Presseschau Beitrag

A las barricadas!?

Neue soziale Unruhen stehen uns ins Haus

Die jüngsten Äußerungen von Gesine Schwan und Michael Sommer zur Möglichkeit »französischer Verhältnisse« auch bei uns im Zuge einer Verschärfung der Wirtschaftskrise haben zumindest schon einmal für mediale Unruhen gesorgt.

Der Jenaer Soziologe Klaus Dörre meint im Interview mit dem Tagesspiegel,  dass uns erhebliche soziale Verwerfungen bevorstehen. Auch gewaltsame Aktionen mag er angesichts der prekären Situation vieler Betroffener nicht ausschließen. Interessant auch zwei weitere Punkte: Die gerade in der Krise zunehmende Spaltung in Stammbelegschaften und den »Rest« sowie die These, der Kapitalismus sei in der Lage, sich auch mit Hilfe seiner Kritiker immer wieder zu »revitalisieren«.

Etwas staatstragender ist dagegen Heribert Prantl, der in seinem Kommentar in der SZ ganz richtig konstatiert: »Nicht die Poilzei und nicht die Justiz waren jahrzehntelang Garant des inneren Friedens in der Bundesrepublik Deutschland; nicht Strafrechtsparagraphen und Sicherheitspakete haben für innere Sicherheit gesorgt. Es war der Sozialstaat.« Deshalb müsse alles für seinen Erhalt getan werden - ganz im Geiste der alten bundesrepublikanischen Konsensdemokratie.

Bei den meisten Politikern der Koalition herrscht dagegen wohl eher das Gefühl vor, aus »Verantwortung« eine solche Möglichkeit generell zu bestreiten, wie bei tagesschau.de nachzulesen ist.

Es fragt sich nur, warum sich diese Sorge dann nicht in ihren konkreten Maßnahmen niederschlägt. Einerseits werden hunderte Milliarden an Bankbürgschaften, Steuersenkungen und Wahlgeschenken für die Mittelschichten - Stichwort Abwrackprämie - verteilt, andererseits ist man nicht einmal bereit, den Hartz-IV-Regelsatz signifikant zu erhöhen oder beispielsweise Leiharbeit und Kündigungsschutz zu »entprekarisieren«. Gerade das würde aber denjenigen zu gute kommen, die von der Krise am direktesten betroffen sind.

Kommentare

betroffen

Halte es für schwierig, Leiharbeiter und Hartz-IV-Empfänger in diesem Zusammenhang in einen Topf zu werfen. Warum Hartz-IV-Empfänger am direktesten von dieser Krise betroffen sein sollen, erschließt sich mir nicht. Für Leiharbeiter trifft dies tatsächlich zu, weil sie als erste entlassen werden (ohne Abfindung). Hartz-IV-Empfänger aber wären wohl erst dann betroffen, wenn die Inflation den Regelsatz signifikant entwerten würden.

Bild des Benutzers Axel Weipert

Retourkutsche

Selbstverständlich sind die Hartz-IV-Empfänger von der Krise betroffen. Erstens, weil sich ihre Aussichten auf einen Job nochmals erheblich verschlechtert haben. Und zweitens, weil bei länger andauernder Krise ein Absenken der Regelsätze nicht ausgeschlossen ist, wie ich meine und ein Blick in die Geschichtsbücher nahelegt. Im übrigen gilt: Während einer Krise sind die Inflationsgefahren minimal, eher droht eine deflationäre Entwicklung. Das bestätigt auch z.B. Peter Bofinger.

Eine ganz andere Frage ist natürlich, ob sich diese Tatsachen auch im Bewusstsein der Menschen widerspiegeln bzw. ob daraus politische Konsequenzen gezogen werden…