Presseschau Beitrag

Stadtviertel im Visier

Massenhafte Datenspeicherung von Mobilfunk in Berlin
Stadtviertel im Visier
Bild von Alessandra Cimatti

Nachdem die sächsische Polizei in Dresden bei einer Gegendemonstration gegen einen Naziaufmarsch im Februar 2011 sämtliche Mobilfunkdaten eines Stadtviertels durch eine sog. »Funkzellenabfrage« gespeichert hat, ist nun auch in Berlin ein solcher Fall bekannt geworden. Im Bezirk Friedrichshain wurden auf Anfrage der Staatsanwaltschaft und auf richterliche Anordnung hin seit 2009 die Daten von mindestens 13 Funkzellen ausgewertet. Ziel der Fahndung waren die in Berlin grassierenden Autobrandstiftungen. Andre Meister zeigt auf Netzpolitik den Umfang der Fahndung auf und stellt die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Denn die massenhafte Speicherung von Daten werde mit Terrorismus und schweren Straftaten begründet. Dies öffnet jedoch ein weites Fenster je nach Definition. Das Ausmaß der Datenerfassung bleibt bislang ungeklärt.

Kommentar

Bei einer massenhaften Datenerfassung geraten zwangsläufig die Daten von unbescholtenen Bürgern in die Datenbanken der Fahnder. Die Annahme, daß beliebige Bewegungsprofile auf Polizeicomputern lagern, hinterlässt ein beklemmendes Gefühl. Millionen solcher Datensätze werden mit der Aufklärung schwerer Straftaten begründet – doch ist dies nicht der Fall. In kaum einem Fall hat die Datenauswertung die entscheidende Spur geliefert. Bei den brennenden Autos in Berlin ist ein Fahndungserfolg durch Funkzellenauswertung fast schon absurd. Denn die Daten sind ohnehin nicht präzise genug, um mehr als einen vagen Verdacht zu begründen. Vielmehr: Welcher Feuerteufel ist dumm genug, sein Telefon zum Tatort mitzunehmen? Wenn die Innenminister eine sachliche und unabhängige Auswertung der Fahndungserfolge durch massenhafte Mobilfunk-Datenspeicherung in Auftrag geben würden, würden die Argumente für solche Methoden schmelzen wie Eis in der Sonne.