Presseschau Berlin

Die Gernegroßschreiber

Ein Putsch, der uns noch fehlt

Als selbstgerecht und autoritär erscheinen Tom Schimmeck einige leitende Figuren der deutschen Medienlandschaft, darunter Dirk Kurbjuweit (Spiegel), Kai Diekmann (Bild), Gabor Steingart (Handelsblatt), Rainer Hank (FAS), Matthias Matussek (Spiegel) und Josef Joffe (Zeit): Diese Gernegroßschreiber fühlen sich als heimliche Herrscher der öffentlichen Meinung der Republik. Daher erzählt Schimmeck, wie diese sich durch einen »Presseputsch« als neue Junta der Bundesrepublik einsetzen, um der Demokratie entgültig den Garaus zu machen. Lesenswert und amüsant.

Die militärische Abriegelung der nicht an der Machtübernahme beteiligten Pressehäuser werde aufrechterhalten, „bis das Vaterland gefestigt ist“. Die Sperrung des Internets hingegen könne bereits in der kommenden Woche gelockert werden, so Matussek – »schon damit ich wieder bloggen kann.«

Stille Post

Wie Medien und Politik eine Bombe erfinden
Kurz vor der Exposion der "Splitterbombe"
Kurz vor der Exposion der "Splitterbombe"

Auf der Demonstration des Bündnisses Wir zahlen nicht für Eure Krise am 12.6. in Berlin explodierte ein unbekannter Gegenstand direkt neben zwei Polizisten, die dadurch verletzt wurden. Eine Phalanx von Medien und Politik spricht auf einmal von einer »Splitterbombe«, die Bildzeitung von einem »Bombenanschlag«, es wird eine Nähe zum Terrorismus gesehen, Bundesinnenminister de Maizière sieht im Bundestag die Demokratie bedroht. Doch mit ein wenig Internetrecherche hätte sich rausfinden lassen, daß es sich mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit um Pyrotechnik handelt, die in Deutschland nicht erhältlich ist. Die taz hat sich um Aufklärung bemüht und nachgezeichnet, wie durch schlechte Recherche und stille Post eine Falschmeldung produziert wird, die bis in den Mund des Bundesinnenministers gelangt. Weiterlesen … »

Legitimation und Legalität

Eine kleine Geschichte der Berliner Häuserkämpfe
Mainzer Straße 1990 <br/>Foto von Renate Hildebrandt
Mainzer Straße 1990 Foto von Renate Hildebrandt

Die westberliner Hausbesetzer der 80er Jahre sind ein Mythos, der in den 90er Jahren im Osten eine Neuauflage erfuhr. Durch die Besetzungen wurde das Ende der Flächensanierung durch Abriß ganzer Straßenzüge eingeläutet und neue Anstöße in der Stadtplanung gegeben. Dabei wurde ein Kampf um öffentliche Legitimation zwischen Besetzern und Stadtverwaltung ausgetragen, meinen Andrej Holm und Armin Kuhn in ihrer kleinen Geschichte der Berliner Häuserkämpfe. Die Besetzer erreichten öffentliche Unterstützung durch die Nutzung des Leerstands bei gleichzeitiger Wohnungsnot, während der Senat an einem Korruptionsskandal zerbrach. Die Stadt unter Vogel und später Weizsäcker antwortete mit einer Befriedungsstrategie, die Besetzungen legalisiert oder räumt; dadurch wurde die soziale Bewegung erfolgreich in zwei Lager gespalten.

Anhalten und Weiterfahren

Abseits der öffentlichen Diskussion um sexuellen Mißbrauch werden die strukturellen Probleme nicht angegangen

Die Dokumentation der NDR-Sendung 45 Min Sexobjekt Kind deckt die strukturellen Probleme der deutschen Justiz und Öffentlichkeit im Umgang mit sexuellem Mißbrauch bei Kindern auf. Die Fälle in Internaten stellen nur einen Bruchteil der Fälle dar – die Mehrzahl findet im familiären Umfeld oder bei Kindern statt, die zu wenig Aufmerksamkeit bekommen und daher leicht anzusprechen sind. Weder gibt es genügend Prävention durch Therapie, noch kennt die deutsche Justiz eine ausreichende Antwort: Es mangelt an Gutachtern und Therapien, die Ermittler schaffen nicht die Sichtung der Berge an Material; dem Staat sei das Wohl der Kinder egal. Weiterlesen … »

Offener Raum

Pariser Künstler in Berlin

Die taz berichtet über das Phänomen Pariser Künstler, die in Berlin leben und arbeiten. Im Gegensatz zur geschlossenen Gesellschaft in Frankreich biete Berlin mehr Möglichkeiten und eine offenere Gesellschaft:

Es ist das soziale Kapital, die Szene, der Diskurs, die den Künstler in einer ökonomisch schwachen Stadt wie Berlin stark machen.

Derzeit komme eine zweite Welle französicher Künstler nach Berlin, nachdem die Amerikaner die Stadt schon in den 90er Jahren endeckt hätten.

Trübe Aussichten

Wie geht es weiter mit der Berliner S-Bahn?

Das diesjährige Desaster bei der S-Bahn sei nur die »Spitze des Eisbergs«, meint Hans-Werner Franz, der Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB). Daneben gebe es noch andere technische und organisatorische Probleme. Zurückzuführen ist diese Situation auf die Sparpolitik im Interesse einer Renditesteigerung des Eigentümers Deutsche Bahn AG.

Nun kommen aufgrund der komplizierten Vertragssituation mehrere Optionen für die Politik in Frage: Zum Beispiel eine komplette Neuausschreibung oder die Gründung einer landeseigenen Betreibergesellschaft. Allerdings sind diese Möglichkeiten entweder teuer oder schwierig umzusetzen. Und die Zeit wird knapp.

Die verpasste Chance

Die Architektur des Berliner Baubooms
Raum für Neues. Potsdamer Platz vor Neubebauung 1994 <br/>Foto von GothPhil
Raum für Neues. Potsdamer Platz vor Neubebauung 1994 Foto von GothPhil

Gottfried Knapp schaut in der Süddeutsche Zeitung zurück auf den Bauboom in Berlin seit der deutschen Einheit und ist ernüchtert über die Mittelmäßigkeit der Ergebnisse selbst der Stararchitekten. Statt architektonischer Vielfalt haben die Investoren unter Konkurrenzdruck ihre ästhetischen Kategorien nach unten korrigiert. Ähnlich sieht dies die Starachitektin Zaha Hadid im Interview. Sie sieht in Berlin eine »rückwärts gewandte Dinosaurier-Architektur« und eine »verpasste Chance«.

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