Meine Stadt, Deine Stadt
Ein Trend eint viele europäische Metropolen: Künstler nutzen brachliegende oder verarmte Stadtviertel als günstigen Wohn- und Arbeitsraum. Durch den kreativen Charme werden diese Quartiere für Investoren erst interessant. Deren Spekulation mit und Investitionen in den Stadtraum führen zu sprunghaften Mietsteigerungen. Am Ende können sich weder die Künstler noch die ansässige Bevölkerung die Mieten noch leisten. Die Künstler ziehen in ein anderes Viertel und das Spiel beginnt von vorn. Claudia Dejá hat auf Arte in einer knappen Stunde einen Vergleich zwischen London, Paris, Hamburg und Berlin gezogen. Dieses als Gentrifizierung bezeichnete Phänomen wird zur Zeit heiß diskutiert. Der Beitrag ist anschaulich, läßt jedoch analytische Tiefe vermissen. Weiterlesen … »
Kampf ums Wasser
1999 wurden vom damaligen CDU-SPD-Senat 49,9% der Anteile an der Berliner Wasserversorgung an die beiden Konzerne Veolia und RWE verkauft. Das umfangreiche Vertragswerk regelt unter anderem auch die garantierte Mindestrendite der privaten Anteilseigner. Als Folge davon stieg der Wasserpreis seit 2004 um 35%.
Mehrere Initiativen haben sich nun für eine Offenlegung dieser Verträge und langfristig für eine Rekommunalisierung eingesetzt. Am kommenden Sonntag steht ein Volksentscheid zum ersten Anliegen bevor. Für einen Erfolg sind 615.000 Ja-Stimmen erforderlich. Zwar sind Teile der Vereinbarungen inzwischen veröffentlicht worden, doch noch immer sind viele Fragen ungeklärt. Eine vollständige Transparenz kann also nur von Vorteil sein.
Brandbeschleuniger
Der Bundesinnenminister warnte im November eindrücklich vor der Gefahr von Terroranschlägen in Deutschland. Quellenlage und Seriösität der Warnungen blieben unbekannt, ein Anschlag blieb bislang aus. Doch seit dem Sommer hat es bereits 6 Brandanschläge gegeben – auf Moscheen in Berlin. Bisher entstand nur Sachschaden, Menschen wurden nicht verletzt. Das Online-Portal Migazin, das sich die bessere Kommunikation zwischen Migranten und Ureinwohnern in Deutschland auf die Fahnen geschrieben hat, berichtete über die Anschlagsserie: Die Frage steht im Raum, ob die aktuelle Debatte über Migration eine eskalierende Rolle spielt. Auf der anderen Seite erstaunt das geringe Medienecho im Vergleich zur Migrationsdebatte sowie den Terrorwarnungen. Kritisiert wird, daß islamfeindliche Gewalt bislang in der Kriminalstatistik nicht ausreichend erfaßt wird. Eine Studie der Uni Münster stellte eine hohe Islamfeindlichkeit im europäischen Vergleich in Deutschland fest.
Grünes Berlin
Der Aufschwung der Grünen bei Umfragen ist momentan in aller Munde: Stuttgart 21, Ausstieg aus dem Atomausstieg, überall können die Grünen punkten. Renate Künast will nun erste grüne Landeschefin werden. Doch was will sie sonst eigentlich?
Ihre Bewerbungsrede geriet zu einer diffusen Proklamation von bekannten Wahlkampfslogans. Möglichst wenig konkretes schön verpacken, lautet wohl die Devise. Letztlich, meint Christoph Villinger, geht es darum, in der bürgerlichen »Mitte« der Gesellschaft anzukommen:
Die klassischen Wählermilieus, die seit dem Bestehen der Bundesrepublik CDU und SPD tragen, zerfallen immer weiter. In diesem Prozess präsentieren sich die Grünen verstärkt als politische Vertreter einer neuen bürgerlichen Klasse, die auf ganz neue Art »Ruhe und Ordnung« garantieren will.
Weg vom Hofstaat
Kampangnenjournalismus statt kritische Berichterstattung: Die allzu große Nähe vieler Medien zur Politik und zur Macht erfährt wachsende Kritik. Viele Journalisten schauen lieber nicht genau hin, um sich ihre guten Kontakte in der Berliner Republik nicht zu verbauen. So fehlt es nicht nur an Distanz zur Macht, sondern auch an ausreichender Analyse, welche über die »Aneinanderreihung von kurzfristigen Beobachtungen« hinausgeht. David Goeßmann hat sich im Deutschlandfunk für eine Bestandsaufnahme des politischen Journalismus in der Medienrepublik umgetan. Dazu hat er Journalisten und Medienwissenschaftler befragt.
Kampf um Symbole
Als berechtigt und zugleich rückwärtsgewandt sieht Jan Füchtjohann in der Süddeutschen Zeitung die Proteste gegen Aufwertung von Stadtteilen. Die künstlerische Avantgarde, die sich in Hamburg und Berlin den Protesten anschließt, habe keine neuen Konzepte zur Gestaltung der Städte. Eine »Dämonisierung« der Proteste erkennt der Stadtsoziologe Andre Holm auf seinem Blog in diesem Beitrag:
Die Argumente von Jan Füchtjohann sind mit flotter Feder formuliert – aber mindestens so oberflächlich wie seine etwas verschrobene Kurzzusammenfassung der bisherigen Gentrification-Forschung.
Weiterlesen … »
Gewalt mit System
Bei einer Demonstration gegen einen Naziaufmarsch vor knapp 4 Jahren in Berlin wurde ein Student bei der Festnahme so stark verletzt, daß er einen Schädelbruch erlitt. In dem folgenden Prozess behaupteten die beschuldigten Beamten, der Student sei vermummt gewesen und habe Steine geworfen. Das Gericht glaubte den Polizisten, obwohl deren Aussage selbst von unbeteiligten Augenzeugen der Polizei nicht geteilt wurde: Das Verfahren gegen sie wurde eingestellt, während der Student eine Bewährungsstrafe erhielt. Vielmehr versuchte die Berliner Senatsverwaltung für Justiz, den Studenten nach dem Verfahren einzuschüchtern. Nun ist ein Video aufgetaucht, daß diese Darstellung in Zweifel zieht und die systematische Gewalt der Einsatzhundertschaft dokumentiert.