Notizen Beitrag
»Könnte man meinen«
Eine beispiellose, nationalchauvinistische Tirade im deutschen Fernsehen findet sich in der Anmoderation des heutejournal plus der Mariette Slomka am 22.6.2012:
Guten Abend,
trotz Tor von Lahm kann man sagen: Wenn das Finanzgebaren der Griechen nur halb so solide wäre, wie ihre Abwehr, hätte Europa ein paar Probleme weniger. Auf dem Fußballrasen diszipliniert, im Wirtschaftsleben hingegen Chaos, Schlamperei, Mißwirtschaft – ein paar preußische Tugenden würden da gut tun, könnte man meinen. Aber, Vorsicht vor zu viel Hochmut: Denn mitten in Preußen, in der deutschen Hauptstadt Berlin, kann man all das auch beobachten: Chaos, Schlamperei, Mißwirtschaft. An der Aufgabe einen neuen Hauptstadtflughafen vernünftig zu planen und zu bauen, sind die vorbildlichen Deutschen kläglich gescheitert.
Ergo: »Die Griechen« sind schlampig und undiszipliniert, »die Deutschen« dagegen mit Ausnahmen vorbildlich und tugendhaft. Hier spiegelt sich, könnte man meinen, der strukturelle Rassismus, der jüngst bei deutschen Ermittlern kritisiert wurde. Im aktuellen Spiegel (25/2012, »In Berlin erforschen Wissenschaftler, wie Nationalgefühl produziert wird«) findet sich eine Studie, die zeigt, wie Fußballspiele nationalistische Reflexe auslösen. Reflexe, vor denen anscheinend auch ausgebildete Journalisten nicht gefeit sind.