Presseschau Staatshaushalt

Kürzung und Krawall

Sozialkürzungen sind eine Ursache der Ausschreitungen in London
"Tottenhams Gedächtniskirche": Ausgebranntes Gebäude in London
"Tottenhams Gedächtniskirche": Ausgebranntes Gebäude in London Bild von Patrick van IJzendoorn

Mit den Ursachen der Unruhen beschäftigen sich zwei Autoren der Süddeutschen Zeitung: Sie erkennen in ihrer quellenreichen Analyse einen Zusammenhang zwischen dem umfassenden Sparpaket der Regierung Cameron und der sozialen Armut in migrantisch geprägten Bezirken. Ein Parlamentarier hatte auf die Gefahr hingewiesen, daß die gekürzten Sozialbudgets zu einem Rückfall in die 1980er-Jahre führen könnten, in denen London mehrfach von Ausschreitungen betroffen war. London ist eine der Städte mit der größten sozialen Ungleichheit in Europa. Die Plünderungen deuten darauf hin, daß die Jugendlichen auf diese Weise das Konsumversprechen einlösen, von dem sie ansonsten ausgeschlossen sind. Das Sparpaket der britischen Regierung ist der größte Haushaltseinschnitt in Westeuropa, der bereits seit längerem zu radikalen Protesten von verschiedenen sozialen Gruppen – wie Studenten – geführt hat.

Leitwährung auf der Kippe

Der Haushaltsstreit kündet einen langsamen Abschied der USA von der Supermachtsrolle an

Eine Abwertung der Bonität der USA werde ohnehin kommen, meint Martin Hock in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die chinesische Rating-Agentur Dagong habe bereits vor einem Jahr das Land heruntergestuft; zwar sei die Agentur unbedeutend, doch China ist einer der größten Gläubiger. Langfristig zeichne sich ein Abschied vom Dollar als Leitwährung der Welt ab. Nur sei zur Zeit keine andere Währung in der Lage, die Rolle zu übernehmen, da die meisten Staaten ebenfalls Schuldenprobleme haben. Abgesehen vom Streit zwischen den Demokraten, die Steuererhöhungen anstreben, und den Republikanern, die die Sozialausgaben kürzen wollen, deute sich eine dritte Konsequenz an: Ein Zusammenstreichen des gigantischen Militärhaushalts, wodurch die Weltmacht-Rolle der USA relativiert werde. Weiterlesen … »

Leere Kirchen, volle Kassen

Die Finanzierung des Christentums in Deutschland
Leere Kirchen, volle Kassen

Die allseits bekannte Kirchensteuer trägt nur zu einem geringen Teil zur Finanzierung der christlichen Kirchen bei: etwa 10 Mrd. Euro. Schon dabei handelt es sich aber um eine indirekte Subvention, denn diese kann von der Einkommensteuer abgezogen werden. Weit gewichtiger ist aber, dass der Staat beispielsweise die Ausbildung von Theologen und die Entlohnung von Bischöfen und anderen Würdenträgern bezahlt – genauso wie den konfessionellen Religionsunterricht. Diese Zahlungen summieren sich auf ca. 15 Mrd. Euro jährlich.

Die sozialen Einrichtungen unter kirchlicher Trägerschaft wiederum werden zu mehr als 90% ebenfalls vom Staat finanziert. Kostenpunkt: gut 50 Mrd. Euro. Trotzdem gelten hier geradezu skandalöse arbeitsrechtliche Bestimmungen: Weder Betriebsräte noch Streiks sind zugelassen. Und das Gebot der Loyalität bedeutet, dass sich ein Angestellter der Kirchen weder wiederverheiraten kann noch sich öffentlich für Abtreibung aussprechen. Denn das hätte dann möglicherweise eine »verhaltensbedingte Kündigung« zur Folge. Weiterlesen … »

Eurobonds statt Schuldenerlass?

Ein Lösungsvorschlag

Ganz offensichtlich wird Griechenland seine Schulden unter den aktuellen Bedingungen kaum abzahlen oder auch nur wesentlich verringern können. Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hat deshalb mehrere Möglichkeiten untersucht, um aus der Schuldenfalle herauszukommen.

Einmal gäbe es die Variante, die Schulden um einen bestimmten Anteil – etwa 25 oder 35 Prozent – zu kürzen. Dieser sog. Haircut würde also die Gläubiger massiv treffen. Eine weichere Form wäre die Umschuldung: Die Kreditforderungen würden weiter in voller Höhe bestehen, aber die Zinsen gesenkt und die Laufzeit verlängert werden.

Das IMK hält aber eine dritte Option für die beste: Die Ausgabe von Eurobonds, also Staatsanleihen, für die alle Euroländer gemeinsam bürgen und die daher deutlich billiger für Griechenland wären. Umgekehrt würden dann die anderen Länder eben einen Teil des Ausfallrisikos übernehmen. Weiterlesen … »

Verleihen um zu leihen?

Das absurde System der Staatsschulden

Wenn ein Staat Schulden aufnimmt, weil Steuern und andere Einnahmen zur Finanzierung der Ausgaben nicht reichen, leiht er sich das Geld bei privaten Investoren – Deutschland aktuell zu einem Zinssatz von etwa 2,5%. Zumeist kaufen Banken und Versicherungen diese Staatsanleihen.

Wenn Banken Geld benötigen, leihen sie sich dieses von der staatlichen Zentralbank, im Fall Deutschlands also seit Einführung des Euros bei der EZB, der Zins hierfür beträgt momentan 1,25%. Kaufen sie nun mit eben diesen Kreditgeldern Staatsanleihen, können sie die Anleihen umgehend als Sicherheit für neue Kredite hinterlegen. Mit dem Geld aus der »zweiten Runde« wiederum finanzieren sie ihre eigentlichen Geschäfte: Kredite an die Wirtschaft oder an Konsumenten vergeben oder selbst in Unternehmungen, Finanzspekulationen usw. investieren.

Dadurch verdienen die Banken doppelt: Einmal durch die Zinsdifferenz zwischen Zentralbankkredit und Staatsanleihen, zum anderen durch die Differenz zwischen den Zentralbankkrediten und den Zinsen, die ihre Kunden an sie bezahlen müssen (oder durch die Gewinne mit Spekulation). Weiterlesen … »

Zwischenstand

Eine Analyse der Finanzkrise

Das aktuelle Beispiel Griechenlands zeigt, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise noch immer nicht überwunden ist. Helmut Matthes versucht sich an einer vorläufigen Bilanz, in der er nicht nur die Ursachen untersucht, sondern daraus auch konkrete Schlüsse zieht. Vieles davon ist sicher nicht neu. Dennoch kann es hilfreich sein, die bisherige Entwicklung mit dieser informativen Studie noch einmal nachzuvollziehen.

Das Kernproblem sind demnach zwei internationale Ungleichgewichte. Das von Produktion und Konsum führt zu Lohndumping und Exportüberschüssen bei den einen, zu schuldenfinanziertem Verbrauch bei den anderen. Zweitens hat die Ausweitung der Finanzbranche über das notwendige Maß hinaus zu Spekulation und Instabilität geführt. Weiterlesen … »

Opfer der Marktlogik

Geisteswissenschaften in England
Alte Tradition: Universität von Cambridge
Alte Tradition: Universität von Cambridge Bild von Elin B

Die Autonomie der Wissenschaft ist zu Recht ein hohes Gut. Um dieses zu gewährleisten, sorgt der Staat für eine angemessene finanzielle Grundlage, ohne auf die Inhalte und Forschungsvorhaben Einfluss zu nehmen. Das soll aber jetzt in England anders werden.

Die Evaluation der Qualität von Forschung läuft dabei nach standardisierten Methoden. Ein wichtiges Kriterium ist die quantitative Erfassung der Publikationshäufigkeit. Das gilt für alle Wissenschaften gleichermaßen – egal ob Philosophie, Mathematik oder Chemie. Eine Folge dieser Politik ist die Orientierung auf kurzfristige, schnelle Erfolge statt mutiger, innovativer Vorhaben. Die allgemeine Marktorientierung, die nach einem aktuellen Gutachten zur Grundlage der Wissenschaftspolitik werden soll, führt dabei unweigerlich zu einem Verkümmern der Geisteswissenschaften zugunsten der ökonomisch verwertbaren Naturwissenschaften.

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