Magazin Beitrag

Separatisten in der Ostukraine

Einige Hintergründe

Die Berichterstattung zum Bürgerkrieg in der Ostukraine ist von Schwarz-Weiß-Denken geprägt. Die Leitartikler der großen Leitmedien sind sich darin einig, dass Wladimir Putin im Donbass Krieg gegen die Ukraine – ja den Westen – führt. In den alternativen Medien, den sozialen Netzwerken und Leserkommentaren hat sich indes überwiegend die Lesart herausgebildet, dass die „Faschisten“ in Kiew mit Unterstützung des Westens in der Ostukraine Krieg gegen das Volk führen. Ein näherer Blick auf die „Separatisten“, ihre Hintermänner und Vordenker zeigt, dass auch hier Differenzierung angebracht wäre. Im Donezbecken hat auf „prorussischer“ Seite vor allem eine ultranationalistische Soldateska die Fäden in der Hand, von der eine direkte Linie zu den Vordenkern der neuen Rechten in Russland führt. Der Einfluss von Putin auf diese Gruppe ist ziemlich gering. Gestärkt werden ihre Ideologen vor allem von der Konfrontationspolitik des Westens und dem massiven Militäreinsatz der Kiewer Machthaber.

Seit drei Monaten herrscht Krieg in der Ostukraine. Als Reaktion auf die Machtübernahme prowestlicher Kräfte in Kiew, begannen prorussische Kräfte bereits im März damit, Regierungsgebäude in der Ostukraine zu besetzen. Am 7. April riefen die „Separatisten“ die „Volksrepublik Donezk“ aus, am 27. April folgte die Ausrufung der „Volksrepublik Lugansk“, die sich beide am 24. Mai zur Föderation „Neurussland“ (Novorossiya) zusammenschlossen. Seit dem 15. April befinden sich die „Separatisten“ in offenen militärischen Auseinandersetzungen gegen die ukrainische Armee – es herrscht Bürgerkrieg.

Wer hat die Fäden in der Hand?

Anfangs war die politische Debatte in den Separatistengebieten noch von einer leicht chaotischen Mischung aus Basisdemokratie und revolutionärem Aktionismus geprägt, in der die unterschiedlichsten politischen Vorstellungen und Ideologien hinter dem gemeinsamen Ziel zurücksteckten, sich von der Kiewer Zentralregierung loszueisen. Lokale Aktivisten wie Denis Puschilin oder Wjatscheslaw Ponomarjow, die selbst in der Ostukraine kaum ein Mensch kannte, übernahmen per Akklamation die politische Führung der „Separatisten“. Heute sind Puschilin und Ponomarjow bereits Geschichte. Die neuen Führer der „Separatisten“ eint neben ihrer gemeinsamen ultranationalistischen Ideologie vor allem die Nähe zur neuen Rechten in Russland.

  • Pawel Gubarew („Volksgouverneur“ der „Volksrepublik Donezk“)
 

Gubarew kann trotz seines jungen Alters von 31 Jahren bereits auf eine sehr bewegte politische Vergangenheit zurückblicken. Lange war er Mitglied der paramilitaristischen neofaschistischen Partei „Russische Nationale Einheit“ (RNU), deren Parteiemblem aus dem Hakenkreuz und dem Andreaskreuz der kaiserlichen russischen Marine besteht. Später betätigte sich Gubarew – im Zivilleben ein erfolgloser Geschäftsmann – in zahlreichen panslawistischen und ultranationalistischen Kleinparteien. Heute ist er Vorsitzender der „Partei Neurussland“ (Partiya Novorossiya/PN), die am 13. Mai von den Ultranationalisten Valery Korowin, Alexander Prochanow und Alexander Dugin gegründet wurde. Eine auf YouTube veröffentlichte Skype-Konferenz zwischen Dugin und der Frau von Pawel Gubarew, die das Amt der Außenministerin der „Volksrepublik Donezk“ bekleidet, legt nahe, dass Dugin der Familie Gubarew schon seit Beginn der Aufstände Anweisungen erteilt. Pawel Gubarew ist die einzige einflussreiche politische Führungskraft der „Separatisten“, die auch aus den umkämpften Gebieten stammt.

  • Alexander Borodai („Premierminister“)
 

Während Gubarew intellektuell nicht sonderlich beschlagen scheint und eher dem Typ eines „Haudrauf“ entspricht, ist der selbsternannte „Premierminister“ der selbsternannten „Volksrepublik Donezk“ ein vielschichtigeres Kaliber. Als Hardliner 1993 in Russland putschten, gehörte Borodai zusammen mit den Paramilitärs der neofaschistischen RNU zu den Putschisten, die sich in Moskau im Weißen Haus verbarrikadiert hatten. Später betätigte er sich als freiwilliger Kämpfer für prorussische Rebellen in Transnistrien. Während dieser Zeit verdiente Borodai sein Geld als Redakteur bei der rechtsextremen ultranationalistischen Wochenzeitung „Zavtra“ („Morgen“), die von PN-Gründer Alexander Prochanow ins Leben gerufen wurde. 2011 gründete Borodai zusammen mit Prochanow den politisch ebenfalls rechts außen zu verortenden Web-TV-Sender „Den-TV“. Neben seiner journalistischen Arbeit betätigt sich Borodai, nach eigener Aussage, als „Politikberater mit Erfahrungen für ethnische Konflikte“. Borodai ist Russe und lebt in Moskau. Bevor er nach Donezk kam, hat er die neue politische Führung auf der Krim politisch beraten.

  • Igor Girkin (Oberbefehlshaber/Verteidigungsminister)
 

Auch Igor Girkin, der meist unter seinem Kampfnamen „Strelkow“ („der Schütze“) in Erscheinung tritt, ist ein „Revolutionsimport“ aus Russland. Girkin ist – je nach Quelle – ehemaliger Oberst des russischen Inlandsgeheimdiensts FSB bzw. des Militärgeheimdiensts GRU. Dort war er offenbar für die operative Terrorismusabwehr zuständig. Seine militärischen Sporen verdiente er sich (mal im Staatsauftrag, mal auf eigene Faust) in Tschetschenien, Transnistrien und auf dem Balkan, wo er als Freiwilliger auf serbischer Seite im Bosnien-Krieg kämpfte. Girkin werden zahlreiche Kriegsverbrechen vorgeworfen. Auch Igor Girkin war in den 1990ern ein regelmäßiger Autor für Prochanows „Zavtra“ und soll von seinem „alten Freund“ und Kampfgefährten Alexander Borodai im April in den Donbass geholt worden sein.

Verfolgt man die Lebensläufe der politischen und militärischen Führung der Separatisten, so entdeckt man eine klare Linie, die in Richtung Alexander Prochanow und dessen Zeitung „Zavtra“ führt. Wer ist dieser Alexander Prochanow?

  • Alexander Prochanow
 

Zu Sowjetzeiten arbeitete Prochanow als Auslandskorrespondent diverser Zeitungen (u.a. der Prawda) und veröffentlichte seit 1971 zahlreiche Sachbücher und Romane. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion radikalisierte sich auch Prochanow. Er war „das Sprachrohr“ der „Nationalen Front“, die gegen Gorbatschow putschte und gehörte zu den Unterstützern der Putschisten von 1993. Um die „auseinanderfallende russische Gesellschaft“ wieder zu vereinen, propagiert Prochanow eine „zukünftige nationalsozialistische oder auch sozialnationalistische Ideologie“, die „im Kern“ ein „Faschismus wie bei Mussolini – ohne rassistische Aspekte“ sein sollte. Prochanow bezeichnet sich selbst als „traditionellen russischen Imperialisten“ – das „ideale Russland“ ist für ihn ein „euroasiatischer Staat“ mit einem „zentralen und regulierenden“ Volk, den Russen. In Prochanows Welt, haben „liberale jüdische Gruppen“ zunächst den Westen unterworfen und wollen nun auch Russland von innen heraus aushöhlen. Seine Wochenzeitung „Zavtra“ gilt in Russland als das wohl einflussreichste Blatt der neuen Rechten – ultranationalistisch, mit antisemitischen und verschwörungstheoretischen Untertönen.

Doch Prochanow ist nicht „nur“ ein Rechtsextremer. Seine – oft wirre und widersprüchliche – Ideologie ist stets darauf aus, auch „linke“ Strömungen mitzunehmen. So kritisiert Prochanow auch scharf den Einfluss der Oligarchen und prangert soziale Missstände an. Politisch mäanderte Prochanow im letzten Jahrzehnt immer wieder zwischen den Kommunisten, den Ultranationalisten, den Nationalbolschewisten und dem Neo-Eurasismus des Alexander Dugin (dazu später mehr). Es ist daher wohl nicht falsch, Prochanow als einen Querfrontideologen zu bezeichnen. Prochanows Interesse für die Separatisten im Donbass überrascht nicht. Er sieht Russland schon seit längerem „am Vorabend eines großen Krieges“ – gegen den Westen, den „jüdischen Liberalismus“.

  • Alexander Dugin
 

Verfolgt man die Linie weiter, gelangt man über Alexander Prochanow schnell zu Alexander Dugin, bei dem alle Stricke im Geflecht der ostukrainischen Separatisten zusammenlaufen. Dugin ist auch im Westen kein Unbekannter. Erst vor wenigen Wochen sorgte er bei einem Treffen mit Vertretern des französischen Front National und der österreichischen FPÖ in Wien für Aufsehen. In der vorletzten Ausgabe des SPIEGEL bekam Alexander Dugin Platz für ein Interview, um seine kruden und teils hochgradig wirren Thesen zum Besten zu geben.

Der Sohn eines Generals wanderte schon früh auf seltsamen politischen Pfaden. 1980 trat er als 18jähriger einem okkulten Geheimbund namens „Schwarzer Orden der SS“ bei[1] und machte dort als „Reichsführer“ Karriere. Später trat er der rechtsextremen antisemitischen Gruppierung „Pamjat“ („Gedächtnis“) bei und gründete zusammen mit Eduard Limonow die neofaschistische „Nationalbolschewistische Partei Russlands“. 2003 gründete er die von Kritikern als neofaschistisch bezeichnete „Internationale Eurasische Bewegung“. Die Separatistenpartei PN ist somit zwar Dugins jüngster aber keinesfalls erster Ausflug in die Politik.

Dugins Ideologie, der „Neo-Eurasimsus“, ist eine krude Mixtur aus Mystik, Stalin-Nostalgie, orthodoxer Gläubigkeit, Traditionalismus und imperialistischen Großmachtansprüchen. In Dugins Welt ist die jüngere Menschheitsgeschichte durch zwei uralte geheime Orden, die „Atlantiker“ und die „Eurasier“, geprägt, die sich seit Jahrhunderten in einem „okkulten punischen Krieg“ befänden. Dugin predigt die „konservative Revolution“ – ein „authentischer, realer, radikaler, revolutionärer und konsequenter, ein faschistischer Faschismus“[2]. Dabei ist es nicht immer leicht, Dugins Gedankensprünge zu folgen. Mal sehnt er sich ein russisches Imperium in den Grenzen des alten Kaiserreichs herbei, mal schwärmt er von einer „Eurasischen Union“, die neben dem postsowjetischen Raum auch die Türkei, Iran, die Mongolei und einen Teil Osteuropas, Bulgarien „oder“ Serbien mit einschließt. An anderer Stelle schwärmt er wiederum von einem „großen eurasischen kontinentalen Reich“, das von Lissabon bis Wladiwostock reicht.

Was sich für deutsche Ohren verrückt anhört, ist in rechten russischen Kreisen durchaus salonfähig. Dugin ist in rechtsgerichteten TV-Sendungen Dauergast und genießt in Russland auch abseits der Debattierstuben eine gewisse Popularität. An der angesehenen Moskauer Lomonossow-Universität ist er Bereichsleiter der Abteilung „Soziologie der internationalen Beziehungen“ – die Universitätsverwaltung kündigte doch bereits an, dass man seinen Vertrag, der im September ausläuft, nicht verlängern wird. Als Grund dafür werden Dugins Engagement in den Separatistengebieten und damit zusammenhängende Aufrufe zur Gewalt angegeben. Doch Dugin muss sich keine Sorgen um sein Auskommen machen. Er ist bestens vernetzt und verfügt zusammen mit Alexander Prochanow über ein sehr einflussreiches Think Tank – den 2012 gegründeten Isborsky Club.

Die neurechte Intelligenzija und der Isborsky Club

Im Isborsky Club sind namhafte russische Intellektuelle vertreten, die man mit Fug und Recht als Speerspitze der russischen Neuen Rechten bezeichnen kann. Nach Eigenbezeichnung ist er „nationalistisch-patriotisch und antiliberal“ und sehnt sich nach einem „Eurasischen Imperium“. Neben Prochanow, der den Vorsitz des Isborsky Club innehat, und Dugin hat der „Club“ noch zahlreiche andere fragwürdige Mitglieder:

  • Valery Korowin
    Politikwissenschaftler, Direktor mehrerer ultranationalistischer Think-Tanks. Langjähriger Mitstreiter von Alexander Dugin. Autor bei „Zavtra“. Stellvertretende Leiter von Dugins „Internationalen Eurasischen Bewegung“. Korowin sieht das Ideal in einem „kraftvollen, imperialen Staat und einem sozialistischen Wirtschaftssystem“, nennt ausdrücklich den Stalinismus als Vorbild für die Wirtschaftspolitik, lehnt aber dafür Stalins „zu schwachen Staat“ ab.
  • Sergei Glasjew
    Mitbegründer der mittlerweile wegen rassistischer Wahlwerbung verbotenen Partei „Rodina“. Glasjew gilt als Kritiker Putins, der ihn dennoch zum Koordinator für die Zollunion mit Weißrussland und Kasachstan berufen hat. Er fordert einen Präventivschlag Russlands gegen die Ukraine.
  • Leonid Iwaschow
    Iwaschow ist ein ehemaliger General und gilt als (Ultra)Nationalist und als Monarchist. Er ist ein Vertrauter von Alexander Dugin und schreibt regelmäßig für „Zavtra“. Die frühe Sowjetunion sieht er als „jüdischen Staatsstreich“. 2005 gründete er die monarchistisch-nationalistische Organisation „Union der russischen Menschen“. Iwaschow ist im Westen vor allem für seine „knackigen Zitate“ bekannt, die über alternativen Medien publiziert werden.
  • Maxim Kalaschinkow
    Kalaschnikow ist Schriftsteller, Ultranationalist und ein Kritiker Putins, der den Stalinismus verehrt. Er wünscht sich ein „Russisches Reich“, das neben Russland die Ukraine, Teile Weißrusslands, Transnistrien, Abchasien und Südossetien umfasst.
  • Michail Leontjew
    Der TV-Journalist Leontjew ist Gründungsmitglied von Dugins „Internationalen Eurasischen Bewegung“ und Herausgeber der Zeitschrift „Odnako“, für die auch Alexander Dugin schreibt. Er bestreitet, dass es überhaupt eine ukrainische Nationalität gibt und gilt als „Skandalnudel“. Wird daher auch gerne von westlichen Medien als Stichwortgeber gebraucht.
  • Oleg Platonow
    Platonow ist Schriftsteller, Historiker, Verschwörungstheoretiker und Leiter eines Think Tanks. Der Ultranationalist, Antisemit und Holocaust-Leugner verehrt die „Heilige Rus“ und sieht in der Oktoberrevolution einen Plot der „Juden und Freimaurer“. Er kritisiert die Sowjetunion, verehrt aber Stalin, da er „die ersten Schritte machten, Russland vom jüdischen Bolschewismus zu befreien“
  • Mikhail Khazin
    Der Journalist und Ökonom Khazin ist in Russland ein bekannter „Talkshow-Ökonom“. Er betreibt das Portal wordcrisis.ru, über das er in steter Regelmäßigkeit das Ende des Kapitalismus, Weltwirtschaftskrisen, Ölschocks und Hyperinflation voraussagt. Er ist Mitglied des „Obersten Rats“ der „Internationalen Eurasischen Bewegung“.
  • Archimandrit Tichon
    Der Kleriker Tichon ist Archimandrit der orthodoxen Kirche. Nebenbei ist er auch Chefredakteur des erzkonservativen Internetportals Pravoslavie.Ru und gilt als „Putins Beichtvater“. Tichon sieht im „ultraliberalen Westen“ die größte Bedrohung, will zurück zu den „ewigen Werten der orthodoxen Kirche“ und propagiert die „neubyzantinische Idee“.
Die Ultranationalisten sind in Russland nur eine Stimme unter vielen

Es wäre aber falsch, den Isborsky Club (alternativer Name: Institut für dynamischen Konservatismus) nun als Sammelbecken, für Monarchisten, Stalin-Verehrer, Klerikale, Mystiker und Verschwörungstheoretiker zu sehen. Alle hier genannten Personen gehören zur russischen Intelligenzija und sind gesellschaftlich hoch anerkannt. Die Mitglieder dieses exklusiven Vordenkergrüppchen haben drei Schnittmengen:

  • sie lehnen den Individualismus ab und predigen den Kollektivismus
  • sie lehnen nicht nur den Westen, sondern auch die westlichen Werte ab und fordern ein starkes Russland mit erzkonservativen Werten, das sich auch militärisch mit dem Westen messen kann
  • sie übersteigern die russischen Identität zu einem Ultranationalismus und wünschen sich eine Expansion

Genau so falsch ist es, die Position des Isborsky Clubs als offizielle Position Russlands oder als Position Putins darzustellen, wie es westliche Medien sehr gerne tun. Russland ist keine pluralistische Gesellschaft, wie wir sie kennen. Politische Debatten werden in der Regel nicht durch kontrahierende politische Parteien oder über etablierte zivilgesellschaftliche Kräfte, wie beispielsweise die Gewerkschaften geführt. Neben der öffentlichen Debatte, vor allem in den Medien, bestimmten vor allem die Seilschaften hinter den Kulissen die Politik.

 

Als direkten Gegenspieler des Isborsky Club kann hier das nationalliberale Lager gelten, dessen hierzulande wohl bekanntestes Gesicht der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew ist. Die Nationalliberalen treten für eine Modernisierung Russlands ein – sie setzen neben dem (dosierten) Individualismus vor allem auf internationale Verträge und Kooperationen, mit denen Russland der Weg zur Modernisierung geebnet wird. Für die Mitglieder des Isborsky Clubs sind die Nationalliberalen die „sechste Kolonne“ – während die liberale Opposition auf der Straße für sie die „fünfte Kolonne“ darstellt. Dugin fasst diesen Konflikt mit folgenden Worten zusammen: „Die Gesellschaft ist archaisch, die Elite aber modernisiert. Die Elite will die Massen modernisieren, sie verwestlichen, aber die Massen wollen die Eliten russifizieren.“ Darauf begründet er letzten Endes auch seinen Führungsanspruch.

Neben diesen beiden Gruppierungen sind als nennenswerte Einflussgruppen auch noch die Oligarchen und die Silowiki (Vertreter der Armee und der Geheimdienste) zu nennen, deren wohl prominentestes Gesicht Sergej Iwanow, der Leiter der russischen Präsidialverwaltung ist. Putin selbst ist auf ständigen Ausgleich zwischen diesen Machtblöcken bedacht – mal gewährt er den Ultranationalisten Konzessionen, mal den Nationalliberalen, mal hört er auf die Silowiki, mal auf die Oligarchen. Die im Westen populäre Sichtweise, nach der Putin selbst Vertreter einer dieser Machtblöcke sei (meist wird er in die Nähe der Ultranationalisten, oft auch in die Nähe der Silowiki gerückt) ist nicht haltbar.

Putin und die Separatisten – eine Geschichte voller Missverständnisse

Die Separatisten im Donbass sind ein Spielball der Ultranationalisten rund um den Isborsky Club, der erst vor wenigen Tagen in Donezk seine erste „Außenstelle“ eingeweiht hat. Putin selbst hat auf sie keinen nennenswerten Einfluss, ihr Einfluss auf Putin ist umgekehrt jedoch auch marginal. Genährt werden die Ultranationalisten vor allem durch die Konfrontationspolitik des Westens. Wenn man sich den Kampf zwischen den Ultranationalisten und den Nationalliberalen wie ein Pendel vorstellt, dann bewirkt jede Sanktion, jede einseitige Schuldzuweisung und jede konfrontative Geste, dass das Pendel stärker zu den Ultranationalisten ausschlägt. Sie sind die eigentlichen Nutznießer der Konfrontationspolitik. Nun haben die Ultranationalisten den „Beweis“ dafür, dass der Westen Russland aggressiv unterjochen will, Verträge nicht eingehalten werden und Russland alleine dasteht – zumindest sehen dies viele Russen so. Das Kunststück, das nun von Nöten ist, wäre ein Ende der Eskalations- und Konfrontationsspirale. In Moskau wird dieser Wunsch bei allen, die den Ultranationalisten nicht nahe stehen, auf offene Ohren stoßen. Es ist allerdings am Westen, dieses Signal auszusenden. Bleibt es aus, droht eine weitere Stärkung der Ultranationalisten. Fragt sich, ob wir die Geister, die wir riefen, dann noch einmal loswerden?


[«1] Globalisierter Rechtsextremismus?: Die Extremistische Rechte in Der Ära der Globalisierung – herausgegeben von Thomas Greven, Thomas Grumke, Springer Verlag, 2006

[«2] Fascism Past and Present, West and East, Roger Griffin, Werner Loh und Andreas Umland (Hg.), Stuttgart/Hannover 2006