswerten Feature enthüllt Thörner, warum der brisanteste Teil dieser Geheimdienstsammlung niemals veröffentlicht wurde. Die Warlords der Nordallianz, welche nach der Invasion die Macht in den nördlichen Provinzen übernahmen, unterstützten die Taliban, um die Schwäche der Regierung in Kabul sichtbar zu machen. Der Tadschikenführer Mohammed Atta Nur und der Usbekenführer Raschid Dostum planten die Absetzung der Regierung Karsai um selbst die Macht zu übernehmen. Als Reaktion verbündete sich Karsai mit paschtunischen Milizen. Weiterlesen … »

Gespaltene Abspaltung

Im de facto unabhängigen Norden Malis eskaliert der Konflikt
Die Stadt Gao wurde mittlerweile von den Islamisten der AQIM eingenommen
Die Stadt Gao wurde mittlerweile von den Islamisten der AQIM eingenommen Bild von ju-yaovi

Im Norden Malis ist eine unabhängige Region entstanden, deren Status völlig ungeklärt ist. So wurde der Kampf der Tuareg um Unabhängigkeit durch heimkehrende Söldner aus Libyen und einer Waffenflut auf dem Schwarzmarkt erst befeuert. Daneben werden weite Regionen durch mehrere islamische Gruppen wie der Al-Qaida beherrscht. Diese Fraktionen bekämpfen sich zeitweise und ringen um die Macht in der dünn besiedelten Trockensavannen- und Wüstenregion. Bislang mangelte es an Reporten darüber. Olivier Joulie und Laurent Hamida sind zwei Wochen als eingebettete Journalisten gemeinsam mit Soldaten der »Nationalen Bewegung für die Befreiung des Azawad« (MNLA) durch die Region gereist und haben daraus einen Film für Arte gedreht. Ihr Blick, so bekennen sie im anschließenden Interview, ist durch diese Berichterstattung gefiltert. Doch ohne Schutz ist der Aufenthalt zu gefährlich. Die Abneigung der Tuareg-Kämpfer gegen die Islamisten der AQIM ist dabei ständig spürbar. Der Kampf für Unabhängigkeit wird mit Vertreibungen und Verbrechen der Malischen Armee begründet. Diese neue Freiheit wird jedoch durch die Kämpfe im Inneren in Frage gestellt.

Stütze der Freiheit?

Gauck zur Bundeswehr
Ein "Staatsbürger in Uniform"
Ein "Staatsbürger in Uniform" Bild von Bundeswehr

Mit seiner Rede vor der Führungsakademie der Bundeswehr hat Bundespräsident Joachim Gauck viel Widerspruch ausgelöst. Er attestierte darin der Truppe, eine Stütze der Freiheit und Menschenwürde zu sein - hierzulande, aber auch im Ausland. Gauck betonte die demokratische Ausrichtung der aktuellen Armee und ihre Rolle als »Friedensmotor«. Dem setzte er zugleich die unseligen Militärtraditionen der deutschen Geschichte entgegen. Durchaus originell sah er diese vor allem verkörpert in der NVA: Einer Armee also, die im Gegensatz zur Bundeswehr nie an einem Krieg teilgenommen hat. Weiterlesen … »

Perspektivlose Gewaltspirale

Der syrische Bürgerkrieg zeigt keine Friedensperspektive auf

Die Lage spitzt sich in Syrien seit Monaten dramatisch zu. So detonierten selbst in der Hauptstadt Damaskus Bomben, die von Unbekannten gelegt wurden. Auch der Hergang des jüngsten Massakers an der Zivilbevölkerung in dem Ort Houla, der nahe den Protesthochburgen Hama und Homs liegt, ist bislang ungeklärt. Dennoch haben mehrere europäische Staaten die syrischen Botschafter ausgewiesen. Im Gegensatz zu vorherigen Ereignissen, wie den Kämpfen in dem Stadtviertel Baba Amr, wird dieser Vorfall von der Beobachtermission der UNO geprüft, welche auf Basis einer Resolution Ende April entsandt wurde – doch bislang liegt kein Bericht vor. Russland warnt vor einer vorschnellen Beurteilung ohne eingehende Untersuchung und mahnt eine enge Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft zur Befriedung des Konfliktes an. Weiterlesen … »

Klima des Mißtrauens

Sorgen die Gouverneure im Norden Afghanistans für eine Neuauflage des Bürgerkriegs?
Wie wird sich die Afghanische Armee nach dem Abzug der ISAF verhalten?
Wie wird sich die Afghanische Armee nach dem Abzug der ISAF verhalten? Bild von Helmandblog

Wie wird sich Afghanistan nach Abzug der westlichen Truppen entwickeln? Bislang herrscht eine Art Waffenstillstand zwischen der Nordallianz und der Regierung unter Hamid Karsai. Doch zwischen den Gouverneuren im Norden und der Regierung in Kabul herrscht ein Klima des Mißtrauens, wie Marc Thörner im Deutschlandfunk schildert. In diesem Sinne verläuft die Frontlinie nicht einfach zwischen Taliban und der Regierung, sondern vielmehr auch zwischen den Tadschiken und Usbeken im Norden und Paschtunen im Süden und Osten. Karsai geht auf die Taliban zu, da er sich von der Neuauflage der Nordallianz unter Druck gesetzt fühlt und neue Bündnispartner benötigt. Somit nähert er sich auch Pakistan an. Zugleich soll aber die Afghanische Nationalarmee nicht eine ethnisch dominierte Truppe sein. Um diese Widersprüche herum dreht sich die Frage, ob eine Neuauflage des afghanischen Bürgerkriegs folgen wird oder ein Kompromiß zwischen den Parteien doch möglich ist. Diese planen zumindest für die Zeit nach dem Abzug der ISAF.

Bodycount

Die Opfer des »Krieges gegen den Terror«
US-Soldat im Irak 2007
US-Soldat im Irak 2007 Bild von The U.S. Army

Im Jahr 2007 schätzten US-Amerikaner in einer Umfrage die Anzahl der Todesopfer des Irakkrieges auf unter 10.000. Und das trotz jahrelanger intensiver Berichterstattung über die Kampfhandlungen und deren Folgen auch für die Zivilbevölkerung. Die tatsächliche Zahl liegt nach fundierten Schätzungen bei etwa 1,5 Millionen. In Pakistan und Afghanistan sind es erheblich weniger. Natürlich kennt das exakte Ausmaß niemand, aber es gibt doch eine Reihe von Methoden, hier zumindest plausible Zahlen zu ermitteln. Häufig sind die in der Öffentlichkeit genannten allerdings deutlich zu niedrig angesetzt. Weil in Ländern mit zerstörter Infrastruktur kaum zuverlässige und umfassende Informationen zu bekommen sind, oder weil es politisch so gewollt ist.

Man mag es zynisch finden, sich dem Kriegsgeschehen über solche nackten Zahlen zu nähern. Aber sie zeigen doch eines sehr deutlich: Der Krieg gegen den Terror hat nicht Gewalt verhindert, sondern potenziert. Und das in einem Ausmaß, das schockiert. Gerade vor dem Hintergrund aktueller Interventionen wie in Libyen und Somalia oder eventuell bevorstehender wie in Syrien sollte das zu denken geben.

Libyen unter der Lupe

Eine Bestandsaufnahme
Die zerstörte Stadt Sirte im Januar 2012
Die zerstörte Stadt Sirte im Januar 2012 Bild von EU Humanitarian Aid and Civil Protection

Joachim Guilliard schildert in einem ausführlichen Bericht die aktuelle Lage in dem nordafrikanischen Land. Sein Urteil fällt drastisch aus, aus mehreren Gründen:

Die Entwicklung in Libyen nach der »Befreiung« ist hier schon lange kein Thema mehr, steht nun doch mit Syrien der nächste Kandidat für einen »Regime Change« im Zentrum des Interesses. Ein Blick auf das heutige Libyen würde dabei nur stören, zeigte dieser doch – wie zuvor schon in Afghanistan und Irak – keinen positiven Wandel, sondern nur Zerstörung, Chaos, Willkür und Gewalt sowie die offensichtlichen wirtschaftlichen Interessen hinter dem Krieg.

Als Belege führt er zahlreiche durch internationale NGOs dokumentierte Menschenrechtsverletzungen an, zu denen auch Ermordungen und Folter zählen. Der Übergangsrat besitzt offenbar weder den Willen noch die Fähigkeiten, dem willkürlichen Treiben der Milizen ein Ende zu bereiten. Der Wiederaufbau des zerstörten Landes geht nur sehr schleppend voran, selbst dort, wo ausländische Konzerne ein vitales Interesse vertreten, etwa in der Ölindustrie. Ursachen dafür sind die angespannte Sicherheitslage, die unsichere politische Zukunft und bürokratische Hürden. Hinzu kommen noch Rivalitäten zwischen den einzelnen Regionen - besonders die ölreiche Ostprovinz um Bengasi verlangt mehr Autonomie. Ob der Krieg bzw. der Eingriff der NATO tatsächlich zu deren erfolgreichsten Einsätzen zählt, wie das Generalsekretär Rasmussen behauptete, bleibt noch immer zweifelhaft.

Inhalt abgleichen