Presseschau Beitrag
Konfusionen und Interessen
Die Kommentatoren beschäftigten sich aus zwei Gründen mit den jüngsten Entscheidungen: Zum einen wegen der beschlossenen Fiskalunion, zum anderen wegen des Neins der Briten. Die neuen Regeln werden dabei weitgehend positiv bewertet, etwa von Spiegel Online – die FTD dagegen glaubt, sie seien zwar richtig, aber nicht nachhaltig genug. Die FAZ weist darauf hin, dass sie weitaus gravierender sein werden, als bislang bekundet – denn die Finanzpolitik habe entscheidende Bedeutung.
Großbritanniens Sonderpolitik wird dagegen eher skeptisch aufgenommen. Der Tenor lautet herbei, das Land wäre zwar grundsätzlich willkommen in der EU, nicht aber mit seiner permanenten Blockadehaltung. Nur in Teilen wird darauf verwiesen, Camerons Haltung sei der Londoner Finanzbranche geschuldet. Und das, obwohl selbst Außenminister William Hague explizit darauf verwiesen hat, wie die Tagesschau zitiert. Die junge Welt erklärt das britische Unbehagen so: Die Banken der Londoner City würden penibel auf ihre unregulierte Sonderrolle achten, die Industrie dagegen habe jenseits des Kanals schon lange ihre Bedeutung verloren. Deshalb könne man auf den europäischen Absatzmarkt für deren Produkte eher verzichten als auf die liberale Politik gegenüber der Finanzbranche.
Kommentar
Es ist schon bemerkenswert: Da wird – mal eben so – durch einen Gipfel die ganze Architektur der EU umgekrempelt. Und diese Änderungen sind alles andere als Detaillösungen für eine aktuelle Krisensituation. Sie werden das Gesicht des Staatenbundes vielleicht auf viele Jahre prägen, ähnlich denen von Maastricht. Nun wird nämlich die restriktive Schuldenpolitik à la BRD europaweit festgeschrieben, inklusive automatischer Sanktionen. Die Einbindung des IWF wird ebenfalls dafür sorgen, dass die neoliberale Marschrichtung eingehalten wird. Aber nicht nur die Kreditaufnahme, auch die Ausgabenseite gerät ins Visier der EU-Kommission. Sie darf sogar eine Änderung der nationalen Haushalte verlangen. Es gehört nicht allzu viel an prophetischen Gaben dazu, um zu wissen: Im Zweifelsfall ist das ein Ansatzpunkt für weiteren Sozialabbau.
Auf der anderen Seite wurden einmal mehr sinnvolle Instrumente konsequent abgeblockt. Dazu gehören Eurobonds ebenso wie eine wirksame und umfassende Regulation oder Enteignung des Finanzsektors, aber auch gezielte Steuererhöhungen zu Lasten derer, die uns diese Krise eingebrockt haben. Ein trauriges Ergebnis für Europa!
Kommentare
Der Umbau der EU zur
Der Umbau der EU zur Fiskalunion ist nur konsequent. Die Meckerer, die sich jetzt darüber beschweren, sind sozialromantische Träumer. Die EU ist nicht für die kleinen binnenwirtschaftlich arbeitenden Unternehmen und schon gar nicht für die Bürger da. Daher: freie Fahrt für exportorientierte Großunternehmen!
Resignation?
Ich nehme mal an, dieser Kommentar ist ironisch gemeint. Trotzdem muss ich ihm widersprechen: die aktuelle Ausrichtung der EU, ihre Politik und ihre undemokratische Verfassung sind keineswegs naturgegeben. Notwendig ist also ein steter und entschlossener Protest, der auch in der Lage ist, realistische Alternativen aufzuzeigen. Man hat ja vor Jahren in Frankreich und den Niederlanden gesehen, dass die Bevölkerung nicht immer zu allem Ja und Amen sagt. Gerade die Occupy-Bewegung ist mit ihrer internationalen Ausrichtung möglicherweise ein Ansatzpunkt in dieser Richtung. Es besteht also bei allen Schwierigkeiten kein Grund zur Resignation, ganz im Gegenteil!