In den letzten Tagen schlugen Berichte [6] hohe Wellen, nach denen Griechenland aus der gemeinsamen europäischen Währung austreten könnte. Das geschieht vor dem Hintergrund einer explodierenden Staatsschuld und einer anhaltenden Rezession in Hellas. 2009 lag das Defizit bei ca. 15 und im vergangenen Jahr bei gut 10 Prozent. Ein Hilfspaket von 110 Mrd. Euro im letzten Jahr hat die Lage nicht stabilisieren können – genausowenig wie drastische Sparmaßnahmen und wie vorraussichtlich auch die geplanten Privatisierungen mit einem Volumen von etwa 50 Mrd. Euro.
Nun haben sich die Finanzminister ausgewählter Länder [7] – nämlich die wirtschaftlich besonders stabilen um Deutschland, Frankreich und die Niederlande – bei einem reichlich ominösen Treffen in Luxemburg über ein gemeinsames Vorgehen in dem Fall abgestimmt. Vor allem Deutschland ist offenbar daran interessiert, Griechenland im Euroraum zu halten. Der mutmaßliche Grund: Deutsche Privat- und Staatsbanken sind mit umfangreichen Krediten engagiert. Und die wären bei einer Umstellung auf die Drachme und einer unweigerlich folgenden Abwertung massiv gefährdet.
Man kann es drehen, wie man will: Irgendwer muss am Ende die Zeche der griechischen Krise bezahlen. Das sind heute schon die Griechen selbst, indem ihr Staat die Sparschrauben heftig angezogen hat. Ob das ein Ausweg ist, darf stark bezweifelt werden, schließlich wurde die ohnehin schwächelnde Konjunktur komplett abgewürgt, um über fünf Prozent ging das BIP letztes Jahr zurück. Auch die anstehenden Erlöse der Privatisierungen sind kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, werden aber langfristig die Handlungsfähigkeit des Staates deutlich einschränken.
Dass die EZB und der IWF dem Land mit kräftigen Finanzspritzen unter die Arme griffen, ist zunächst einmal positiv zu bewerten. Nur war erstens da das ganze Ausmaß der Krise noch nicht abzusehen und die Rettungsaktion deshalb nicht ausreichend. Zudem war sie an harte Bedingungen geknüpft, die aus dem überlebten Arsenal neoliberaler Ansätze stammen – eben sparen und privatisieren.
Nun ist die Frage zu stellen, ob nicht auch die Gläubiger ihren Teil beitragen sollten. Der Weg dafür ist klar: Eine Umschuldung [8], an deren Ende nicht nur eine Laufzeitverlängerung der Kredite bei gesenktem Zinssatz stehen sollte, sondern auch die Verringerung der Gesamtlast. Das beträfe dann nämlich nicht nur den europäischen Steuerzahler, sondern auch private Anleger. Ob sich das politisch durchsetzen lässt, bleibt natürlich abzuwarten. Jedenfalls weist der Luxemburger Klüngel vom Freitag nicht gerade in diese Richtung. Und das scheint besonders bedenklich zu sein: Hier geht es keineswegs mehr um ein abgestimmtes Vorgehen aller Euroländer, sondern offenbar nur noch darum, wie die Starken den Schwachen ihren Willen aufzwingen können. Falls es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Sonntagsreden über ein gemeinsames Europa wenig mit den knallharten Interessen der Beteiligten zu tun haben: Voilà!
Und davon mal abgesehen: Wir wollen bei der ganzen Aufregung nicht vergessen, dass Deutschland bisher der größte Profiteur [9] des Euros war und wohl auch in Zukunft bleiben wird. So stiegen die Exporte in andere Länder der Währungsunion zwischen 1999 und 2007 um durchschnittlich 7,5 Prozent jährlich und damit deutlich stärker als im Jahrzehnt zuvor. Auch das Saldo aus Verkäufen und Importen entwickelte sich zu einem immer satteren Überschuss.
Die nachgerade hysterische Hetze des Boulevards gegen »faule Griechen«, die uns über Nettozahlungen an den EU-Haushalt und jetzt auch noch die Rettungsmaßnahmen das schwer verdiente Geld aus der Tasche ziehen, entbehrt also nüchtern betrachtet jeder Grundlage. Denn erstens kauften sie jahrelang brav unsere Waren – übrigens auch selbst in der Krise noch deutsche Militär-Uboote [10]. Die hochmodernen Brennstoffzellen-Boote kosten nicht nur mehrere Milliarden; auf deutschen Druck hin weitete die griechische Marine den Auftrag sogar aus. Anscheinend als Gegenleistung für das Rettungspaket 2010. Zweitens könnten im günstigsten Fall sogar die aktuellen Hilfen durchaus Profit abwerfen: Denn diese Kredite bezahlt Griechenland mit 5 Prozent Zins, der deutsche Finanzminister muss aber für seine Anleihen nur etwa 2 Prozent hinlegen. Freilich funktioniert dieses Geschäft nur unter der Voraussetzung, dass irgendwann das Geld auch zurückgezahlt werden kann.
Aber noch einmal: Selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, sind die wirtschaftlichen Vorteile des Euros für die hiesige Ökonomie kaum zu überschätzen. Letztlich ist genau dieses Ungleichgewicht in punkto Wettbewerbsfähigkeit eine der zentralen Ursachen der momentanen Krise im Süden Europas. Eine dauerhafte Stabilisierung dieser Länder ist deshalb nur denkbar, wenn hier eine für alle Seiten akzeptable Lösung gefunden wird. Erforderlich wäre also zunächst einmal, die deutsche Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre zu überdenken: Ist es wirklich der Weisheit letzter Schluss, ausschließlich auf den Export zu vertrauen, gleichzeitig die Löhne real stagnieren zu lassen und so den Binnenmarkt mattzusetzen? Langfristig können andere nämlich unsere Waren nur bezahlen, wenn auch sie verkaufen. Genau diese im Grunde simple Tatsache wurde aber sträflich vernachlässigt. Die Zeche ist jetzt zu zahlen. Fragt sich nur, von wem.
Links:
[1] http://dasdossier.de/taxonomy/magazin/1756
[2] http://dasdossier.de/stichwort/euro
[3] http://dasdossier.de/stichwort/iwf
[4] http://dasdossier.de/stichwort/ezb
[5] http://dasdossier.de/nutzer/axel-weipert
[6] http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,761209,00.html
[7] http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/anleihen-devisen/:griechenland-in-not-europa-kaempft-wieder-gegen-die-staatspleitenpanik/60048770.html
[8] http://www.tagesschau.de/ausland/finanzkrisegriechenland102.html
[9] http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,744027,00.html
[10] http://www.heise.de/tp/artikel/32/32961/1.html