Magazin Beitrag

Kein Sieg in Sicht

Mexikos Drogenkrieg

Als Felipe Calderón 2006 sein Amt als Präsident antritt, verspricht er siegessicher ein schnelles Ende der Drogenkartelle. Bis heute sind in dem „Drogenkrieg“ über 28.000 Menschen gestorben – Kriminelle, Polizisten, Soldaten und nicht zuletzt Zivilisten. Doch der Einsatz der Armee hat den Drogenhandel nicht ernsthaft eingeschränkt, nur brutalisiert.

Mexiko dient als Durchgangsstation für 90 Prozent des in den USA konsumierten Kokains. Zudem werden auch Heroin, Marihuana und synthetische Drogen über die 3.200 Kilometer lange Grenze geschmuggelt. Und der Markt ist gewaltig: Auf 50 Milliarden Dollar wird der Jahresumsatz in den Vereinigten Staaten geschätzt, dazu kommen noch einmal etwa 13 Milliarden in Mexiko selbst. Die Gewinnspanne beträgt 80 Prozent. Die neun großen Kartelle entstanden ursprünglich in den achtziger Jahren, als die alten Transportrouten durch die Karibik nicht mehr sicher genug waren. Neben diesem Handel erschlossen sich die Kartelle aber auch weitere Geschäftsfelder: Menschenhandel, Erpressung, Auftragsmorde und Produktpiraterie.

Die Polizei auf regionaler und Bundesebene gilt als geradezu notorisch korrupt; immer wieder wird ihr eine Beteiligung an den dunklen Geschäften vorgeworfen. Aber auch der Justizapparat und die Politik sind teilweise unterwandert. Das erschwert den Kampf zusätzlich, entschlossene Reformen lassen noch immer auf sich warten. Hinzu kommt das Kompetenzgerangel zwischen Bundes- und Landesbehörden.

Derweil setzt der Präsident weiter auf die militärische Karte, indem er 50.000 Soldaten gegen die Kartelle vorgehen lässt. Doch das hat nicht nur dazu geführt, dass zahlreiche ungesetzliche Maßnahmen wie Folter und Morde der Armee dem Zugriff der Justiz entzogen sind, sondern auch zu einer Aufrüstung bei ihren Kontrahenten. Diese sind mittlerweile oft besser mit modernen Waffen versorgt als der Staat und unterhalten militärische Trainingscamps für ihre Milizen. Viele Exsoldaten haben schon bei den Kartellen angeheuert und deren Methoden dementsprechend professionalisiert. Einzelne Beobachter sprechen in diesem Zusammenhang bereits von einem „Failed State“. Denn auch ganze Regionen sind der staatlichen Kontrolle entglitten.

Die Gewaltspirale dreht sich immer schneller. So kam es bereits zu Massenhinrichtungen an Zivilisten, die sich weigerten, für die Kartelle zu arbeiten. Morde, Verstümmelungen und ähnliche Methoden sind mittlerweile gängige Praxis. Die Öffentlichkeit wie auch die Politik werden mit Terror und demonstrativer Grausamkeit gezielt eingeschüchtert. So fielen zahlreiche Journalisten und Lokalpolitiker bereits Anschlägen zum Opfer.

Die USA sind auf vielfältige Weise in den Konflikt involviert. So sind sie nicht nur der Abnehmer der Rauschmittel, sondern auch der größte Waffenlieferant – ungefähr 90 Prozent der beschlagnahmten Pistolen, Sturmgewehre und Handgranaten stammen aus dem Nachbarland. Immerhin hat die amerikanische Regierung mittlerweile ihre Mitverantwortung eingestanden und versucht, über verstärkte Kooperation nicht nur im polizeilichen Bereich, sondern auch in Bildung und Gesundheit zu einer Verbesserung beizutragen – wenn auch bisher mit geringem Erfolg. Es bleibt jedenfalls zu vermuten, dass auch US-Grenzschützer in den Schmuggel einbezogen sind. Denn die gewaltigen Importe lassen sich kaum ausschließlich mit einem Versagen der mexikanischen Behörden erklären.

In Mexiko mehren sich nun die Stimmen, die die bisherige Konfrontationsstrategie Calderóns für gescheitert erklären. Und in der Tat: Jedes Jahr steigt die Zahl der Toten, und auch einzelne Erfolge bringen das illegale Geschäft kaum zum Erliegen. Denn die dezentrale Struktur der Kartelle lässt „Enthauptungsschläge“ gegen die Führer meist wirkungslos verpuffen. Schnell treten neue Bosse oder Gruppen an die Stelle der alten. Schon in Kolumbien hat sich gezeigt, dass gegen mächtige kriminelle Organisationen mit bewaffneter Repression allein kaum Fortschritte möglich sind. Doch die Situation in beiden Ländern ist insgesamt nur sehr bedingt vergleichbar.

Denkbar wären mehrere Optionen. Sinnvoll ist es allemal, nicht nur militärisch vorzugehen, sondern auch den finanziellen Strukturen zuleibe zu rücken. So wäre es möglich, Geldwäsche und andere Praktiken zu unterbinden. Doch gerade hier zeigt sich die Regierung erstaunlich nachsichtig, entsprechende Gesetze existieren zwar, werden aber oft nicht angewendet. Ob hier der Einfluss der Mafia auf den Staat den Ausschlag gibt, lässt sich aber nicht eindeutig nachweisen.

Ein weiterer Hebel wäre eine Legalisierung der Drogengeschäfte. Damit würden zumindest die aus der Kriminalisierung hervorgehenden exorbitanten Profite verringert. Fraglich bleibt allerdings, ob dieses Mittel im nationalen Rahmen wirksam sein kann. Denn solange sie in den USA verboten bleiben, lohnt sich der Transit.

Unabdingbar wären auch durchgreifende institutionelle Veränderungen. Denn mit korrupten und unkoordinierten Polizei- und Stafverfolgungsbehörden lässt sich wohl auch in Zukunft wenig ausrichten. Mittelfristig steht zu befürchten, dass die involvierten Truppenteile ebenfalls korrumpiert werden.

Es bleiben also noch ungenutzte Möglichkeiten im Kampf gegen die Kartelle, auch wenn mit einem schnellen Erfolg kaum zu rechnen ist. Ein simples „weiter so“ ist aber in jedem Fall die schlechteste Alternative. Obwohl der Präsident mittlerweile angesichts der ausbleibenden Erfolge seiner Strategie seine Bereitschaft zu einem gesellschaftlichen Dialog verkündete, lässt er allerdings auch erkennen, dass es zu einem umfassenden Kurswechsel bis zum Ende seiner Amtszeit 2012 nicht kommen wird.

Kommentare

Vielen Dank

Dieses Dossier ist logisch und nachvollziehbar aufgebaut und ausgeführt.
Es hat mir sehr geholfen :)