Presseschau Weltbilder

Byzantinische Ränkespiele in Rom

Indiskretionen im Vatikan zeugen von harten Machtkämpfen
Byzantinische Ränkespiele in Rom
Bild von Michal Osmenda

Wer hätte das gedacht: Die verfeindeten Fraktionen im Vatikan nutzen die Öffentlichkeit, um durch geleakte Papiere ihre Streitigkeiten auszutragen. So landete bei der italienischen Zeitung Il Fatto Quotidiano ein Papier vom 30.12.2011, in dem der sizilianische Kardinal vom sicheren Tod des Papstes in diesem Jahr munkelt: »Der Heilige Vater befasse sich im Geheimen mit der Frage seiner Nachfolge«, für die er den Mailänder Kardinal Angelo Scola vorgesehen habe. Zwar ist das Papier authentisch, doch der Inhalt mag zu einem Intrigenspiel gehören, das sich gegen den Sekretär des Papstes Tarcisio Bertone richtet. Souverän spürt Jörg Bremer für die FAZ den komplexen Machtverhältnissen im Kleinstaat Vatikan nach. Dazu bietet Stefan von Kempis vom Vatikanradio im Deutschlandfunk einige Grundlektionen der Welt rund um den Petersdom. Weiterlesen … »

Zwang zur Selbstoptimierung

Grenzenloses Wachstum als kulturelles Leitbild
"Das Wirtschaftswachstum bringt uns immer näher an die Funktionsgrenze des Systems."
"Das Wirtschaftswachstum bringt uns immer näher an die Funktionsgrenze des Systems." Bild von Zanthia

Als die Folgen der ausufernden Industriegesellschaft als Raubbau an Natur und Mensch in den 70er Jahren unübersehbar wurden, stellte sich erstmals einer breiten Öffentlichkeit die Frage nach den Grenzen des endlos scheinenden Wirtschaftswachstum. Trotz des erreichten Zenits der Ölförderung zählt Harald Welzer heute jedoch zu den eher wenigen Intellektuellen, welche dieses spezifische Fundament des Kapitalismus kritisieren.

Das fehlende Bewußtsein über die Grundlagen unseres modernen Lebens beruht auf der völligen Verinnerlichung und Affirmation des Wachstums – mit dieser Überlegung erweitert Welzer in zwei jüngst erschienenden Schriften in den Blättern und dem SZ-Magazin sein Forschungsgebiet von einer Wirtschafts- zu einer allgemeinen Gesellschaftskritik.  Diese leitet er aus der Entwicklungsgeschichte des Kapitalismus der vergangenen 200 Jahre ab. So gelingt eine Kulturkritik, die viele Eigenschaften des Selbst- und Weltbildes des modernen Menschen herausschält: Dem im ewigen Werden der Waren- und Selbstproduktion gefangenen Menschen der Leistungsgesellschaft. Weiterlesen … »

Weltbild als Konsumprodukt?

Ein ganz anderer Blick

Es ist ein durchaus interessantes Experiment: Indonesische Ethnologiestudenten erforschen deutsche Weltbilder. Begonnen hat alles mit ein paar Klischees, etwa dem, dass Deutsche säkularisiert, logisch und Religiösem wenig aufgeschlossen seien. In Gesprächen und Feldstudien wurde das überprüft, organisiert im Rahmen einer deutsch-indonesischen Forschungspartnerschaft. Gegenstand der Studien waren Esoteriker, Veganer, und – etwas überraschend – auch die grüne Jugend. Das Resultat war differenziert. Manches wurde bestätigt, anderes aber auch nicht.

Besonders verblüffend die Erkenntnis, dass Veganismus oder auch Umweltschutz hierzulande durchaus religionsähnlichen Status haben können. Jedenfalls dann, wenn man den Religionsbegriff weit genug auslegt. Und: manche Weltbilder haben durchaus eine Konsumfunktion:

»Neue Religionen sind für sie wie ein Kleid, das sie sich zulegen und es ausmustern, wenn es nicht mehr gefällt«, sagt sie. Außerdem würden sich ihre Forschungssubjekte passiv verhalten: »Sie lesen nur Bücher und hören, was ihr Guru sagt.«

Nehmen ist seliger denn geben

Eine Kampagne zum Kirchenaustritt
"Bete nicht für mich": Demonstration in Krakau
"Bete nicht für mich": Demonstration in Krakau Bild von bildungsrOman

Jedes Jahr treten in Deutschland weit über 100.000 Menschen aus den beiden großen Kirchen aus. Deshalb gehören ihnen mittlerweile nur noch 62 Prozent der Bevölkerung an, so wenig wie nie zuvor. Das hat natürlich viele Gründe: Generell teilen viele nicht mehr deren konservatives Welt- und Menschenbild, aber auch die jüngsten Skandale um sexuellen Missbrauch spielen eine Rolle. Außerdem klagen auch andere Großorganisationen wie Parteien und Gewerkschaften über ähnliche Probleme. Eine Umfrage des Allensbach-Instituts ergab 2009, dass fast die Hälfte der Katholiken in religiösen Fragen entweder unsicher oder sogar areligiös sind.

Für viele Menschen kommt ein Austritt aber dennoch nicht in Frage. Sie begründen das auch damit, dass die Kirchensteuern ja sozialen Zwecken zugute kämen. Das stimmt jedoch nur sehr eingeschränkt. Tatsächlich fließen nur ca. 10 Prozent davon in karitative Einrichtungen und Maßnahmen, überdies wird der weitaus größte Teil der kirchlichen Kindergärten, Krankenhäuser usw. vom Staat finanziert. Ein Bündnis aus verschiedenen atheistischen und agnostischen Gruppen rief zu einem »Jahr des Kirchenaustritts« auf.

Werdet endlich vernünftig!

Robert Pfaller über die unvernünftige Vernunft einer Verzichtsgesellschaft

Robert Pfaller, Professor für Philosophie an der Universität für angewandte Kunst Wien, kritisiert in seinem kürzlich erschienenen Buch »Wofür es sich zu Leben lohnt« die aktive Abschaffung von Genussressourcen und einen damit sich anbahnenden Kulturverfall. Gesundheitsfanatiker propagieren eine asketische Lebensweise. An Stelle von Fleisch, Alkohol, Nikotin und Fett treten Surrogate, die zwar gesünder sein sollen, uns aber nicht befriedigen. Weiterlesen … »

Christliche Untugend

Umkämpfte Arbeitnehmerrechte in den Kirchen

Immer wieder treten die christlichen Kirchen als Mahner für ein soziales Miteinander in der Gesellschaft auf. Geht es aber um ihre eigenen Beschäftigten, in Deutschland immerhin 1,3 Millionen Menschen, sieht es anders aus. Dank des sog. »Selbstordnungsrechts« haben diese wesentlich weniger Rechte als ihre Kollegen in anderen Einrichtungen: Sie dürfen nicht streiken, ihre Verträge werden nicht durch Gewerkschaften ausgehandelt, und die innerbetriebliche Mitbestimmung ist ebenfalls geringer. Das hat unter anderem erheblich geringere Löhne zur Folge. Die Gewerkschaft Verdi versucht daher mit zahlreichen Aktionen diesen Missstand speziell in der evangelischen Diakonie anzugehen – gegen den erklärten Widerstand der Kirchenoberen.

Kinderglaube

Wie radikale Christen in den USA Kinder indoktrinieren

In vielen Regionen der USA hat das Christentum eine Bedeutung, die in Europa kaum noch bekannt ist. Unter den zahlreichen Kirchen haben radikale Sekten steten Zulauf, die ein ultrakonservatives Weltbild predigen und mit zweifelhaften Methoden missionieren. Für sie ist die Bibel wörtlich zu nehmen und nicht zu interpretieren. Die Kreationisten glauben, Gott habe die Welt an sieben Tagen geschaffen und bekämpfen die Evolutionstheorie. Um die Kontrolle über die ihre Kinder zu wahren, werden diese häufig zu Hause unterrichtet.

Die Arte-Dokumentation Jesus Camp zeigt jedoch, wie die Evangelikalen Kinder nicht unterrichten, sondern indoktrinieren. Unverfroren wird die Naivität und Formbarkeit der Kinder als idealer Boden für die eigenen Lehren genutzt. Der Film von Heidi Ewing und Rachel Grady hält sich mit Kommentaren zurück und genügt sich, die Lebenswelt der Missionare im abgeschlossenen Weltbild zu zeigen – gerade dadurch erreicht der Film seine Wirkung. In einer Analyse auf der Arte-Seite werden jedoch die Gefahren für die kindliche Persönlichkeitsentwicklung angesprochen.

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