Eine Abreibung für den Bildungsprotest
In einem hübsch gedrechselten Dossier ruft Magnus Klaue zur »anstehende[n] Erledigung« der »selbsternannten« Bildungsstreik-Bewegung auf. Dabei meint er's hart aber herzlich, will dem vermeintlich schläfrigen Haufen der Bildungsprotestler mit der kalten Dusche der Kritik aufhelfen und ihm zugleich das theoretische Fundament unterschieben. Denn was ginge tiefer, als Reflexionen über
die somatischen, gleichsam organischen Implikationen des Bildungsbegriffs und (…) dessen wahrhaft materialistische Grundlage, seinen 'Triebgrund'.
Bei soviel wohlwollender Nachhilfe im 1x1 materialistischer Kritik, fällt es nicht schwer, über kleinere Schnitzer hinwegzusehen. Oder sollte die »Warenform« heute tatsächlich immer noch ein unablässiges Kriterium aller »autonomen geistigen Gebilde« sein?
Warum »Warum Israel«?
Seit Monaten schwelt (nicht mehr nur) in Deutschland eine Auseinandersetzung um die handgreifliche Blockade des Claude Lanzmann Films »Warum Israel« vor einem Hamburger Hinterhofkino. Unterdessen erklärte die an der Blockade beteiligte Gruppe Sozialistische Linke (SoL), sie habe für ein »einschüchterungsfreies Diskussionsklima« sorgen wollen. Nun gibt Lanzmann ein Interview im Freitag und sagt:
Die Normalität, dass es einen Staat Israel gibt, ist zur gleichen Zeit eine Abnormalität an sich. Mein Film behandelt eine ganz nachvollziehbare Frage. Umso abstoßender ist es, dass eine Aufführung dieser filmischen Studie über eine erzwungene Staatsgründung gerade in Deutschland verhindert wurde.
Kriminalisierter Fortschritt
Der Chaos Computer Club plädiert für einen betont liberalen Umgang mit Inhalten im Netz. Dabei gehe es nicht nur um die demokratische Dezentralisierung von Verteilungsmechanismen, sondern auch darum, ob die großen Medienkonzerne heute überhaupt noch notwendig sind. Zur Zeit beherrscht deren Sichtweise allerdings - auch dank der von ihnen geprägten Begrifflichkeiten - den öffentlichen Diskurs in erheblichem Maße.
Die gesellschaftliche Debatte wird sich (…) in Zukunft an den Bedürfnissen der Nutzer orientieren, nicht an den Gewinninteressen einer überkommenen Industrie, die mittlerweile die kulturelle Entwicklung mehr bremst als fördert.
Neusprech aktuell
Wer die Sprache beherrscht, beherrscht das Denken. Das gilt - erstaunlicherweise - zwar nicht immer, aber doch in vielen Fällen. Der Kampf um politische Inhalte und Interessen ist demnach auch eine Auseinandersetzung um die Deutungshoheit von gesellschaftlichen Entwicklungen, meint Wolfgang Storz:
Politische Sprache ist Politik. Der Kommunikationswissenschaftler Anil Jain weist der Metapher im politischen Geschäft eine bedeutende Rolle zu: Sie sei im Diskurs »ein machtvoller Ort«. Bisher haben vor allem die Marktradikalen dieses Geschäft beherrscht. Aber das muss nicht so bleiben.
Moderne Kaffeesatzleserei
In einem sehenswerten Beitrag des SWR wird gezeigt, wie sehr wir heute von Prognosen aller Art beeinflusst werden. Obwohl sie häufig danebenliegen und äußerst unseriös ermittelt werden. Denn der Blick in die Zukunft ist nicht nur unsicher, sondern auch interessengeleitet. Das gilt für Fragen der Demografie ebenso wie für Börsenkurse, Gesundheit oder das Waldsterben.
Rom und die Moderne
Der katholische Theologe und Wissenschaftler Peter Bürger hat ein Buch über den Katholizismus in der Moderne veröffentlicht. Einige Aspekte des Buches finden sich in einem zweiteiligen Telepolis-Beitrag wieder. Bürger kritisiert die Dogmen Roms scharf, denn er erkennt in der Abwehr der Moderne eine verpasste Chance. Das Dogma der Unfehlbarkeit und der Absolutismus des Papstes gingen mit einer Zentralisierung der Kirche einher, die nicht ohne Widerstände ablief. Der damit einghergehende Personenkult sei als eine Form des Individualismus ein modernes Phänomen, dem er kenntnisreich eine andere Geschichte des Christentums entgegenhält.
Broder vs. Palmer
Henryk M. Broder und Boris Palmer liefern sich eine Debatte zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Felicia Langer, die in Ton und Art zu faszinieren weiß. Amüsant. Weiterlesen … »