Presseschau Leistung

Zwang zur Selbstoptimierung

Grenzenloses Wachstum als kulturelles Leitbild
"Das Wirtschaftswachstum bringt uns immer näher an die Funktionsgrenze des Systems."
"Das Wirtschaftswachstum bringt uns immer näher an die Funktionsgrenze des Systems." Bild von Zanthia

Als die Folgen der ausufernden Industriegesellschaft als Raubbau an Natur und Mensch in den 70er Jahren unübersehbar wurden, stellte sich erstmals einer breiten Öffentlichkeit die Frage nach den Grenzen des endlos scheinenden Wirtschaftswachstum. Trotz des erreichten Zenits der Ölförderung zählt Harald Welzer heute jedoch zu den eher wenigen Intellektuellen, welche dieses spezifische Fundament des Kapitalismus kritisieren.

Das fehlende Bewußtsein über die Grundlagen unseres modernen Lebens beruht auf der völligen Verinnerlichung und Affirmation des Wachstums – mit dieser Überlegung erweitert Welzer in zwei jüngst erschienenden Schriften in den Blättern und dem SZ-Magazin sein Forschungsgebiet von einer Wirtschafts- zu einer allgemeinen Gesellschaftskritik.  Diese leitet er aus der Entwicklungsgeschichte des Kapitalismus der vergangenen 200 Jahre ab. So gelingt eine Kulturkritik, die viele Eigenschaften des Selbst- und Weltbildes des modernen Menschen herausschält: Dem im ewigen Werden der Waren- und Selbstproduktion gefangenen Menschen der Leistungsgesellschaft. Weiterlesen … »

Fragwürdige Rankings

Die Bewertung wissenschaftlicher Leistungen und ihre Folgen

Alfred Kieser geht – bemerkenswerterweise in seiner Abschiedsvorlesung – der Frage nach, wie Wissenschaft heute bewertet und vergleichbar gemacht wird. Immer häufiger richten sich die verschiedenen Akteure – Universitätsleitungen, Herausgeber von Fachzeitschriften, Berufungskommissionen usw. – nach Rankings. Diese seien jedoch in Methode und Wirkung äußerst fragwürdig. Ein Haupteffekt dieses Systems ist ein extremer Konformitätsdruck: Gut ist, was sich bereits etablieren konnte. Damit wird der Mut zu wirklich neuen Fragestellungen und unkonventionellen Lösungsansätzen aber bestraft. Und so der eigentliche Motor der Wissenschaft abgewürgt:

Und weil sie alle karriererelevante Entscheidungen fällen, wollen die Wissenschaftler genau die Punkte erringen, die im System angerechnet werden. Sie gehen nicht mehr Forschungsfragen nach, die sie im Hinblick auf den Erkenntnisgewinn für wichtig erachten, sie sammeln Punkte für Ranglisten. Sie begeben sich nicht mehr auf wissenschaftliche Entdeckungsreisen, sondern folgen den in Rankings ausgeflaggten Trampelpfaden.

Fetisch Leistung

Der Begriff der Leistung prägt die an Arbeit orientierte Gesellschaft
Leistung das Ideal unserer Gesellschaft? Leichtathletik-WM in Berlin  <br/>Foto von az1172
Leistung das Ideal unserer Gesellschaft? Leichtathletik-WM in Berlin Foto von az1172

Eine ganze Ausgabe hat die Zeitschrift Polar dem Begriff der Leistung gewidmet. Darin kommen Perspektiven aus der Alltagswelt, dem Fußball, der Kunst und der Bildung zu Wort. Der Eingangsbeitrag stützt sich auf ein Forschungsprojekt am Institut für Sozialforschung in Frankfurt. Kai Dröge und Sighard Neckel erörtern darin die Bedeutung des Leistungsbegriffs in Gesellschaft und Politik. Denn »Leistung« ist die Grundlage einer wirtschaftsorientierten Vorstellung, nach der die Eliten durch Steuern geschröpft werden. Doch darin wird eine Vorstellung verobjektiviert: Statt einer Diskussion unterschiedlicher gesellschaftlicher Wertvorstellungen wird ein hohes Einkommen mit harter Arbeit gleichgesetzt und als alleiniges Merkmal für »Leistungsgerechtigkeit« gesetzt. Weiterlesen … »

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