Presseschau Journalismus

Offene Hände, offene Münder

Geschickte Aufdeckung von Schmiergeldgeschäften
Ulan-Panzer von Steyr-Daimler-Puch
Ulan-Panzer von Steyr-Daimler-Puch Bild von Matthias Kabe

Dem tschechischen investigativen Journalisten Janek Kroupa ist ein Meisterstück gelungen: Getarnt als Mittelsmann mit falscher Indentität brachte er zwei österreichische Rüstungsmanager dazu, über Bestechungspraktiken vor versteckter Kamera zu sprechen. Wolfgang Habitzl und Herwig Jedlaucnik von der Steyr-Daimler-Puch Spezialfahrzeug AG & Co KG verrieten im Wiener Intercontinental-Hotel ihre Bestechungspraktiken bei tschechischen Politikern – sicherheitshalber werden beide führenden politischen Lager für Rüstungsgeschäfte geschmiert. Das Video hat einen Skandal in Tschechien ausgelöst und für eine Debatte über die Grenzen von investigativem Journalismus gesorgt.

Dienst an der Nachricht

Wikileaks unter Druck

Die Auseinandersetzung zwischen dem Whistleblower-Projekt Wikileaks und der amerikanischen Geheimdienstgemeinde spitzt sich offenbar zu. Mitglieder des Projekts werden laut zahlreicher Pressemeldungen von der CIA beschattet, die verhindern wolle, daß ein Video über ein Massaker publik wird, an der sie selbst beteiligt gewesen sein soll. Das Video soll übernächste Woche veröffentlicht werden – für die Glaubwürdigkeit des Materials hätte die CIA dann gesorgt.

Der Provinzfürst

Über die Lage in der autonomen Republik Tschetschenien
Ramsan Kadyrow <br/>Foto von maiak.info
Ramsan Kadyrow Foto von maiak.info

Eine treffende Analyse über das von der Welt vergessene Tschetschenien liefert das auf Osteuropa spezialisierte Internetportal Maiak. Der Autor erkennt eine autoritäre Führung durch den Potentaten Ramsan Kadyrow und eine schleichende Islamisierung, die sich durch die Pflicht zum Tragen von traditionellen Gewändern für Staatsbeamte ausdrückt. Der Wiederaufbau nach den zwei Kriegen durch Gelder aus Moskau gehe sichtbar voran, auch wenn vermehrt Anschläge die Region destabilisieren. Einen tieferen Einblick in die historischen und geostrategischen Hintergründe bieten zwei Beiträge von Arte, Mit offenen Karten [auf YouTube: Teil 1 und 2]. Fragen zu tschetschenischen Verbindungen bei Morden an russischen Journalisten stellten ZDF heute und der Spiegelfechter.

Licht aus der Dunkelkammer

Dossier der amerikanischen Spionageabwehr gegen Wikileaks veröffentlicht
 <br/>Foto von Ninja M
Foto von Ninja M

Spionageabwehr ist ein hartes Geschäft – insbesondere wenn der vermeintliche Gegner die kritische Öffentlichkeit ist wie in Form des Projekts Wikileaks. Die Internetseite hat einen Arbeitsablauf zur Veröffentlichung interner Dokumente erarbeitet und bereits einige streng geheime Papiere aus Behörden und Wirtschaft lanciert. Der militärische Abschirmdienst des amerikanischen Verteidigungsministeriums hat 2008 offenbar ein Dossier über die Gefahren des Projekts für die amerikanische Regierung erstellt. Dieses wurde aber Wikileaks zugespielt und nun veröffenlicht. Etwas skeptisch, aber lobend berichten Frankfurter Rundschau und Die Zeit über den Sensationserfolg.

Einblick in die Netzkultur

Interviews mit Machern bekannter Blogs

Ein interessantes und recht junges Webmedium für Filmbeiträge ist dctp.tv. Ein besonderes Highlight dieser Seite ist die Interviewreihe Meinungsmacher, in welcher recht bekannte Gesichter der Netzkultur zu ihren  Erfahrungen mit den neuen Medien in der alltäglichen Arbeit befragt wurden. Dazu zählt ein breites Spektrum von Johnny Häusler von spreeblick.com zu Markus Beckedahl von netzpolitik.org sowie Anne Roth von annalist.noblogs.org.

Gabor entscheidet

Wechsel an der Spitze des Handelsblattes
Sitz des Handelsblattes in Düsseldorf <br/>Foto von hAdamsky
Sitz des Handelsblattes in Düsseldorf Foto von hAdamsky

Gabor Steingart, bisher USA-Korrespondent des Spiegel wird neuer Chefredakteur des Handelsblattes. Steingart, unter Stefan Aust einer der einflussreichsten Politikredakteure des Spiegel, konnte sich bei der Wahl zum Chefredakteur als Aust-Nachfolger bei der Spiegel-Mitarbeiter KG nicht durchsetzen. Laut taz war er unter anderem aufgrund seiner neoliberalen Positionen umstritten. Konflikte mit der Redaktion des Handelsblattes, das in den vergangenen Jahren einen Auflagenschwund hinnehmen mußte, seien vorprogrammiert.

Die durch die Hölle reisen

Eine investigative Reportage über die Migration nach Europa
Fabrizio Gatti reiste durch die Sahara&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; <br/>Foto von brockleyboyo, Flickr
Fabrizio Gatti reiste durch die Sahara       Foto von brockleyboyo, Flickr

Der investigative italienische Journalist Fabrizio Gatti ist vom Senegal durch die Sahara bis nach Italien gereist, um über den beschwerlichen Weg von Migranten nach Europa zu berichten. Seine meisterhafte Reportage ist nun als Buch erschienen, in dem er die Gefahren aufzeichnet.

Zwölf Prozent kommen auf der Überfahrt um. Einige gehen über Bord. Einige werden ins Meer geworfen. Wieder andere verhungern und verdursten, wenn die Boote vom Kurs abkommen. Und wieder andere gehen mitsamt dem Boot unter.

Deutlich werden darin auch die demütigende Behandlung und die menschenverachtenden Lebensbedingungen, die den Flüchtlingen und Migranten in italienischen Lagern zugemutet werden. Le Monde diplomatique druckte aus dem Buch eine Passage aus der Sahara, der Freitag über das Lager auf Lampedusa ab. Im Interview auf Deutschlandfunk unterstreicht Gatti seine Auffassung, dass es sich um ein europäisches Problem handelt. Die Lager zeigten das wahre Gesicht Europas.

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