Presseschau Beitrag

Werdet endlich vernünftig!

Robert Pfaller über die unvernünftige Vernunft einer Verzichtsgesellschaft

Robert Pfaller, Professor für Philosophie an der Universität für angewandte Kunst Wien, kritisiert in seinem kürzlich erschienenen Buch »Wofür es sich zu Leben lohnt« die aktive Abschaffung von Genussressourcen und einen damit sich anbahnenden Kulturverfall. Gesundheitsfanatiker propagieren eine asketische Lebensweise. An Stelle von Fleisch, Alkohol, Nikotin und Fett treten Surrogate, die zwar gesünder sein sollen, uns aber nicht befriedigen.

Pfaller zeigt den Kontrast zwischen beinahe geißelnder Mäßigung und extremer Maßlosigkeit auf und ist sich sicher, dass das nicht gesund sein kann. In Folge dessen tritt, meint er, in der breiten Mittelschicht eine krankhafte Unlust ein und Genuss als solcher kann nicht mehr frei aufgenommen werden.

Es fehlen realitätsnahe Vorbilder. Wir werden überschwemmt von Zerrbildern, in Form von Schönheitsideal- Photoshop, Extremitäten im Sexualverhalten oder dem Karriereüberbewusstsein.

Pfaller erklärt das gestörte Verhältnis zum Genuss als Herrschaft eines »tyrannischen Über- Ich«, das auf infantile Art die ihm von der Gesellschaft und Staat auferzwungenen Verbote befolgt.

Dabei gingen wichtige kulturelle Werte verloren, wie zum Beispiel gepflegte Kommunikation beim Beisammensitzen mit Freunden oder Kollegen in einer Bar oder einem Café, das zivilisierte, genussvolle Trinken und Rauchen als bewusste Abgrenzung vom Alltag, als Pause, als bestimmt wahrgenommener Genuss.

Auch der neoliberalen Politik gibt Pfaller die Schuld an der kulturellen Misere. Er wirft der Regierung Pseudopolitik vor. Die Aufgabe des Staates sei es, die Bürger vor dem zu schützen, vor dem sie sich selber nicht schützen können. Sicherheitskontrollen und Überwachungkameras sollen Risiken ausschließen. Sicherheit, Gesundheit und Effizienz als höchste Güter laufen dabei jedoch Gefahr die Freiheit einzudämmen. Verbote und Panikmache tragen zu einer nur vorgetäuschten Selbstbestimmung bei.

Die Überwindung der Selbstbezogenheit und die Zukehr zu einem gesunden, lustvollen Außen kann und muss in öffentlichen Räumen stattfinden.

Die Genussfähigkeit als gesellschaftliche Ressource könne trotz Überangebot an Genussmitteln nicht richtig verarbeiten werden. Der Verfall der dazu bestimmten Räume trägt gravierend zum kulturellen Verlust bei. Ein Ausweg aus der Krise liegt laut Pfaller in den kleinen Dingen des Lebens.