Presseschau Unruhen

Auf der Schwelle zum offenen Bürgerkrieg

Die »Freie Syrische Armee« kämpft einen Guerillakrieg
Vermummte Rebellen
Vermummte Rebellen

In Ägypten und Tunesien wurden die Herrscher im Zuge des »arabischen Frühling« durch Proteste abgesetzt. In Libyen besiegte die Opposition Gaddafi durch einen von außen gestützten Bürgerkrieg, während die Proteste in Bahrain durch saudische Unterstützung niedergeschlagen wurden. Offen bleibt die Lage in Syrien: Setzte die Opposition lange Zeit auf Proteste und Demonstrationen, ist seit dem Sommer ein Übergang zu einem offenen Bürgerkrieg zu beobachten.

Desertierte Einheiten haben sich zur Freien Syrischen Armee (Free Syrian Army) zusammengeschlossen, die aufgrund ihrer unterlegenen Ausrüstung auf die Guerilla-Taktik setzt. Auch wenn sie sich nicht als ethnisch oder religiös gefärbten Zusammenschluß darstellt, bleibt ebenso unklar, aus welchen Teilen der Bevölkerung sie sich rekrutiert. Die Ernsthaftigkeit dieser Formierung wird durch die Gründung eines Militärrates und Angriffe auf wichtige militärische Einrichtungen unterstrichen. Im Gegensatz zu zu den dilettantischen Rebellen in Libyen haben die Aufständischen offenbar viele erfahrene Offiziere in ihren Reihen. Begünstigt wird der Aufstand durch die wachsende außenpolitische Isolierung der Assad-Regierung. Weiterlesen … »

Ferngesteuerter Krieg?

Über einen Prozess gegen zwei Ruander, die Rebellen im Kongo von Deutschland aus befehligt haben sollen
Flüchtlingslager in Nord-Kivu im Kongo
Flüchtlingslager in Nord-Kivu im Kongo Bild von United Nations Photo

Seit Mai wird vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht gegen zwei Ruander verhandelt. Ihnen wird vorgeworfen, als Anführer der Rebellengruppe FDLR von Deutschland aus schwere Menschenrechtsverletzungen im Kongo koordiniert und befohlen zu haben. Der Prozeß ist in Deutschland ein Novum im Völkerrecht als erster nach dem 2002 eingeführten Völkerstrafgesetzbuch. Die Beweisführung ist schwierig und beruht auf abgefangenen Telefongesprächen und E-Mails sowie auf Zeugenaussagen, um sie als Schreibtischtäter zu überführen. Der Katalog der Anklage beinhaltet das ganze Arsenal eines schmutzigen Bürgerkrieges: Folter, Mord, Sklaverei, Plünderungen und Vergewaltigung. Sowohl der Koordinierungskreis Straflosigkeit von amnesty international als auch die taz berichten umfangreich über den Prozess.

Durch das Sieb der Nachrichtensperre

Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Syrien

Larissa Bender beklagt im Amnesty Journal systematische Menschenrechtsverletzungen durch die syrische Regierung bei der Bekämpfung der Unruhen:

Meist geht die Armee nach dem gleichen Muster vor: Die Stadt wird zunächst umstellt, Strom, Wasser und Kommunikationsnetze werden gekappt, dann werden Heckenschützen postiert und die Häuser nach tatsächlichen oder vermeintlichen Aktivisten durchsucht.

Sie beruft sich dabei auf Interviews in einem Amnesty-Bericht, der 88 Todesfälle in Haft durch Folter feststellt. Somit ist die Darstellung der syrischen Regierung nicht haltbar, daß die mittlerweile tausenden Toten aus einer Art Notwehr gegen ihrerseits gewalttätige Regimegegner resultieren, da eine derart hohe Zahl an Menschen in Gewahrsam starben. Weiterlesen … »

Mit Pfeil und Bogen gegen Konzerne

Indische Stämme wehren sich gegen die Enteignung ihres Bodens
Die Dongria Kondh leben jenseits der Moderne
Die Dongria Kondh leben jenseits der Moderne Bild von Rita Willaert

Seit über zwanzig Jahren tobt in Indien ein unerklärter Bürgerkrieg. Indigene Stämme im Osten des Subkontinentes wehren sich gegen die Nutzung und den Raub ihres Landes für Landwirtschaft und den Ressourcenabbau. Dabei spielen bei diesem Streit um das Land (»Land Grabbing«) der geringe Bildungsgrad der Stämme sowie deren nicht festgeschriebene Rechte auf ihren Boden eine entscheidene Rolle. Zugleich wird der Konflikt überlagert von dem Aufstand der maoistischen Naxaliten, denen sich einige der von Vertreibung und Enteignung bedrohten Stämme angeschlossen haben.

Bislang war dieser komplexe Konflikt in Deutschland lediglich Regionalexperten und Aktivisten für Menschenrechte bekannt. Georg Blume hat für die Zeit einen kleinen Stamm im schwer zugänglichen Bergland besucht. Die Dongria Kondh sind Sammler und Jäger mit einer sehr traditionellen Lebensweise. Der Bergbaukonzern Vedanta will hier Bauxit zur Aluminiumherstellung abbauen. Der Stamm kämpft dagegen – mit Pfeil und Bogen. Aussichtsreicher sind dagagegen die juristischen Waffen, die Unterstützung durch Menschenrechtler und indische Politiker hat dem Konzern vorerst eine Niederlage vor Gericht beschert. Weiterlesen … »

Mit Anlauf zur Revolution

Die Vorgeschichte des Aufstandes in Ägypten
Anfänge des Aufstandes: Protestierende Textilarbeiter in Mahalla al-Kubra im Oktober 2008
Anfänge des Aufstandes: Protestierende Textilarbeiter in Mahalla al-Kubra im Oktober 2008 Bild von Per Bjorklund

In der  westlichen Berichterstattung ergab sich zumeist das Bild, der Sturz des Hosni Mubarak in Ägypten sei von jungen netzaffinen Menschen auf dem Tahrir-Platz erkämpft worden, nachdem der Funke der arabischen Revolution von Tunesien übergesprungen war. Doch seit Jahren gährte es bereits in dem bevölkerungreichsten arabischen Land. Die Armut der Mehrheit der Bevölkerung hatte bereits zu einem Unmut über die reichen, korrupten Eliten geführt. Am 6. April 2008 kam es erstmals zum offenen Aufstand in dem von der Baumwollindustrie geprägten Mahalla al-Kubra im Nildelta. Arbeiter hatten hier unabhängige Gewerkschaften gegründet. Aber auch liberale und islamische Poltiker entblößten die gefälschten Wahlen und die Willkür des Regimes. All diese Kräfte versuchten den kleinen Spielraum zu nutzen, den ihnen die Scheindemokratie im Ausnahmezustand ließ. Weiterlesen … »

Erbpräsidentschaft am Ende

Syriens Regierung steht unter Druck von Innen und von Außen

Der Blutzoll in Syrien wächst, und damit auch die internationale Isolierung der Regierung. Nachdem mittlerweile über 2000 Menschen bei den Protesten ihr Leben verloren haben, rücken zunehmend Staaten von Bashar al-Assad ab, die traditionell gute Beziehungen zu Syrien pflegen. So warnt Russland vor einer fortlaufenden Eskalation, nachdem dessen Regierung gemeinsam mit China eine Resolution des UN-Sicherheitsrat verhinderte, an deren Stelle eine scharfe Erklärung abgegeben wurde. Ebenso kommt es zu einem diplomatischen Schlagabtausch mit der türkischen Regierung, zahlreiche arabische Staaten zeigen sich irritiert. Bei den anhaltenden Protesten im Land in Verbindung mit schwindenem Rückhalt in der Staatengemeinschaft wird ein Fortbestehen des syrischen politischen Systems immer unwahrscheinlicher. Weiterlesen … »

Kürzung und Krawall

Sozialkürzungen sind eine Ursache der Ausschreitungen in London
"Tottenhams Gedächtniskirche": Ausgebranntes Gebäude in London
"Tottenhams Gedächtniskirche": Ausgebranntes Gebäude in London Bild von Patrick van IJzendoorn

Mit den Ursachen der Unruhen beschäftigen sich zwei Autoren der Süddeutschen Zeitung: Sie erkennen in ihrer quellenreichen Analyse einen Zusammenhang zwischen dem umfassenden Sparpaket der Regierung Cameron und der sozialen Armut in migrantisch geprägten Bezirken. Ein Parlamentarier hatte auf die Gefahr hingewiesen, daß die gekürzten Sozialbudgets zu einem Rückfall in die 1980er-Jahre führen könnten, in denen London mehrfach von Ausschreitungen betroffen war. London ist eine der Städte mit der größten sozialen Ungleichheit in Europa. Die Plünderungen deuten darauf hin, daß die Jugendlichen auf diese Weise das Konsumversprechen einlösen, von dem sie ansonsten ausgeschlossen sind. Das Sparpaket der britischen Regierung ist der größte Haushaltseinschnitt in Westeuropa, der bereits seit längerem zu radikalen Protesten von verschiedenen sozialen Gruppen – wie Studenten – geführt hat.

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