Magazin Beitrag

Der Tag, der unser Leben veränderte

Ein Rückblick auf den Patriot Act
Im Namen der Freiheit?
Im Namen der Freiheit?

Die Welt ist nicht mehr so, wie sie einst war. Am 25. Oktober vor zehn Jahren hat sich unser aller Leben verändert. Das las man bereits vor sechsundvierzig Tagen - dies geschah aber verfrüht. Am 11. September vor zehn Jahren hat sich wenig in unser aller Leben verändert. Für die Familien der Toten schon - für die Skyline New Yorks auch - und auch für die Versicherungen, bei denen Schadensfälle eintrudelten. Aber für den Rest der Menschheit veränderte sich zunächst wenig - manche waren emotional verändert, aber letztlich lief der Rest der Welt wie eh und je geschmiert.

Gestern vor zehn Jahren änderte sich etwas. Gestern vor zehn Jahren erblickte der USA PATRIOT Act das Licht der Welt - die Mutter aller Anti-Terror-Gesetze, die in der westlichen Welt folgen sollten. Als der Kongress dieses Machwerk verabschiedete, dass uns nach Guantánamo und zu Waterboarding lotsen sollte, war es einer dieser historischen Augenblicke, in dem sich die Welt, wie sie war, aus unserer Realität verabschiedete. Sie war urplötzlich ein Tummelplatz von Terroristen, von sieben Milliarden potenziellen Terroristen. Wer nichts zu verbergen hat, braucht sich nicht fürchten!, war die neue Losung - und der überwachte Bürger antwortete, dass er nichts zu verbergen habe. Dabei ist es nur gut, nur menschlich, dass es Dinge gibt, die man verbirgt. Persönliche Geheimnisse: plötzlich waren sie das Vorzimmer zum Terrorismus.

Nicht der 11. September war es, der unser aller Leben wandelte - es war jener 25. Oktober vor zehn Jahren. Vor diesem Tag hatte man unveräußerliche Menschenrechte, man war Bürger seines Staates - danach beäugten Staatsrechtler den Bürger mit einem Feindstrafrecht. Missliebige Bürger ernteten vorher vielleicht Zorn, Unflätigkeiten einiger dümmlicher Zeitgenossen - danach konnte es in Gewahrsam enden, auf der pittoresken Insel Kuba gar, fern jeglicher Bürgerrechte, fern jeglicher juristischen Beratung. Staaten der westlichen Welt nahmen sich ein Beispiel daran, fertigten sich ihren PATRIOT Act nach gegebenen Zuständen an. Terrorismusbekämpfungsgesetze, die nicht bindend in Gefangenenlager weisen, aber ein Klima des Misstrauens erzeugt haben, eine Überwachungsindustrie befeuerten und jeden Bürger zum personifizierten Verdachtsfall erklärten.

Dieser 25. Oktober, er war auch das Fanal zur Überwachung Europas. Anti-Terror-Pakete mit tollen Features erblickten bald darauf das Licht der Welt - Sieh her, Amerika, das ist unsere »bedingungslose Solidarität«, die wir dir versprachen! Schnüffeleien aller Art wurden betrieben. Nicht gegen Terroristen: gegen G8-Gegner zum Beispiel - und gegen Parksünder oder Hundehalter, die den Kackhaufen ihres Wuschels nicht aufgehoben haben, wie das britische CCTV mittlerweile als scharfes Auge gegen Ordnungswidrigkeiten betrieben wird - oder gegen Leser, die Bücher ausleihen oder kaufen, die auf einem Index stehen. Telefone hört man ab, auf Festplatten greift man zu, über Militär mit polizeilicher Befugnis fabulierte man. Vor zehn Jahren änderte sich unsere Welt schlagartig. Aus Bürger wurden mögliche Verbrecher, das Gemeinwesen wurde zum Objektträger mikroskopischer Expertisen.

Nichts ist mehr, wie es einst war. Auch damit wirbt die Marketingstrategie des 11. September, die Überwachung und auch Kriege legitimieren soll. Diese werbewirksame Strategie des Terrors, die nicht die Welt veränderte, sondern die Gesetzgebung neu markierte. Es war auch nicht der Terrorismus, der unsere Welt veränderte - es waren die Schlüsse, die man aus diesem Anschlag zog, die alles anders machten. Am 11. September fand auch kein Anschlag auf die freie Welt statt - den gab es erst am 25. Oktober. Verübt wurde der vom Kongress, später von anderen nationalen Parlamenten. Nicht mit Flugzeugen verändert man das Gefüge des Zusammenlebens. Man verändert es mit Gesetzen. Keine Bande Terroristen, die mit Teppichmesser die Macht über Flugobjekte erwirken, können die Welt und unser aller Leben verändern - das können nur Parlamentarier, die mit Gesetzesentwürfen unter dem Arm geklemmt, die Unfreiheit, die Kontrolle, die Gesellschaft im offenen Vollzug verabschieden. Der wirkliche Terror gegen die freie Welt wurde ab dem 25. Oktober wirksam - vorher waren es nur Scharmützel an der Freiheit. Unfrei haben uns nicht Terroristen gemacht, diese Macht hätten sie gar nicht - unfrei haben uns die gemacht, die zu unser aller Wohle entscheiden sollten.

Männer und Frauen in Anzug haben unser Leben verändert. Keine Suren rezitierenden Fanatiker! Nicht der 11. September ist Gedenktag einer Gesellschaft, die in präventiver Lauerstellung lebt - der 25. Oktober ist es! Ein Gedenktag an die Zeit, da Diskretion (neumodisch »Datenschutz«) noch ein wenig mehr galt. Stets wenn Daten erhoben, wenn Datenschutzrechte enthebelt werden, sollten wir an den 25. Oktober denken. Wenn sie Kontotransaktionen überprüfen wollen, um offiziell Terroristen zu entlarven, inoffiziell aber Hartz IV-Empfänger durchleuchten, dann sollten wir an den 25. Oktober denken. Wenn sie Arbeitsmarktdatenbänke ins Leben rufen und ihnen einen hübschen Frauennamen (Elena) verleihen, um das Volk flächendeckend zu erfassen, dann sollten wir an den 25. Oktober denken. Dann sollten wir an den Tag denken, der unser aller Leben nachhaltig veränderte…

 

Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf ad sinistram.

Kommentare

der grund für dieses gesetz

der grund für dieses gesetz waren aber letztlich die attacks von 9/11 und damit ist der terror auslöser der angst die diese anti-terror-gesetze zur folge hat. auch ich finde die gesetze drastisch. wie sollte man Ihrer meinung nach reagieren?

inhaltslos

Es fehlt eigentlich alles über den Patriot Act an sich und was für Veränderungen er mit sich bringt.