Presseschau Mitteleuropa

Das Schweigen der Lämmer

Fraktionsdisziplin vor Meinungsfreiheit
Das Schweigen der Lämmer
Bild von Eduardo Zotes Sarmiento

Schon lange sind die Debatten im Bundestag - und ähnlich sieht es auch in den Länderparlamenten aus - zu eher drögen Veranstaltungen verkommen. Die Argumentationen sind vorhersehbar, eine wirkliche, direkte Auseinandersetzung findet oft gar nicht statt. Nicht selten werden die »Rede«beiträge sogar nur schriftlich eingereicht. Nun hat eine ganz große Koalition aus FDP, Union und SPD einen Vorstoß gewagt, die Meinungspluralität mit Hilfe der Geschäftsordnung noch weiter zu begrenzen. Demnach sollen praktisch nur noch die Fraktionen Redner bestimmen können. Abweichende Standpunkte, wie zuletzt im Zusammenhang mit dem Euro-Rettungsschirm, dürften dann fast gar nicht mehr im Plenum vertreten werden. Ein Armutszeugnis für die Demokratie.

»Der Tod ist ein Meister vom Bodensee«

Die Rüstungsindustrie in der Grenzregion
Komponenten vom Bodensee: Eurofighter
Komponenten vom Bodensee: Eurofighter Bild von Bundeswehr-Fotos

Panzer, Kriegsschiffe, Raketen, Kampfhubschrauber - bei der Herstellung all dieser Waffen sind gut 15 deutsche und schweizer Firmen rund um den Bodensee beteiligt. Sie beschäftigen zusammen rund 7.000 Mitarbeiter. Die Rüstungsindustrie kann auf eine lange Tradition in der Region zurückblicken. Schon im Ersten Weltkrieg - und später im Zweiten - baute sie hier Waffen. In den letzten Jahren sorgte für Aufsehen, dass einschlägige Güter auch in aktuellen Konflikten eingesetzt wurden, etwa in Libyen. Trotz strenger gesetzlicher Beschränkungen kommt es immer wieder zu Exporten in Krisenregionen. Oder, wie es ein Insider formuliert: »Was wir hier bauen, fällt anderen auf den Kopf.«

Blick in die PR-Werkstatt

Wie Lobbyisten arbeiten
Blick in die PR-Werkstatt
Bild von Elias Schwerdtfeger

Ein peinlicher Fauxpas: Die Präsentation einer PR-Agentur zwecks umfassender Beeinflussung einer Gesetzesnovelle wurde an den falschen Empfänger geschickt. Damit kam sie ungewollt an die Öffentlichkeit - und bietet nun einen hautnahen Einblick in die Funktionsweise von Lobbyismus. Detailliert werden »Entscheider« und anderweitig beteiligte aufgeführt, die es zu überzeugen gelte. Darunter finden sich Abgeordnete, Ministerialbeamte, aber auch Journalisten und NGO wie Greenpeace.

Die Strategie dabei ist es, nicht direkt für die Interessen der Auftraggeber einzutreten. Stattdessen sollen scheinbar unabhängige Gruppen eingebunden oder sogar extra gegründet werden, um hinter wohltönenden Phrasen das Anliegen zu verstecken. Konkret geht es um eine geplante Neufassung einer Bauvorgabe, die Hersteller von Wärmedämmsystemen gegenüber Produzenten von Ziegeln und Beton bevorzugen würde. Und das soll verhindert werden. Wenig überraschend, dass sich der beteiligte Unternehmensverband nach Bekanntwerden von dem Vorhaben distanzierte.

Fortlaufende Gewalt

Eine Dokumentation über die Geschichte des Rechtsterrorismus in Deutschland
Wehrsportgruppe Hoffmann
Wehrsportgruppe Hoffmann Bild von Indymedia

Rechsterrorismus in Deutschland, eine Überraschung? Diese Perspektive stellten Ende vergangenen Jahres viele Politiker dar. Doch die Vergangenheit spricht eine andere Sprache, wie ein hervorragender Rückblick auf die letzten vierzig Jahre von Rainer Fromm und Rolf-Axel Kriszun in der ARD aufzeigt. Eine Kontinuität von Morden, Anschlägen und Aktivisten der gewaltbereiten rechtsradikalen Szene überzieht Deutschland in den frühen 80er und 90er Jahren. Sie werden organisiert von teils paramilitärischen Gruppen, welche die Stimmung zu Pogromen anheizen. Schlüsselfiguren wie Manfred Roeder oder Friedhelm Busse organiseren trotz Verboten und Inhaftierungen immer wieder die rechte Szene. Gerade das Vergessen dieser alltäglichen Gewalt ermöglicht erst die fortlaufenden Serien von Anschlägen. Der Film verdeutlicht die Akzeptanz ausländerfeindlicher Stimmungen in der Gesellschaft, aus der gar Pogrome legitimiert werden. Weiterlesen … »

Trauermarsch in der Elbphilharmonie

Ein Negativbeispiel öffentlichen Bauens
Trauermarsch in der Elbphilharmonie
Bild von Marcus Horstbrink

Die Kräne stehen still, die Arbeiten an der Elbphilharmonie ruhen seit Herbst 2011 weitgehend. Ein solches Szenario hatte Ole von Beust wohl nicht vor Augen, als er von einer »Strahlkraft, weit über Hamburg hinaus« sprach. Beust setzte in seiner Zeit als Bürgermeister von Hamburg das Projekt eines Konzertsaals in dem neu entstehenden Hafenviertel durch. Nach der Grundsteinlegung 2007 entwickelte sich Streit zwischen der Stadt, dem Baukonzern Hochtief sowie den Architekten, die Kosten explodierten weit über das übliche Maß bei öffentlichen Bauprojekten. Durch zahlreiche Interviews spürt Verena Herb im Deutschlandfunk den Ursachen dieser Planungskatastrophe nach. Weiterlesen … »

Rosskur in der PS-Branche

Opel ist kein Einzelfall
Voll gegen die Wand gefahren: Opel
Voll gegen die Wand gefahren: Opel Bild von astrablog

Wieder einmal gerät Opel in die Schlagzeilen: Den Beschäftigten des Autobauers stehen drastischer Lohnverzicht, Auslagerungen und vermehrte Leiharbeit bevor. Damit soll offenbar die - bisher wenig erfolgreiche - Schrumpfkur der letzten Jahre fortgesetzt werden. In der vergangenen Dekade nahm die Zahl der Arbeitsplätze von 63.000 auf 40.000 ab. Gewerkschaft und Betriebsrat haben sich vehement gegen die Pläne des Managements gestellt: Zur Zeit durch eine Erklärung, nach der man nur gemeinsam über Einschnitte verhandle. Zuvor hatte die Konzernleitung versucht, die einzelnen Werke in separaten Gesprächen gegeneinander auszuspielen: Wer den Kürzungen nicht zustimme, verliere interne Produktionsaufträge.

Die Krise betrifft aber nicht allein Opel, sondern weite Teile der europäischen Autoindustrie. Viele Experten sind sich darin einig, dass es in Europa angesichts stagnierender oder sogar sinkender Nachfrage gewaltige Überkapazitäten gebe. Rund zehn bis fünfzehn Prozent der etwa 70 Fabriken seien überflüssig. Das beträfe dann insgesamt 250.000 Mitarbeiter. Eine ähnliche Rosskur haben die Unternehmen in den USA schon in den Jahren 2008-2010 hinter sich gebracht. Weiterlesen … »

Großer Sprung zurück

Eine Fallstudie zum Staatsumbau in Ungarn
Gerade auf dem Land ist die Situation in Ungarn schwierig
Gerade auf dem Land ist die Situation in Ungarn schwierig Bild von Ken Owen

Der Umbau Ungarns zu einem autoritären Staat ist weit fortgeschritten, neue Gesetze schränken die Medienfreiheit und das Verfassungsgericht ein. Doch welche Konsequenzen hat das konkret? Spiegel Online stellt drei Menschen vor, die mit dem neuen Ungarn zu kämpfen haben: Eine Journalistin, die aufgrund ihrer kritischen Reportagen ihre Arbeit verlor. Eine Romafamilie in Gyöngyöspata, die trotz guter Ausbildung keine Arbeit findet und der Diskriminierung in der rechten Hochburg ausgeliefert ist. Eine Bürgerrechtlerin, die gegen die Ausgrenzung der Roma in den Schulen kämpft.

Gerade auf dem Land ist die Situation am rückständigsten: Da viele hier nur das Staatsfernsehen sehen, wirkt die Zensur in den Medien. Armut und Abgrenzung geben sich hier die Hand. Gyöngyöspata ist durch wochenlange Aufmärsche von Rechtsradikalen bekannt geworden, bei denen die Regierung nicht einschritt. Vielmehr setzt die Regierung Vorschläge der Jobbik-Partei um. Die dargestellte Situation erinnert an den Film Csak a szél (Nur der Wind), der auf der Berlinale den Großen Preis der Jury gewann und die alltägliche Diskriminierung der Roma thematisiert. Der Staatsumbau unter Victor Orban ist ebenso schleichend wie die alltägliche Diskriminierung nicht auf den ersten Blick sichtbar wird.

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