Presseschau Demokratie

Die zweite Rochade

Russlands Führung verliert an Zuspruch
Die russische Duma
Die russische Duma Bild von moacirpdsp

Ina Ruck und Georg Restle reisen durch Russland, um vor den Parlamentswahlen die Frage zu stellen: Wohin steuert Russland? Dabei versuchen sie jedoch gar nicht ernsthaft, diese Frage zu beantworten, sondern reißen lediglich die zahlreichen Probleme des Landes an: Die Umweltverschmutzung, die Korruption und die Konflikte im Kaukasus. Besser informiert Heike Rasche, ebenfalls bei der ARD, indem sie der Unzufriedenheit in der Bevölkerung über die gelenkte Demokratie die Resignation mangels glaubwürdiger Alternativen entgegenstellt. Dennoch hätte man in ihrer Reportage gern mehr über die Widersprüche im System Putin erfahren.

Eine solche Analyse findet sich im Eurasischen Magazin von Ulrich Heyden. Denn die neuerliche Rochade zwischen noch-Präsident Medwedew und noch-Premier Putin läßt die herrschende Partei »Einges Russland« nicht nur in der Bevölkerung enorm an Zuspruch verlieren, sondern auch bei Ministern der Regierung, die von Medwedews Opportunismus enttäuscht sind. Daß sich das »Magen-Grummeln« über die allzu offensichtliche Demokratieinszenierung nicht in offenem Protest ausdrückt, ist auf das verlorene Vertrauen in die Demokratie durch die Präsidentschaft Jelzins zurückzuführen. Die öffentliche Inszenierung Putins als starker Mann, ob als Sänger, Taucher oder Jäger orientiert sich an westlichen Vorbildern wie Berlusconi.

Gescheiterte Sozialdemokratie

Analysen zu den Wahlen in Spanien
Neuer und alter Regierungschef
Neuer und alter Regierungschef Bild von Julio César Cerletti García

Spanien hat gewählt, das Ergebnis ist eine überwältigende Niederlage der sozialdemokratischen PSOE. Dabei galt Rodríguez Zapatero bei seinem Amtsantritt vor sieben Jahren als Hoffnungsträger der europäsichen Sozialdemokratie. Andreas Baumer anaylsiert in den Blättern sein Scheitern: So ist Spanien nach dem Platzen des Bau-Booms mit 22% Arbeitslosigkeit eines der besonders von der Krise betroffenen Länder. Zapateros Sparpolitik auf Kosten des Sozialstaats hat die Wähler von der Partei entfremdet. Anstelle eines eigenen Ansatzes der Krisenbewältigung habe er sich äußerem Druck gebeugt:

Seit dem Frühjahr 2010 fungierte Zapatero quasi als Vollstrecker der Direktiven aus Berlin, Frankfurt und Brüssel oder plante in angstvoller Antizipation des nächsten Angriffs der Ratingagenturen weitere Sparpakete.

Die Krönung der Sparpolitik war eine Verfassungsänderung zur Schuldenbegrenzung. Darin zeige sich auch in Spanien, daß die europäische Sparpolitik die Konjunktur abwürge. Weiterlesen … »

Vorwahl in der Wahlmonarchie

Frankreichs Sozialisten wollen ihren Präsidentschaftskandidaten durch ein neues Verfahren bestimmen
Wer wird Kandidat? Martine Aubry, François Hollande
Wer wird Kandidat? Martine Aubry, François Hollande Bild von Martine Aubry

Der für seinen brüsken Stil bekannte französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy ist mittlerweile derart unbeliebt, daß die Sozialisten hoffen, ihn bei den kommenden Wahlen aus dem Élysée-Palast zu spülen: Unklar ist bislang noch, wer der zweite sozialistische Präsident nach François Mitterrand werden soll. Dafür wird nun nach amerikanischen Vorbild eine Vorwahl (»Les Primaires«) abgehalten. Ursula Welter stellt im Deutschlandfunk das Verfahren und die Kandidaten vor. Nach dem peinlichen Skandal um Dominique Strauß-Kahn gilt Francois Hollande, der geschiedene Ehemann der vormaligen Präsidentschaftkandidatin Ségolène Royal, als Favorit. Seine schärfste Konkurrentin ist Martine Aubry, welche eher dem linken Lager zugerechnet wird. Wichtige Themen sind die Schuldenpolitik und die Jugendarbeitslosigkeit. Die Mehrheit der Kandidaten lehnt eine Schuldenbremse nach deutschen Vorbild ab und setzt auf eine aktivere Wirtschaftspolitik.

Amerikas zunehmende Verrohung

Wie die politische Kultur zerstört wird

Paul Pillar, ehemaliger CIA-Mitarbeiter und Dozent für Sicherheitsstudien, behauptet, was erfolgreiche Demokratien von autoritären Systemen unterscheide, seien nicht so sehr die entsprechenden politischen Institutionen, sondern die politische Kultur. Verfassungen, Gerichte und Wahlen gibt es auch in autoritären Staaten. Es sei aber ein Verständnis von Mehrheitsherrschaft, »loyaler Opposition« und die Einsicht, Kompromisse eingehen zu müssen, was erfolgreiche Demokratien ausmacht. Diese politische Kultur sieht er in den Vereinigten Staaten schwinden. Die Republikaner, zum Beispiel, verhindern regelmäßig mehrheitlich beschlossene Gesetzgebung mit parlamentarischen Tricks und verletzen so das Prinzip der Mehrheitsherrschaft.

Widerstand der Gleichen

Die Proteste in Griechenland organisieren sich

Heike Schrader hat sich in Athen umgesehen und festgestellt: Die Protestbewegung hier ist durchaus heterogen in ihren Ansichten und Zielen. Einig ist man sich aber im Widerstand gegen die etablierte Politik, selbst die Oppositionsparteien werden hier distanziert betrachtet.

Gleichzeitig gibt es Ansätze zu einer basisdemokratischen Organisation: Zahlreiche Arbeitsgruppen erstellen Vorschläge, die dann von einer Vollversammlung beraten werden. Dabei gibt es klare Regeln, die gleiche Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten für alle sichern sollen. Zudem legt man Wert auf Transparenz der Entscheidungen: Sie werden alle im Netz veröffentlicht.

Demokratie auf dem Seziertisch

Gerichtsurteil erlaubt finanziell unbegrenzte Einflussnahme auf Wahlkampagnen
Im Sinne der Gründungsväter?
Im Sinne der Gründungsväter?

Am 21. Januar 2010 hob der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten die Begrenzung dafür auf, wie viel Unternehmen für Wahlwerbung ausgeben dürfen. Begründet wurde das mit dem ersten Zusatzartikel der Verfassung, der Meinungsfreiheit garantiert, die auch für Unternehmen gelte. Unternehmen werden also in dieser Hinsicht mit Personen gleichgesetzt. Diese richterliche Entscheidung ist stark umstritten. Weiterlesen … »

»Der letzte Warnschuss«

Was die Affäre Strauss-Kahn für die französische Politik bedeutet
"Der letzte Warnschuss"

Unabhängig von der Frage, ob nun der IWF-Präsident Dominique Strauss-Kahn in New York eine sexuelle Straftat begangen hat, oder ob der Fall eine Intrige ist, kritisiert die Online-Zeitung Mediapart die politische Öffentlichkeit Frankreichs. Denn erstens haben die Medien das durchaus fragwürdige Sexualverhalten Strauss-Kahns heruntergespielt oder verschwiegen. Dieser habe ein Verhalten an den Tag gelegt, das nicht vom Recht auf Privatsphäre gedeckt ist, denn es handelte sich bei Vorfällen in der Vergangenheit nicht nur um Affären. Zweitens habe sich die Sozialistische Partei auf Betreiben einiger Publizisten unnötigerweise auf diese Person für die Präsidentschaftswahlen fixiert, obwohl sie programmatisch mehr zu bieten habe.

Seit drei Jahren wurde aufgrund des Umfragehochs und der DSK-Begeisterung einiger Kolumnisten alles daran gesetzt , die Präsidentschafts- Kandidatur des IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn als unentbehrlich zu präsentieren. […] Der Fall Strauss-Kahn ist der letzte Warnschuss für die Sozialisten, denen es bis jetzt nicht gelungen ist, der Herausforderung des Systems Sarkozy gerecht zu werden. Überhören sie ihn, dann trägt die Führung der Partei eine schwere Verantwortung für das Scheitern der Linken und für den Niedergang Frankreichs.

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