Presseschau Beitrag

Eine terroristisch grundierte Form des Serienmordes

Terror, Pop und der »Nationalsozialistische Untergrund«

Im einen Artikel für den Freitag setzt sich der Filmkritiker und Mitherausgeber des Lexikons zur populären Kultur, Georg Seeßlen, mit dem Verhältnis von Pop und Terror im Allgemeinen und dem »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) im Besonderen auseinander. Schon immer habe eine derart enge wechselseitige Beziehung zwischen dem Terrorismus und der populären Kultur bestanden, dass man die Frage, ob der Terror der Medien oder die Medien des Terrors wegen da seien, nicht eindeutig beantworten könne. Stets hätten terroristische Bewegungen eine eigene, von der Popkultur beeinflusste, aber auch diese wiederum beeinflussende und auf Öffentlichkeitswirksamkeit abzielende Bildsprache entwickelt. Ziel sei es gewesen, mit Hilfe visueller Erzählungen von heroischen Taten Geschichte zu schreiben.

Genau an dieser Stelle sieht Seeßlen bei der Gruppe NSU einen Bruch mit den »Traditionen« des Terrorismus. Denn die Gruppe hatte, wie bekannt ist, ihre Morde im Verborgenen begangen und gerade nicht öffentlich gemacht. So habe sie sich statt einer reich bebildertern Erzählung über ein »Bilderrätsel« mitgeteilt, das nur für bestimmte Gruppierungen, nicht aber die Mehrheit der Gesellschaft und die Mainstream-Medien »lesbar« gewesen sei. Man könne deshalb nicht von »reinem« Terror, sondern einer »terroristisch grundierten Form des Serienmordes« sprechen. Diese Spielart mache den einzelnen Terroristen austauschbar. Heldenfiguren hätten für sie keine Bedeutung, da nur die Tat an sich zähle. An der von den Terroristen gewählten Form des anonymen Serienmordes zeige sich, dass ihre Taten kein Terror gegen das System und damit kalkulierte Regelbrüche sind, sondern sich im Gegenteil auf die Etablierung eines eigenen Regelsystems richten, in dem der Terror System ist. Im Lichte dieser Überlegungen erscheint der Terror der NSU als besonders drastische Form des Zivilisationsbruchs.