Regieren und kassieren
Angesichts der Proteste in den Nachbarländern mutet der Besitz des marokkanischen Königs Mohammed VI. wie die Aufforderung zum Aufstand an. Denn der Herrscher kontrolliert etwa 6% des BIP seines Landes, sein Vermögen wird auf 2 Mrd. Euro taxiert. Zudem erhält er auch eine jährliche staatliche Vergütung in Höhe von 250 Mio. Euro.
Das wirft natürlich Fragen auf, zumal er sich selbst gerne als »König der Armen« stilisiert. Doch trotz der hohen Jugendarbeitslosigkeit und nicht weniger, auch prominenter, Kritiker ist Mohammed VI. nach wie vor beliebt bei seinem Volk.
Kein Ende der Proteste
Nach dem zumindest anfänglichen Erfolg der Proteste in Tunesien und Ägypten mobilisieren Oppositionelle auch in anderen Ländern weiter in der Hoffnung auf Wandel. Für dieses Wochenende sind große Demonstrationen angekündigt.
Während es in Marokko verhältnismäßig ruhig und undramatisch hergeht, ist die Lage in Libyen, Jemen und Bahrain eskaliert. Dort gab es nicht nur zahlreiche Tote und Verletzte, sondern auch ein massives Aufgebot an Militär und Polizei. Zudem sind hier z.T. – wie bereits zuvor in Ägypten – regimetreue Schlägertrupps aktiv. Unklar ist nach wie vor, wie sich die Situation in Algerien entwickelt.
Hoffnung und Sorge
Der alte Präsident ist gestürzt - doch wie geht es weiter? Die buntscheckige, vielfältige Opposition ist gerade erst dabei, sich zu organisieren. Die Hoffnungen sind jedenfalls zahlreich und ungebrochen.
Dennoch ist auch Skepsis angebracht. Denn der neue Militärrat agiert keineswegs widerspruchsfrei. So hat er zwar einen raschen Wandel und demokratische Wahlen versprochen, auch erste Verfassungsänderungen stehen kurz bevor. Doch noch ist Mubaraks altes Kabinett in Amt und Würden, die Notstandsgesetze in Kraft und viele Oppositionelle in den Gefängnissen. Es bedarf also offenkundig weiteren Drucks von unten.
Der Wind des Wandels
Die Berichterstattung über die Revolution in Ägypten war im Westen in erster Linie ein Blick von außen. Mit Spannung konnte man die Dramaturgie der Ereignisse verfolgen. Doch wenig erfuhr man über die Hintergründe und Akteure des Aufstandes. Umso sehenswerter ist eine Filmreportage von Al Jazeera aus der Reihe People & Power. In Seeds of change lernt der Zuschauer einiges über die Organisation der Opposition, die versucht, unterschiedliche gesellschaftliche Schichten auch mit Hilfe neuer Medien zu verbinden.
Die Revolution hat noch nicht gesiegt
Auch Tage nach dem Ende von Mubaraks Herrschaft ist noch immer nicht klar, wie es jetzt in Ägypten weitergeht. Max Böhnel fragt sich, ob es nun wirklich zu einem Politikwechsel kommt. Denn der neue Machthaber ist eigentlich auch der alte: die Armee. Einerseits ist sie seit langem ein Staat im Staate mit vielfältigen Verbindungen, auch in die USA. Zugleich war sie auch stets eng mit dem noch immer steinreichen Mubarak - einem Exoffizier - verbandelt. Zahlreiche Vermögenswerte und lukrative Posten in eigenen Firmen sichern den Offizieren eine privilegierte Stellung.
All das gilt insbesondere für den neuen Führer des Militärrates, den bisherigen Verteidigungsminister Mohammed Hussein Tantawi, wie Matthias Gebauer schreibt: Weiterlesen … »
Die Schraube zurückdrehen
Der Erfolg des Volksaufstandes in Ägypten ist keineswegs gesichert: Hinter den Kulissen positionieren sich die unterschiedlichen Fraktionen des alten Regimes. Bereits am vergangenen Donnerstag analysierte Jens Berger auf seinem Blog die Interessen der »Autokraten«, »Plutokraten« und »Technokraten«. Matthias Gebauer im Spiegel. Weiterlesen … »
Überblick
Die Ereignisse im arabischen Raum haben sich in den letzten Tagen und Wochen überschlagen. Wolfgang Günter Lerch gibt einen guten Überblick über die aktuelle Situation in den einzelnen Ländern. Dabei schätzt er die Entwicklung durchaus als revolutionär ein; gleichzeitig betont der Autor die zentrale Rolle der materiellen Not weiter Bevölkerungskreise für den Ausbruch der Proteste. Eine weitere Gemeinsamkeit in den doch sehr verschiedenen Staaten sind auch die jahrzehntelang herrschenden Eliten. Sie sind zu wirklichen Veränderungen weder willens noch in der Lage.