Presseschau Beitrag

Mythen der Krise

Der Darmstädter Soziologe Michael Hartmann kritisiert die Erklärungsmuster der Krise
Strandhäuser auf Long Island: "Das heißt, es hat zwar Gewinner gegeben bei den gesamten oberen 10 Prozent der Bevölkerung, wirkliche Gewinner sind aber nur das oberste Prozent und besonders das oberste Promille der US-Bevölkerung." <br/>Foto von mairob
Strandhäuser auf Long Island: "Das heißt, es hat zwar Gewinner gegeben bei den gesamten oberen 10 Prozent der Bevölkerung, wirkliche Gewinner sind aber nur das oberste Prozent und besonders das oberste Promille der US-Bevölkerung." Foto von mairob

Die Gier der Manager ist schuld. Das System ist schuld. Diese Erklärungsmuster kritisiert der Elitenforscher Michael Hartmann, denn sie werden als unabänderliche Konstanten betrachtet, gegen die wenig getan werden kann, denn Gier ist etwas menschliches. In Wirklichkeit kann der Weg in die Krise nachvollzogen werden, da dieser von Interessen geleitet sei:

Der Zusammenhang zwischen Interessen und Finanzkrise lässt sich an drei zentralen Punkten deutlich machen: Zum einen an jenen vielfältigen Deregulierungsmaßnahmen, die die Spekulation überhaupt erst möglich gemacht haben, zum anderen an der Privatisierung der Altersvorsorge und der enormen Konzentration von Einkommen und Vermögen, die für die Spekulation die notwendigen Summen an Geld zur Verfügung gestellt haben.

Mit der Privatisierung der Altersvorsorge haben Pensionsfonds gewaltige Summen in Hedgefonds investiert und in übertriebener Gewinnerwartung das notwendige Kapital zur Spekulation und für Ankauf und Zerschlagung ganzer Unternehemen zur Verfügung gestellt. Mit den Regierungen von Reagan und Thatcher, in Deutschland mit Schröder sei es zu einer gewaltigen Umverteilung in den Gesellschaften gekommen.  Die entscheidenen Posten dieser Regierungen wurden von Vertretern der Oberschicht besetzt. Die Profiteure waren das »oberste Promille« weit stärker als das oberste Zehntel.

Wenn man wirklich Schlussfolgerungen aus der Finanzkrise ziehen will, wenn man auf dem Finanzsektor strukturelle Veränderungen durchsetzen will, die eine Wiederholung einer Krise in diesem Umfang verhindern sollen, dann muss man sich zwingend mit den Interessen derjenigen auseinandersetzen, die von der Entwicklung in den letzten 20 Jahren profitiert haben. Man kann nicht hoffen, dass allein die Kraft der guten Argumente in den nächsten Jahren alles zum Guten wenden wird.