Presseschau Wirtschaft

Umdenken in Redaktionsstuben

Zur Umverteilung

Alexander Hagelüken plädiert in der Süddeutschen Zeitung für eine Umverteilung mit Hilfe des Steuersystems: Erbschaften, große Einkommen und Kapitalerträge sollten stärker besteuert werden, um mit diesen Einnahmen geringere Einkommen zu entlasten. Zur Begründung heißt es, das alte Dogma, Umverteilung führe unweigerlich zu weniger Wachstum, sei überholt. Gerade das Beispiel USA zeige, welch fatale Folgen eine einseitige Orientierung an den Interessen der Reichen habe.

Der nächste Kandidat

Spanien und der Euro

Bisher haben die Turbulenzen an den Finanzmärkten vor allem kleinen Staaten wie Island, Irland, Portugal und Griechenland zu schaffen gemacht. Doch jetzt droht ein weiterer Kandidat hinzuzukommen: Spanien. Das Land steckt in einer schweren Krise, die längst über die Probleme im einst boomenden Immobiliensektor hinausgeht. Fast fünf Millionen Arbeitslose (die Quote liegt bei gut 21 Prozent), ein schwaches Sozialsystem, aus dem Menschen nach einer gewissen Zeit komplett herausfallen, und nun stark anziehende Zinsen für Staatsanleihen.

Das Schema scheint dem in anderen Ländern wie Portugal zu gleichen: Extreme Sparmaßnahmen verhindern nicht eine Explosion der Schulden, sondern steigern lediglich die Arbeitslosigkeit. Die Ratingagenturen stufen die Bonität des Staates herunter, was die Kosten der Schulden erheblich steigen lässt, aktuell um ca. 50 Prozent für kurzfristige Anleihen. Weiterlesen … »

Reine Spekulation

Die zweite Preisspirale bei den Lebensmittelpreisen ist die Triebfeder für weltweite Unruhen
Lebensmittelpreisentwicklung: Die zweite Blase binnen 5 Jahren
Lebensmittelpreisentwicklung: Die zweite Blase binnen 5 Jahren

Stehen die Revolutionen und Revolten in Nordafrika und im Nahen Osten durchaus in der öffentlichen Aufmerksamkeit, wird einer der zentralen Gründe mit einer gewissen Ratlosigkeit eher am Rande erwähnt: Die seit Frühjahr dramatisch ansteigenden Lebensmittelpreise auf den Weltmärkten. Ralf Streck näherte sich dem Phänomen mit einer exzellenten Analyse. In zahlreichen Ländern Afrikas, Asiens und Südamerikas führen die Lebensmittelpreise zu Hunger und innerer Instabilität wie zuletzt bei den Hungerrevolten 2008. Weder die forcierte Biospritproduktion noch der ebenfalls rasant steigende Ölpreis können der entscheidene Grund für die Preisblase sein, auch wenn sie einen gewissen Einfluß haben. Vielmehr sorgt die lockere Geldpolitik der Notenbanken für Spekulationen auf den Märkten für Rohstoffe und Grundnahrungsmittel. Weiterlesen … »

Unpolitischer Technokrat?

Karl Schillers 100. Geburtstag

Geradezu legendär war seine Zusammenarbeit mit Franz Josef Strauß in der Großen Koalition Kiesingers von 1966 bis 1969 als »Plisch und Plum«. Inhaltlich stand der sozialdemokratische Wirtschaftsprofessor Schiller konsequent für die Vorstellung, in der Politik Ideologien durch wissenschaftliche Vernunft zu ersetzten. In diesem Sinn setzte er sich für eine Globalsteuerung der Wirtschaft ein, zu der auch die sog. »Konzertierte Aktion« als Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden gehörte. Damit löste sein nachfrageorientierter Ansatz die bisherige ordoliberale Politik Erhard´scher Prägung ab.

Innerhalb weniger Jahre zeigte sich jedoch, dass eine scheinbar neutrale, objektive Politik per se nicht möglich ist. Denn auch andere griffen seine Methoden auf, begründeten mit wissenschaftlicher Expertise jedoch ihre jeweiligen spezifischen Interessen. Und so ist es im Grunde bis heute geblieben. Oder wer würde ernsthaft annehmen, die Ergebnisse von Expertenkommissionen wären nicht abhängig davon, wer sie zu welchem Zweck zusammenstellt? Weiterlesen … »

Mythos Kapitalflucht

Steuern und Vermögen

In Deutschland wurde in den Jahren seit 1995 die Vermögensteuer abgeschafft, die Erbschaftsteuer zugunsten der Firmenerben wesentlich reformiert und der Spitzensatz der Einkommensteuer von 56 auf 42 Prozent verringert. Das blieb nicht ohne Folgen: Die Ungleichheit der Vermögensverteilung nahm deutlich zu. Als Begründung für diese Politik wird häufig angeführt, nur so sei die Kapitalflucht ins Ausland zu verhindern.

Diese Argumentation hinkt jedoch. Zunächst sind keineswegs alle Firmen in der Lage, ihren Sitz dorthin zu verlegen. Vor allem aber sind in den allermeisten westlichen Ländern die entsprechenden Steuern, gemessen an ihrem Anteil am Bruttoinlandsprodukt, wesentlich höher, ohne dass es in diesen Staaten zu der befürchteten Kapitalflucht gekommen ist. In vergleichbaren Ländern wie Frankreich und Großbritannien beispielsweise sind die Sätze mehr als dreimal so hoch wie in Deutschland.

Informeller Boom

Peru wächst - und wählt
Miraflores: Boomviertel in Lima <br/>Foto von SimplyTedel
Miraflores: Boomviertel in Lima Foto von SimplyTedel

Dank umfangreicher Rohstoffvorkommen und einer expandierenden Landwirtschaft wächst die peruanische Wirtschaft seit Jahren beträchtlich. Nun stehen die Präsidentschaftswahlen an. Amtsinhaber Alan García wird nicht mehr kandidieren.

Auf seinen Nachfolger warten aber große Herausforderungen: Denn die meist ausländischen Bergbauunternehmen verdienen zwar prächtig, zahlen aber lediglich 3 Prozent Steuern. Und damit wandert der Löwenanteil in fremde Taschen – übrigens seit 500 Jahren eines der Hauptprobleme des Landes. Hinzu kommt, dass Wasser immer knapper wird und die Arbeitsplätze zu etwa 70 Prozent informell sind. Die Beschäftigten haben so keinen Anspruch auf soziale Absicherung, Ferien und oft bekommen sie nicht einmal den Mindestlohn. Das staatliche Bildungssystem gilt als eines der schlechtesten weltweit. Und abseits der Metropole Lima sind die Menschen zum Teil extrem arm.

Gandhis Enkel sind käuflich

Moralische Autorität indischer Politiker schwindet weiter

Die Veröffentlichung diplomatischer Depeschen durch Wikileaks schlägt weiter Wellen. In Indien tragen sie zur Entzauberung des Rising India Mythos bei, an dem zur Zeit gewoben wird. Die Korruption und Heuchelei äußert sich besonders krass an der Forderung eines Bundesministers nach Bestechungsgeld von dem amerikanischen Chemiekonzern, der im Zusammenhang mit dem Bhopalunglück von 1984 steht, bei dem 25.000 Menschen durch eine Wolke hochgiftiger Chemikalien umkamen. Vor allem betroffen von den Folgen waren und sind die Anwohner des die Fabrik damals direkt umgebenden Slums – der besagte Minister tritt in der Öffentlichkeit als eifriger Anwalt der niedrigen Kasten auf. Auch im Parlament werden Stimmen mit Bargeld erkauft, selbst Mitglieder der Oppositionspartei BJP bezeichnen im privaten Gespräch mit amerikanischen Wirtschafts- und Staatsvertretern ihre zentrale politische Ideologie des menschenverachtenden Hindunationalismus als bloße opportunistische Sprachregelung.

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