Magazin Beitrag

Laissez faire

Die deutsche Regierung führt Europa an den Abgrund
Kommt Zeit, kommt Rat
Kommt Zeit, kommt Rat Bild von David Basanta

Man kann sich nur wundern — Griechenland steht am haushaltspolitischen Abgrund, gefangen in einem Währungsraum, der dem Land keine Luft zum Atmen läßt. Eine seltene Allianz von Regierung, Bild bis Süddeutscher Zeitung hat eine Stimmung in Deutschland produziert, aus der den Griechen lauthals »selbst schuld« zugerufen wird; deren schlampiges Rechnungswesen und die unkontrollierte Haushaltsführung seien verantwortlich. Mit dieser Sichtweise hätte es keinen müden Cent für die Banken gegeben. Banken werden gerettet, Staaten läßt man verhungern: ein fatales Signal, das die Weltwirtschaft erzittern läßt und die Europäische Union völlig in Frage stellt.

Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, Griechenland aus der Patsche zu helfen, denn das Land hat nur einen Anteil von etwas mehr als 2% der Bevölkerung der Europäischen Union, das Bruttoinlandsprodukt bewegt sich im Mittelfeld des Staatenbundes. Doch mangelnder politischer Wille in Deutschland ließ dies scheitern. Spar- und Umstrukturierungsmaßnahmen wirken nur auf lange Zeit und sind eilig umgesetzt Gift für die Binnenkonjunktur. Eine eindeutige Garantie für die griechischen Staatsanleihen, verbunden mit einer langfristigen und verbindlichen Zielvereinbarung zur Haushaltskonsolidierung wären möglich gewesen.

Eine Währungsunion setzt Bedingungen voraus, um zu funktionieren: Einerseits annähernd vergleichbare Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse, und somit auch keine allzu einseitige Handelsbilanz. Andererseits das Einspringen der Macht, welche über das Recht zur Geldschöpfung verfügt, um seinen untergeordneten Einheiten, in diesem Falle Staaten, in Notsituationen zu helfen. In der Bundesrepublik Deutschland steht dies nicht umsonst im Grundgesetz. Wenn beide Bedingungen nicht eingehalten werden wird früher oder später eine innere Krise die Folge sein.

Dieser Fall ist nun eingetreten. Es wäre möglich gewesen, Griechenland unter kontrollierten Bedingungen und ohne Druck der Finanzmärkte aus der Währungsunion zu befreien, selbst wenn zweifelhaft bleibt, ob dies sinnvoll ist. Ein Ausstieg unter Druck jedoch ist die gefährlichste denkbare Variante, denn wenn die Währungsunion — für alle offensichtlich — nicht Herr der Lage ist, hat sie das notwendige Vertrauen verspielt, um fortzubestehen.

Fatal daran ist insbesondere, daß eher Banken als Staaten geholfen wird. Dies erweckt den Eindruck, die Europäische Union sei keine Wertegemeinschaft, keine politische Union, sondern lediglich ein Verein, um durch Vereinheitlichung und Normen den Absatz von Produkten zu vereinfachen. Ohne eine solch provokative Schlußfolgerung bleibt mir schleierhaft, wie die Eliten in Politik, Wirtschaft und Medien allen Ernstes der deutschen Bevölkerung verkaufen wollen, Milliarden zur Rettung der Banken zur Verfügung zu stellen, aber die notwendigen Garantien für einen Staat dieser »Wertegemeinschaft« nicht zur Verfügung zu stellen. Damit verspotten sie die Grundsätze des Grundgesetzes, da sie auf europäischer Ebene offenbar nicht gelten.

Die wirtschaftlichen Berater der deutschen Regierung zeigen sträfliche Fahrlässigkeit, Verantwortungslosigkeit und mangelnden Sachverstand. Mit ihrer Rhetorik haben sie sich in eine Sackgasse begeben, aus der sie nicht mehr herauskommen. Dabei haben sie die Weltwirtschaft als Geisel genommen. Denn eine notwendige 180-Grad-Wendung werden sie ohne Gesichtsverlust nicht vollführen können, zumal sie weder von Lee noch Luv je gehört haben. Ob Griechenland nun Pleite geht oder unter katastrophalen, da unkontrollierten Bedingungen aus der Währungsunion ausscheidet, die Folgen für ein auf Kredit gebautes Wirtschaftssytem werden verheerend sein. Womöglich werden wir eine Situation erleben, welche den Absturz nach der Subprime-Krise übertrifft. Die anderen europäischen Staaten sind nicht zu einer offenen Revolte bereit.