Presseschau Ethnien

Wandel oder Stagnation?

Die Lage in Sri Lanka

Nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg gelang es Mahinda Rajapakse als Präsident im Jahr 2009, den Konflikt mit der tamilischen Minderheit siegreich zu beenden. Diesem Erfolg stehen aber auch gravierende Fehlentwicklungen und Probleme gegenüber, weshalb er im Januar die vorgezogenen Präsidentschaftswahlen gegen seinen Herausforderer Sirisena verlor. So kam es besonders in der Endphase des Bürgerkriegs zu schweren Menschenrechtsverletzungen, die bis heute nicht aufgeklärt sind. Generell gelang keine politische Lösung der Autonomiefrage in Bezug auf die Minderheit. Hinzu kam, dass Rajapakse zunehmend autoritär regierte und dem Nepotismus Vorschub leistete.

Christian Wagner hält in seiner Analyse der Situation fest, dass auch der neue Präsident mit ernsten Problemen zu kämpfen haben wird. Zwar bedeute sein Sieg zugleich eine Stärkung der Demokratie in Sri Lanka. Aber die Heterogenität seiner Unterstützer mache einen nachhaltigen Wandel schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Einig war man sich bislang nur im Widerstand gegen den alten Präsidenten. Die singhalesischen Nationalisten vertreten vielfach ganz andere Interessen als die Parteien der tamilischen und moslemischen Minderheiten. Das gilt etwa in Bezug auf die regionale Autonomie, aber auch hinsichtlich der Aufarbeitung der Kriegsverbrechen. Es bleibt daher vorerst offen, wie sich das Land weiter entwickeln wird.

Der lachende Dritte

Syrien, die Kurden und die Türkei

Die Fronten im syrischen Bürgerkrieg werden immer unübersichtlicher. Auf der einen Seite stehen die Rebellen aus FSA und islamistischen Milizen, auf der anderen das alte Regime. Eine Sonderrolle spielen jedoch die im Norden des Landes wohnenden Kurden. Sie orientieren sich eher auf ihre Verwandten in Irak und Türkei, im Inland versuchen sie eine schwierige Gratwanderung, die ihnen das Misstrauen beider Kontrahenten einbringt. Langfristig könnten die kurdischen Gebiete einen relativ autonomen Teil des Landes bilden, wobei sie dann eng mit der türkischen Regierung kooperieren würden. Das mag auf den ersten Blick überraschen, werden doch die Kurden in der Türkei noch immer z. T. militärisch unterdrückt. Diese Annäherung würde aber nur eine vergleichbare Entwicklung der irakischen Kurden nachahmen. Denn die hängen mittlerweile vor allem wirtschaftlich am Tropf Ankaras. Ist also am Ende die Türkei machtpolitisch ein Profiteur der Selbstzerfleischung Syriens?

Konflikt ohne klare Grenzen

Der Aufstand im Niger betrifft auch die benachbarten Staaten
Bamako 2005
Bamako 2005 Bild von Erwin Bolwidt

Die aufständischen Kämpfer im Norden Malis erklärten nach der Eroberung Timbuktus Anfang April ihre Unabhängigkeit. Diese Region grenzt an zahlreiche Staaten in der Sahara. Die Konfliktlinien in Mali sind unscharf, die Grenzen zu den Nachbarländern sind unüberwachbar, da sie über tausende Kilometer durch Wüstengebiete verlaufen. Über die Grenzen sind die Kämpfer im Norden eingesickert: Tuareg-Milizen aus Libyen und islamische Kämpfer aus Algerien. Die internationale Dimension stellt Philippe Leymarie in einer Analyse in der Le Monde diplomatique dar, für die auch eine anschauliche Grafik erstellt wurde. Die vom Militärputsch abgesetzte Regierung zeigte sich weder willens noch in der Lage, die Situation im Norden zu kontrollieren. Schmuggelrouten durch die Sahara ermöglichen die Finanzierung des Aufstandes, zumal die Tuareg in Mali, Niger, Algerien und Libyen ansässig sind. Eine Arte-Sendung der Reihe »Mit offenen Karten« von 2007 veranschaulicht am Beispiel des benachbarten Niger, wie ethnische Grenzen und Klimazonen Landesgrenzen überschreiten und die politische Situation in der Region prägen.

Großer Sprung zurück

Eine Fallstudie zum Staatsumbau in Ungarn
Gerade auf dem Land ist die Situation in Ungarn schwierig
Gerade auf dem Land ist die Situation in Ungarn schwierig Bild von Ken Owen

Der Umbau Ungarns zu einem autoritären Staat ist weit fortgeschritten, neue Gesetze schränken die Medienfreiheit und das Verfassungsgericht ein. Doch welche Konsequenzen hat das konkret? Spiegel Online stellt drei Menschen vor, die mit dem neuen Ungarn zu kämpfen haben: Eine Journalistin, die aufgrund ihrer kritischen Reportagen ihre Arbeit verlor. Eine Romafamilie in Gyöngyöspata, die trotz guter Ausbildung keine Arbeit findet und der Diskriminierung in der rechten Hochburg ausgeliefert ist. Eine Bürgerrechtlerin, die gegen die Ausgrenzung der Roma in den Schulen kämpft.

Gerade auf dem Land ist die Situation am rückständigsten: Da viele hier nur das Staatsfernsehen sehen, wirkt die Zensur in den Medien. Armut und Abgrenzung geben sich hier die Hand. Gyöngyöspata ist durch wochenlange Aufmärsche von Rechtsradikalen bekannt geworden, bei denen die Regierung nicht einschritt. Vielmehr setzt die Regierung Vorschläge der Jobbik-Partei um. Die dargestellte Situation erinnert an den Film Csak a szél (Nur der Wind), der auf der Berlinale den Großen Preis der Jury gewann und die alltägliche Diskriminierung der Roma thematisiert. Der Staatsumbau unter Victor Orban ist ebenso schleichend wie die alltägliche Diskriminierung nicht auf den ersten Blick sichtbar wird.

Leben im Elend

Roma kommen aus Südosteuropa nach Deutschland – und landen in der Prostitution
Siedlung in Bulgarien
Siedlung in Bulgarien Bild von Michi

Roma haben in Südosteuropa einen schweren Stand – viele verloren nach Ende des Kommunismus ihre Arbeit und leben am gesellschaftlichen Rand. Daher kommen viele in der Hoffnung auf Arbeit in den Westen. Aber auch in Deutschland dürfen sie nur als Selbstständige arbeiten. Edeltraud Remmel und Esat Mogul zeigen in einer Dokumentation, wie viele Frauen daher in die Prostitution rutschen und auch in Deutschland – hier in Dortmund – in völligem Elend leben. Weder in Bulgarien noch in Deutschland bestehen ausreichende Ansätze, diese Minderheit zu integrieren und Perspektiven aufzuzeigen. Insofern sehen die Autoren darin ein europäisches Problem. In Bulgarien geraten die Roma in ihrer Siedlung gar unter Druck durch Anschläge von Rechtsradikalen.

Der Untergang ist nah!

Vernunft und Unvernunft der Endzeitphantasie
Der Untergang ist nah!
Bild von Madman2001

Langsam hat es sich herumgesprochen: Nicht am 30. Mai ist Weltuntergang – und auch das Jahr ist nicht mehr unbekannt: Sondern am 21. Dezember 2012 wird die Welt entgültig untergehen. Dieses Gerücht geht in diesem allerletzten Jahr um. Wie die merkwürdige These in die Welt kam und wie die moderne Mediengesellschaft den Kalender der Maya in ihrem Sinne interpretiert, darüber klärt der Maya-Forscher Nikolai Grube im Interview mit dem Freitag auf. Denn die moderne Auffassung alter Kulturen erscheint dem Forscher befremdlich, doch er erkennt deren Wert an ganz anderer Stelle:

Ich glaube nicht, dass wir ­direkt etwas von alten Kulturen lernen können. Wir haben immer das Gefühl, wenn man Archäologie ­betreibt, dann muss das ­einen Nutzen haben, der sich sofort in Heller und Pfennig abzeichnet in unserer kapitalistischen Welt. Man kann vielleicht sagen, die Maya und viele andere Zivilisationen auf dem ­amerikanischen Kontinent lehren uns, dass es eben auch außerhalb von Europa bedeutende Kulturent­wicklungen gegeben hat. Und dass wir vielleicht etwas bescheidener sein sollten und die globale Vergangenheit verstehen müssen, die unterschiedlichen Traditionen, aus denen sich unsere moderne Welt zusammensetzt.

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Rechtspluralismus in Bolivien

Indigene und westliche Justiz im Widerstreit

Seit 2009 gilt in Bolivien eine neue Verfassung, die explizit auch die besondere Rolle der indigenen Bevölkerungsteile hervorhebt. Dazu gehört auch, deren traditionelle, dörfliche Rechtsprechung anzuerkennen. Das ist allerdings umstritten: Dort gibt es nämlich keinerlei vereinheitlichte Rechtsnormen oder Prozessordnungen. Die Urteile fällen die Dorfversammlungen oder dafür gewählte Vertreter nach ihren je eigenen »Prinzipien, kulturellen Werten, Normen und Verfahren«, wie es in der Verfassung heißt. Dazu gehört zum Beispiel, Wiedergutmachung, nicht Bestrafung anzustreben.

Vor allem die Todesstrafe aber sorgt für hitzige Diskussionen. Sie ist zwar offiziell verboten, wird aber gelegentlich von diesen Indiogerichten noch immer verhängt. Jedenfalls zeigt sich immer wieder, wie schwierig es ist, traditionelles und modernes Recht gleichberechtigt nebeneinander existieren zu lassen. Die Indios selbst sehen die Verfassung vielfach als Schritt hin zu mehr Autonomie und weg von der alten kolonialen Ordnung – die ihnen viele Pflichten, aber nur wenige Rechte brachte.

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