Presseschau Beitrag

Zehn Deutsche sind dümmer als fünf

Intellektuelle und das Internet - eine Kontroverse in der ZEIT

Heiner Müller ist der Prototyp eines kritischen Intellektuellen, der sich einmischt, der sich öffentlich riskiert und der Aufmerksamkeit für allgemeine Fragen und individuelle Besonderheiten erzwingen will. Von Heiner Müller stammt der Titel dieses Beitrags, geäußert als lakonischer Kommentar zur deutschen Wiedervereinigung von 1990 (gedruckt: 1992, Gesammelte Irrtümer 3, S. 158).

Der Satz lässt sich aber auch als ironische Spitze gegen das ‘demokratische’ Medium Internet interpretieren. Und genau dies tut Adam Soboczynskiin seinem polemischen wie lesenswerten ZEIT-Beitrag vom 21. Mai »Das Netz als Feind - Warum der Intellektuelle im Internet mit Hass verfolgt wird«. Er identifiziert das Internet als strukturelle Gefahr für den Intellektuellen: der »Störenfried des Konsenses, Vermittler von Wissensbeständen, Korrektiv des Staats, wird verschwinden.«

Und erntet mit dieser These heftigen Widerspruch: In der folgenden Ausgabe der ZEIT antwortet Gero von Randow mit einer scharfen Replik: »Geistesaristrokratie«. Von Randow kann mit solchen Untergangsszenarien nichts anfangen. Er deutet sie vielmehr als ein Zeichen der Angst: »Dem Konservativen ist unwohl in einer Welt, in der nicht alles am Platz bleibt. Er hat schon die Stadt und den Asphalt gehasst, um wie viel mehr nun das Netz und die Blogs!«  

Wie auch immer man sich in diesem Streit positioniert. Beide Artikel argumentieren klug für ihre Sache. Die Argumente gegeneinander abzuwägen ist ein lohnendes Unterfangen. Und führt womöglich nochmals vor Augen, wie wichtig es ist, kritische und wirksame Öffentlichkeit im Internet zu schaffen und zu verteidigen.

edit: Jens Jessen setzt die Debatte in seinem Beitrag »Das Netz trügt« fort. Seine Stellungnahme lässt einige Sympathie mit Adam Soboczynskis Sichtweise erkennen.