Presseschau Steuern

Auf dem falschen Auge blind

Zur Praxis der Steuerverwaltung

Arbeitnehmer werden vom Finanzamt nahezu lückenlos geprüft, da alle relevanten Daten automatisch gemeldet werden. Hinzu kommt, dass spezielle Software eingesetzt wird, um mögliche Betrugsfälle schnell erkennen zu können.

Anders sieht es bei Selbstständigen und Unternehmen aus. Deren umfangreiche Unterlagen werden nur selten genauer durchleutet. Grund ist die dünne Personaldecke der Ämter. Und das, obwohl jede Prüfung hier im Schnitt 100.000 Euro zusätzliche Steuern erbringt. Ein einzelner Prüfer erwirtschaftet pro Jahr etwa ein bis 1,5 Millionen Euro - doch nur ein Teil davon bleibt dem zuständigen Bundesland, der Rest wandert in die Bundeskasse oder in den Länderfinanzausgleich. Dennoch bleibt der Eindruck, dass auf diesem Weg Reiche gezielt bevorzugt werden und so dem Staat jährlich Milliardensummen an Einnahmen entgehen.

Umdenken in Redaktionsstuben

Zur Umverteilung

Alexander Hagelüken plädiert in der Süddeutschen Zeitung für eine Umverteilung mit Hilfe des Steuersystems: Erbschaften, große Einkommen und Kapitalerträge sollten stärker besteuert werden, um mit diesen Einnahmen geringere Einkommen zu entlasten. Zur Begründung heißt es, das alte Dogma, Umverteilung führe unweigerlich zu weniger Wachstum, sei überholt. Gerade das Beispiel USA zeige, welch fatale Folgen eine einseitige Orientierung an den Interessen der Reichen habe.

Mythos Kapitalflucht

Steuern und Vermögen

In Deutschland wurde in den Jahren seit 1995 die Vermögensteuer abgeschafft, die Erbschaftsteuer zugunsten der Firmenerben wesentlich reformiert und der Spitzensatz der Einkommensteuer von 56 auf 42 Prozent verringert. Das blieb nicht ohne Folgen: Die Ungleichheit der Vermögensverteilung nahm deutlich zu. Als Begründung für diese Politik wird häufig angeführt, nur so sei die Kapitalflucht ins Ausland zu verhindern.

Diese Argumentation hinkt jedoch. Zunächst sind keineswegs alle Firmen in der Lage, ihren Sitz dorthin zu verlegen. Vor allem aber sind in den allermeisten westlichen Ländern die entsprechenden Steuern, gemessen an ihrem Anteil am Bruttoinlandsprodukt, wesentlich höher, ohne dass es in diesen Staaten zu der befürchteten Kapitalflucht gekommen ist. In vergleichbaren Ländern wie Frankreich und Großbritannien beispielsweise sind die Sätze mehr als dreimal so hoch wie in Deutschland.

Informeller Boom

Peru wächst - und wählt
Miraflores: Boomviertel in Lima <br/>Foto von SimplyTedel
Miraflores: Boomviertel in Lima Foto von SimplyTedel

Dank umfangreicher Rohstoffvorkommen und einer expandierenden Landwirtschaft wächst die peruanische Wirtschaft seit Jahren beträchtlich. Nun stehen die Präsidentschaftswahlen an. Amtsinhaber Alan García wird nicht mehr kandidieren.

Auf seinen Nachfolger warten aber große Herausforderungen: Denn die meist ausländischen Bergbauunternehmen verdienen zwar prächtig, zahlen aber lediglich 3 Prozent Steuern. Und damit wandert der Löwenanteil in fremde Taschen – übrigens seit 500 Jahren eines der Hauptprobleme des Landes. Hinzu kommt, dass Wasser immer knapper wird und die Arbeitsplätze zu etwa 70 Prozent informell sind. Die Beschäftigten haben so keinen Anspruch auf soziale Absicherung, Ferien und oft bekommen sie nicht einmal den Mindestlohn. Das staatliche Bildungssystem gilt als eines der schlechtesten weltweit. Und abseits der Metropole Lima sind die Menschen zum Teil extrem arm.

»Ein unternehmerischer Staatsstreich«

Die britische Regierung macht Geschenke an Konzernbesitzer
Kirchenturm alt und neu. <br/>Bild von Steve Walesch
Kirchenturm alt und neu. Bild von Steve Walesch

Die britische Regierung unter David Cameron streicht Konzernen Steuern, um »die Wirtschaft wieder aufzubauen.« Die Parteizugehörigkeit Camerons zu erwähnen, wie in Berichterstattungen üblich, ist überflüssig. Denn Raub als Wirtschaftspolitik, oder besser Geldtransfer von den unteren 98% der Gesellschaft zu den oberen zwei, um 'die Wirtschaft anzukurbeln,' war schon unter dem 'Sozialdemokraten' Tony Blair Credo. Wenn ein Konzern, der ja von steuerfinanzierter Infrastruktur, Rechtssicherheit usw. profitiert, keine Steuern zahlen muss, wird sein Anteil an öffentlicher Verantwortung von anderen bezahlt. Es findet also ein Vermögenstransfer statt – von denen, die Steuern zahlen zu denen, die Konzerngewinne einstreichen, die oberen Prozente der Gesellschaft. Weiterlesen … »

Die neue Politik

Wie man Wähler behalten will, ohne sie zu vertreten

Als die Finanzkrise vor einem Jahr ihren Höhepunkt erreichte, forderte ein gesellschaftlich breites Bündnis aus Verbänden, NGOs, Gewerkschaften, kirchlichen und privaten Wohlfahrtsorganisationen, Finanztransaktionen zu besteuern. Anders als auf althergebrachte Arten von Handel sind darauf bis heute keine Steuern fällig. Bei dem Versuch, diese Stimmen einzufangen, verkündeten die Kanzlerin und der Finanzminister lauthals, nicht zu ruhen bis eine solche Finanztransaktionssteuer (FTS) eingeführt sei. Beim CDU-Wirtschaftsrat bemerkt der Finanzminister dann, dass er »kein Freund« der FTS sei. Vor zwei Wochen nun wurde das Vorhaben beim Rat der EU-Finanzminister auf unbestimmt vertagt, wird also verschleppt.

Auch dafür kann die EU gut sein: Sich bei den Wählern empfehlen, indem man vorgeblich deren Forderungen in seine politische Agenda aufnimmt und dieses Projekt dann eine Ebene höher in Brüssel scheitern lässt. Somit kann man die ungewollte Finanztransaktionssteuer verhindern, gleichzeitig aber die Anwaltschaft seiner potentiellen Wähler vortäuschen, schließlich hätte man es ja versucht, die Schuld für das Scheitern liege bei der EU.

Wer finanziert den Staat?

Eine Materialsammlung

Steuern und Abgaben sind immer wieder ein kontrovers diskutiertes Thema. Doch wer zahlt eigentlich am Ende tatsächlich wie viel? Das ist bei einem so komplexen Steuersystem wie dem deutschen nicht so einfach zu ermitteln. Wolfgang Lieb von den Nachdenkseiten hat sich einmal die lobenswerte Mühe gemacht, entsprechendes Material zusammenzutragen. Und kommt dabei zu interessanten Ergebnissen:

Der Anteil der Steuern, die vor allem die Bezieher mittlerer und niedriger Einkommen aufbringen, ist in den vergangenen Jahrzehnten ständig gewachsen. Solche mittlere und niedere Einkommen erbrachten 1960 knapp 38 Prozent des gesamten Steueraufkommens. 2006 waren es bereits 70 Prozent. Der Anteil aller Gewinnsteuern sank im gleichen Zeitraum von 35 auf 20 Prozent.

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