Presseschau Schichten

Frieden aus Schwäche?

Zum Zustand der ukrainischen Streitkräfte

In den letzten Tagen zeichnet sich ab, dass es in der Ukraine trotz einzelner anhaltender Gefechte zu einem dauerhaften Waffenstillstand und einer dringend erforderlichen politischen Lösung kommen kann. Diese positive Entwicklung basiert aber mutmaßlich auch auf einer strukturellen Schwäche der bewaffneten Kräfte Poroschenkos. Ein militärischer Sieg der Kiewer Regierung rückte zunehmend in weite Ferne.

Die Ursachen dafür sind vielfältig, wie eine aktuelle Studie zeigt. Dazu zählen die chronische Unterfinanzierung der ukrainischen Armee, die für einen solchen Konflikt schlicht nicht vorbereitet war. Hinzu kommt ein komplexes Gegeneinander der einzelnen bewaffneten Organe wie Armee, Inlandsgeheimdienst und Grenzschutz sowie ein Überlaufen einzelner Einheiten auf die Seite der Separatisten. Die grassierende Korruption im staatlichen Apparat verschärft die Probleme weiter. Besonders brisant sind die von einzelnen Oligarchen finanzierten Milizen. Diese entziehen sich nicht nur der Regierungskontrolle, sie verfolgen wohl auch die jeweilige Agenda ihrer Geldgeber. Damit könnten sie selbst im Fall einer dauerhaften Waffenruhe eine ernsthafte Gefahr für die innere Sicherheit und letztlich für die Demokratie werden.

 

Das Rote Berlin

Ein Lesetipp
Das Rote Berlin

„Berlin gehört uns!“ – Das konnte August Bebel voller Stolz verkünden. Über viele Jahre hinweg war die Arbeiterbewegung hier tatsächlich die größte der Welt. Das Rote Berlin behandelt diese Geschichte von ihren Anfängen im 19. Jahrhundert bis zum Dritten Reich. Spannend geschrieben, ohne dabei auf historische Genauigkeit zu verzichten. Das Rote Berlin will Geschichte durch Geschichten verständlich machen und setzt kein umfassendes Vorwissen voraus. Sicher wird aber auch der Kenner der Stadtgeschichte auf bisher unbekannte Episoden und Fakten stoßen.

Weit über Deutschlands Grenzen hinaus wurde die Berliner Arbeiterbewegung als Vorbild angesehen. In dieser Darstellung werden ihre Breite und ihr Facettenreichtum deutlich. Die Entwicklung von Parteien und Gewerkschaften wird ebenso gewürdigt wie spontane Aktionen und das soziale und kulturelle Milieu. Neben Sozialdemokraten, Anarchisten und Kommunisten geht es auch um die berüchtigten Rehberger und Wilden Cliquen, um die revolutionären Obleute und rebellierende Arbeitslose, um die Blumenstraßenkrawalle, den Bierboykott, die Rote Insel oder den Arbeitersport. Denn all das war Teil der Arbeiterbewegung. Sie war kein monolithischer Block, sondern ein vielschichtiges Gebilde von einander ergänzenden, manchmal auch miteinander rivalisierenden Teilen.

Wohlstand für alle?

Die Schere geht auseinander in Deutschland

Seit vielen Jahren entwickeln sich die sozialen Schichten auseinander, das zeigen zahlreiche Studien ganz eindeutig. Die Umverteilung und Anhäufung gigantischer Vermögen wurde durch eine Politik gefördert, die den obersten zehn Prozent enorme Vorteile bescherte - und zwar von allen Regierungen, seien sie nun schwarz-gelb, rot-grün oder rot-schwarz. Ein Film des ZDF zeigt einige Ausschnitte aus einer Gesellschaft, in der Reichtum nicht nur wächst, sondern sich auch reproduziert. Denn schon in der Kita greifen Selektionsmechanismen, die dafür sorgen, dass sich an der Spaltung zukünftig nichts ändert. Auf der anderen Seite verlieren Menschen ihre Jobs, ihre Perspektive und zuletzt auch ihre Würde. Und sie haben nicht Teil an Vielem, was das Leben lebenswert macht. Weiterlesen … »

Intellektuelles Proletariat

Zwischen Karrierehoffnung und Prekarisierung

Rund 400.000 wissenschaftliche Hilfskräfte und Mitarbeiter arbeiten im deutschen Hochschulsystem. Sie geben Kurse für Studenten, kopieren Bücher für ihre Chefs, die Professoren, und helfen auf vielfältige Weise dabei, den Betrieb am Laufen zu halten. Die Bezahlung ist eher gering, die Arbeitsbelastung dagegen hoch. Dennoch sind die Jobs beliebt, denn sie scheinen ein Karrieresprungbrett zu sein. Oft genug geht dieser Traum aber nicht in Erfüllung, wie Christian Schneickert mit einer umfangreichen Studie festgestellt hat. Neben der geringen Zahl an verfügbaren Stellen für fertig ausgebildete Wissenschaftler kommt noch ein weiteres Problem hinzu:

Aber natürlich ist klar, dass sich viele Erwartungen langfristig nicht erfüllen werden. Nach dem Examen oder der Promotion geht es nicht automatisch im Traumjob weiter. Der Grund ist ganz einfach und lässt sich wieder mit Bourdieus Feld-Theorie beschreiben. Die Anzahl der Stellen, die hochqualifiziert, hervorragend bezahlt und obendrein noch mit gesellschaftlicher Anerkennung verbunden sind, liegt weit unter der Zahl der Absolventen und Promovenden. Will sagen: die Bewerberinnen und Bewerber sind da und haben eigentlich nichts falsch gemacht. Es fehlen nur die entsprechenden Beschäftigungsangebote. Und hier spielt dann die soziale Herkunft doch wieder eine erhebliche Rolle.

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Wie kritisch sind Journalisten?

Eine Untersuchung zu Elitenetzwerken

Uwe Krüger hat eine umfangreiche Studie vorgelegt, in der er die Verbindungen von einflussreichen Journalisten zu politischen Netzwerken untersucht. Jeweils eine Person der Leitmedien FAZ, Die Zeit, Die Welt und Süddeutsche Zeitung werden dabei untersucht, exemplarisch mit Blick auf die Außen- und Sicherheitspolitik. Dabei wird deutlich, wie eng diese Journalisten mit anderen Eliten verzahnt sind. Und mehr noch: Es zeigt klar, wie weit sich die Sichtweisen und Argumentationen beider Gruppen decken. Dem Idealbild von kritischer, distanzierter Darstellung genügt das kaum, wie der Autor festhält:

Ihr Bild von Bedrohungen und Konflikten war ebenso eindimensional und nicht reflexiv wie das in den offiziellen Doktrinen. Stellenweise verwendeten v.a. Kornelius und Joffe Propagandatechniken, wobei offenbleiben muss, ob sie dies bewusst oder unbewusst taten. Die Argumentation der vier Journalisten ist zusammenfassend als unkritisch bis persuasiv zu qualifizieren; Gegenargumente zum offiziellen Diskurs wurden kaum diskutiert.

Im Jobwunderland

Verfrühtes jubeln?
Im Jobwunderland

Kanzlerin Merkel ist sich mit ihren Ministern einig: In Deutschland findet gerade ein Jobwunder statt, die Lage ist rosig. Doch was versteckt sich hinter den Erfolgsmeldungen vom Arbeitsmarkt? Panorama stellt drei Menschen vor, die den Zahlen ein Gesicht geben. Eine Wissenschaftlerin, die sich von Befristung zu Befristung hangelt, ein scheinselbstständiger Bauarbeiter und ein Feinmechaniker in der Leiharbeit. Sie arbeiten unter unterschiedlichen Bedingungen, aber doch alle prekär. Eine langfristige Lebensplanung ist so nicht möglich. Ja, mehr noch: Krankheiten werden aus Angst vor Kündigung nicht behandelt, die Familie leidet mit. Dass die Bezahlung meist eher gering ist, versteht sich fast von selbst. Über acht Millionen untypische Beschäftigungen gibt es hierzulande, davon fast eine Million Leiharbeiter. Und die Tendenz steigt, denn rund 75 Prozent aller neuen Stellen werden in diesen Bereichen geschaffen.

Leben im Elend

Roma kommen aus Südosteuropa nach Deutschland – und landen in der Prostitution
Siedlung in Bulgarien
Siedlung in Bulgarien Bild von Michi

Roma haben in Südosteuropa einen schweren Stand – viele verloren nach Ende des Kommunismus ihre Arbeit und leben am gesellschaftlichen Rand. Daher kommen viele in der Hoffnung auf Arbeit in den Westen. Aber auch in Deutschland dürfen sie nur als Selbstständige arbeiten. Edeltraud Remmel und Esat Mogul zeigen in einer Dokumentation, wie viele Frauen daher in die Prostitution rutschen und auch in Deutschland – hier in Dortmund – in völligem Elend leben. Weder in Bulgarien noch in Deutschland bestehen ausreichende Ansätze, diese Minderheit zu integrieren und Perspektiven aufzuzeigen. Insofern sehen die Autoren darin ein europäisches Problem. In Bulgarien geraten die Roma in ihrer Siedlung gar unter Druck durch Anschläge von Rechtsradikalen.

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