Presseschau Beitrag

Wenn der Informationsfluss versiegt

Die Logik des neofaschistischen Terrors bleibt schemenhaft
Welche Fäden liefen auf der Theresienwiese in Heilbronn zusammen?
Welche Fäden liefen auf der Theresienwiese in Heilbronn zusammen? Bild von Dmitry Klimenko

An einer Zwischenbilanz zu den Ermittlungen zu der neofaschistischen kriminellen Gruppierung NSU versucht sich der auf Rechtsradikalismus spezialisierte Journalist Andreas Förster im Freitag.

Bislang aber fördern die Ermittlungen mehr Widersprüche und Unwahrscheinlichkeiten zutage als Fakten.

Weder das Verhalten der Bankräuber am Tag ihres Ablebens scheint plausibel noch der Hintergrund des Todes einer Polizistin in Heilbronn. Warum nahmen Böhnhardt und Mundlos das Geld früherer Bankraube sowie ein Arsenal von Tatwaffen mit zu einem Überfall? Lebten sie tatsächlich zumeist in Zwickau? Das Profil der Gruppe bleibt auch nach einem Monat Ermittlung schemenhaft.

Daneben spricht Förster einen kontroversen Artikel des Stern an: Das Magazin veröffentlichte ein Papier des amerikanischen Militärgeheimdienstes DIA, nach dem ein Observationsteam des Verfassungsschutzes den Mord in Heilbronn beobachtet habe. Das Papier, das offenbar von einem hohen deutschen Kriminalbeamten an das Blatt geleakt wurde1, dessen Echtheit jedoch nicht verifiziert ist, suggeriert einen Waffenhandel mit einem Kontaktmann der Sauerlandzelle. Dies würde dem Fall eine weitere abenteuerliche Wendung hinzufügen und auf eine Verstrickung der Geheimdienstler hindeuten. Diese dementierten umgehend, was allerdings kaum einen Wert hat, da sie durch das Papier als in die Tat verstrickt beschuldigt werden.

Auf eine Verbindung zu dem internationalen Netzwerk »Blood and Honour« wies die WDR-Sendung Monitor hin. Denn die Anschläge entsprechen dem Vorgehen des militanten Flügels »Combat 18«. Damit spricht der Monitor neben den inländischen Verbindungen der Gruppe auch die internationalen Verstrickungen an.

Kommentar

Nachdem nun sechs Wochen seit der Aufdeckung der Dimension des Neofaschismus in Deutschland vergangen sind, überwiegt noch immer das Unwissen der Öffentlichkeit über den Fall. Obwohl bereits viele Details durch die Medien recherchiert wurden, ergeben die Puzzleteile kein schlüssiges Gesamtbild: Der öffentliche Druck lässt kurz vor Jahresende spürbar nach. Anstatt auf eine umfassende Aufklärung zu dringen, bevor daraus die Konsequenzen gezogen werden, ist die Diskussion voreilig auf ein Verbot der NPD geschwenkt.

An dem Stern-Report – ob nun echt oder nicht – ist ein wichtiges Dilemma deutlich geworden: Die Ermittlungsbehörden sind befangen und werden kaum in den eigenen Reihen nach grobem Versagen oder gar einer Tatbeteiligung fahnden. Sobald der Fluss neuer Erkenntnisse versiegt, tritt der Skandal in den Hintergrund. Denn die Medien sind nicht an der Quelle dieses Flusses. Offenbar mangelt es der Demokratie in Deutschland an ausreichenden Mitteln zur Aufklärung eines derartigen Falles; ansonsten muss zumindest die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss des Bundestages laut werden. Die vielen Zuständigkeiten des deutschen Föderalismus können aber als Mittel zur Verdeckung genutzt werden: So weigern sich einzelne Bundesländer, Beamte vor dem Innenausschuss des Bundestages aussagen zu lassen.

  • 1. Dem Stern, dem »eine Kopie des Papiers« vorliegt, referiert in seinem Bericht auf Insiderinformationen durch »hochrangige Ermittler«, während die DIA in Stuttgart in »engen Kontakt zu deutschen Sicherheitsbehörden« steht. Insofern legt dies nahe, das Papier sei vom DIA via Kriminalamt an den Stern gelangt.