Presseschau

Doppeltes Spiel auf allen Seiten

Warum bei den afghanischen Kriegstagebüchern der brisanteste Teil fehlte
US-Spezialkräfte in Afghanistan
US-Spezialkräfte in Afghanistan Bild von ISAF

Marc Thörner zeichnet im Deutschlandfunk die Veröffentlichung der afghanischen Kriegsmeldungen des amerikanischen Militärs durch Wikileaks und Partnermedien Ende Juli 2010 nach. In diesem bemerkenswerten Feature enthüllt Thörner, warum der brisanteste Teil dieser Geheimdienstsammlung niemals veröffentlicht wurde. Die Warlords der Nordallianz, welche nach der Invasion die Macht in den nördlichen Provinzen übernahmen, unterstützten die Taliban, um die Schwäche der Regierung in Kabul sichtbar zu machen. Der Tadschikenführer Mohammed Atta Nur und der Usbekenführer Raschid Dostum planten die Absetzung der Regierung Karsai um selbst die Macht zu übernehmen. Als Reaktion verbündete sich Karsai mit paschtunischen Milizen. Weiterlesen … »

Zeit für eine Wende

Eine Korrektur von Steuer- und Finanzmarktpolitik wäre notwendig

Die Wohlhabenden unter den Deutschen besitzen ein gewaltiges Vermögen, etwa 7,2 Billionen Euro. Wohlgemerkt: die Wohlhabenden. Denn ein Drittel dieses Eigentums konzentriert sich auf das reichste Prozent, ein weiteres Drittel auf die folgenden neun Prozent der Bevölkerung. Ein Großteil dagegen verfügt über keinerlei Vermögen. Die Verbindung aus »Bankenrettungspaketen« in der Finanzkrise und der sozial unausgewogenen Steuerpolitik der letzten Dekade hat zu dieser Entwicklung erheblich beigetragen. Zugleich stiegen die staatlichen Schulden in schwindelerregende Höhe. Angebracht wäre deshalb eine Belastung eben dieser Privatvermögen - um weitere Kürzungen bei notwendigen Ausgaben zu vermeiden und stattdessen all das zu finanzieren, das wirklich der Gesamtheit zugute kommt, findet Dierk Hirschel. Die Vermögensabgabe ist auf diesem Weg allerdings nur ein erster Schritt.

Der Anstieg der Staatsverschuldung ist nicht das Ergebnis laxer Haushaltspolitik, sondern Folge einer schamlosen politischen Reichtumspflege und der großen Finanzmarktkrise. Das Gemeinwohl schrumpfte zugunsten steigender Vermögen. Und jetzt sollen die Schuldenberge dadurch abgetragen werden, dass abhängig Beschäftigte, Rentner und Arbeitslose den Gürtel enger schnallen. Damit muss endlich Schluss sein. Die Schuldenfrage ist eine Verteilungsfrage. Der private Reichtum muss jetzt zum Abbau der Staatsschulden herangezogen werden. In den letzten Wochen wurde in diesem Zusammenhang verstärkt über das Instrument einer Vermögensabgabe diskutiert. Das ist gut so. Eine einmalige Vermögensabgabe auf Geld-, Immobilien- und Betriebsvermögen könnte einen wichtigen Beitrag leisten, um den milliardenschweren Schaden der Finanzmarktkrise zu beheben.

Rückkehr zum faulen Frieden

Die Mexikaner wählen den Präsidenten des gescheiterten Drogenkrieges ab
Proteste gegen Wahlfälschung
Proteste gegen Wahlfälschung Bild von ismael villafranco

Die Zustände in Mexiko erinnern in einigen Provinzen an einen Bürgerkrieg. Nach unterschiedlichen Schätzungen fielen dem Drogenkrieg seit 2006 zwischen 50 000 und 65 000 Menschen zum Opfer. Die Graumsamkeiten der großen Kartelle im Kampf um die Vorherrschaft der Schmuggelrouten einerseits und gegen Armee und Polizei andererseits fordern täglich neue Tote, die zur Abschreckung entstellt und verstümmelt werden. Die Strategie des abgewählten Präsidenten Felipe Calderón, den offenen Konflikt zur Eindämmung des Drogenhandels zu wagen, ist somit grandios gescheitert. Fast 3000 Sicherheitskräfte kamen ums Leben, in der Merheit lokale Gemeindepolizisten. Die Glaubwürdigkeit der Regierung hatte auch darunter gelitten, dass gleich drei Innenminister durch Hubschrauberabstürze ums Leben kamen. Die Meinungen über das Scheitern dieser Stategie gehen auseinander:

Die Nachsichtigsten meinen, er habe sich unbedacht in diesen Krieg gestürzt, ohne dessen wahres Ausmaß zu erkennen. Andere behaupten unter Berufung auf Aussagen ehemaliger Beamter, die während der Regierungszeit der PRI mit den Drogenhändlern zusammengearbeitet hatten, dass der »Kreuzzug« Calderóns nur die Vorherrschaft des Sinaloa-Kartells, dem er selbst angehöre, gegenüber dem Golf-Kartell, den Zetas und dem Juárez-Kartell festigen solle.

Wie dem auch sei: Mit dem Wahlsieg des Vicente Fox von der konservativen PAN im Jahr 2000 ging die Jahrzehnte alte Dauerherrschaft der PRI zu Ende – und somit auch deren eingespieltes Korruptionsnetz mit den Drogenbaronen. Mit der Abwahl seines Nachfolgers und Parteigängers Calderón und der Wahl Enrique Peña Nietos von der PRI zum neuen Staatspräsidenten hoffen viele Mexikaner auf die Rückkehr zum alten faulen Frieden.

Kritik à la carte

Demokratische Defizite werden in Europa weitgehend ignoriert
The winner takes it all: Parlament in Bukarest
The winner takes it all: Parlament in Bukarest Bild von Nanel4

Undurchschaubare Ränke beherrschen die Politik in Rumänien. Ebenso wie die Nachbarstaaten Ungarn und Bulgarien ist der Karpatenstaat alles andere als eine Musterdemokratie, und trotz des Beitritts zur Europäischen Union ist das Land eines der ärmsten Europas. Um soziale Kämpfe handelt es sich beim Streit zwischen Ministerpräsident Victor Ponta und dem Präsidenten Traian Basescu jedoch nicht. Vielmehr geht es um einen Machtkampf. Der Präsident soll wegen unrechtmäßiger Ausdehnung seiner Kompetenzen des Amtes enthoben werden. Nach der Suspendierung durch das Parlament soll das Volk darüber befinden. In diesem Verfahren beschneidet das Parlament jedoch die Rechte des Verfassungsgerichts. Das wiederum empört europäische Regierungen – weit stärker als die Kompetenzüberschreitungen des Präsidenten. Dieser hatte sich zuvor durch seine Sparpolitik gegenüber Brüssel erkenntlich gezeigt. Zugleich ist er durch herablassende und rasssistische Bemerkungen gegenüber Minderheiten bekannt.

Andere Stimmen kritisieren seinen Opponenten, den Ministerpräsidenten Ponta, dessen Ansehen durch eine Plagiatsaffäre gelitten hat. Ponta betreibe das Amtsenthebungsverfahren mit Hilfe seiner Koalition aus Sozialdemokraten und Liberalen, um die Justiz unter Kontrolle zu bekommen, liest man in der Le Monde: Somit solle die Behörde zur Korruptionsbekämpfung unter Kontrolle gebracht werden. Zudem verfolge er die Interessen des undurchsichtigen Politikers und Medienmagnaten Dan Voiculescu, dem Verbindungen zur ehemaligen Staatssicherheit Securitate nachgesagt werden. Weiterlesen … »

Europa beginnt jetzt in Griechenland

Eine Dokumentation über Migration von der Türkei nach Griechenland
Europa beginnt jetzt in Griechenland
Bild von Cihan Arabul

Die Routen der illegalen Migration nach Europa haben sich in den vergangenen Jahren verändert. Liefen die Wanderungsströme lange Zeit über das Mittelmeer, versuchen die Flüchtlinge und Migranten aus Ghana, Ruanda oder Afghanistan nun über die Landgrenze von der Türkei nach Griechenland zu gelangen. Viele ertrinken bei der Durchquerung des Grenzflusses Evros. Andere bleiben unterwegs hängen und arbeiten als Schleuser oder versuchen sich anderweitig durchzuschlagen. Andreas Morell schildert in WDR die story die unterschiedlichen Perspektiven der Migranten, der Grenzschützer und der Bewohner der Grenzdörfer. Die Schwierigkeiten und das Elend werden sichtbar, zugleich aber auch, daß kein Grenzzaun die Wanderungsbewegung aufhalten kann.

Das Ende der atlantischen Dominanz

Kalter Krieger plädiert für Bündnis mit dem einstigen Gegner
Platz für neue Spieler
Platz für neue Spieler Bild von angelocesare

Die Epoche der transatlantischen Dominanz ist vorüber. Angefangen von den Kolonialmächten der Renaissance bis zur Supermacht USA waren diese tonangebend in der Weltpolitik. Das Erscheinen neuer Akteure beim Ringen um Macht und Einfluß, wie Indien oder China, verändert die Lage auf dem »großen Schachbrett«. Welchen Einfluß diese Verschiebung auf das Denken des Zbigniew Brzezinski ausübt, untersucht Hauke Ritz in den Blättern für deutsche und internationale Politik. Brzezinski erscheint hier als moderner Königsberater, der für mehrere Präsidenten als Sicherheitsberater die amerikanischen Linien des Kalten Krieges vorgab. Er sieht sich als Architekt der sowjetischen Invasion in Afghanistan – eine Falle, die zum Zusammenbruch des Imperiums beitrug und zugleich unzählige Menschen das Leben kostete. Forderte der Sicherheitsberater in den 90er Jahren noch eine Neuauflage der amerikanischen Dominanz und zerstritt sich darüber mit den Neokonservativen ob deren Invasionsstrategie, plädiert er nun für eine Abkehr von der Feindschaft zu Russland. Denn nur durch einen Ausgleich mit dem einstigen Gegner und einer Integration der Türkei in den Westen ließe sich dem wachsenden Einfluß aufstrebender Staaten begegnen. Die USA seien in einer vergleichbaren Situation wie die späte Sowjetunion: »Ein festgefahrenes und reformunfähiges politisches System.« Dies werde durch das Unwissen breiter Bevölkerungsschichten über Weltpolitik begünstigt. Die grundlegende Veränderung der geopolitischen Landkarte hat aber auch Einfluß auf kleinere Staaten, die sich in Zukunft weniger stark am Westen orientieren werden.

Sonnenkönig im Fußballreich

Der Führungsstil des Sepp Blatter
Sepp Blatter
Sepp Blatter Bild von republicoftogo.com

Im jüngsten Korruptionsfall beim Fußball-Weltverband FIFA ist sie wieder zu beobachten, die selbstherrliche Amtsauffassung des Präsidenten Sepp Blatter. Schon viele Skandale hat er überstanden, manchen lästigen Konkurrenten ausgebootet. Zuletzt den Gegenkandidaten Mohamed Bin Hamam, der nach lancierten Bestechungsgerüchten erst gar nicht zur Wahl antrat. Seine Macht gründet sich dabei auf das erfolgreiche Geschäftsgebaren des Verbandes. Früher finanziell oft in arger Bedrängnis, hat Blatter die FIFA zu einem hochprofitablen Konzern umgebaut. Damit kauft er sich vor allem die Zustimmung der kleinen, von diesen Geldern abhängigen Landesverbände. Aber selbst die mächtigen nationalen Organisationen wie der größte von ihnen, der deutsche DFB, tanzen nach Blatters Pfeife.

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