Presseschau Beitrag

Der seltsame Rücktritt

Horst Köhler sprach aus, was in breiten Kreisen Konsens ist
Sturmfreie Bude im Schloß Bellevue <br/>Foto von Willem van Bergen
Sturmfreie Bude im Schloß Bellevue Foto von Willem van Bergen

Für Irritationen und Empörung hat das Interview des Deutschlandfunk mit dem Bundespräsidenten Horst Köhler gesorgt. Dabei ist eine an wirtschaftlichen Interessen orientierte Außenpolitik der Bundesrepublik längst in zahlreichen militärischen Planungspapieren seit 1992 festgeschrieben worden, ohne daß diese — verfassungsrechtlich äußerst fragwürdige — Politik für viel Aufregung gesorgt hätte. Diesen Widerspruch zwischen öffentlicher Empörung und dem stillschweigenden Umbau der deutschen Außenpolitik arbeitet der Blog Fahrtenbuch anhand zahlreicher Dokumente heraus, darunter ein sicherheitspolitisches Planungspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion von 2008:

Die Herstellung von Energiesicherheit und Rohstoffversorgung kann auch den Einsatz militärischer Mittel notwendig machen, zum Beispiel zur Sicherung von anfälligen Seehandelswegen oder von Infrastruktur wie Häfen, Pipelines, Förderanlagen etc. Bereits heute wird die Bundeswehr eingesetzt - beispielsweise mit der Beteiligung an OEF am Horn von Afrika oder an Active Endeavour im Mittelmeer.

Wie sich eine solche Ansicht mit der Verfassung deckt, soll das Geheimnis der Autoren bleiben. Bislang hat eine offen an wirtschaftlichen Interessen orientierte Außenpolitik kaum großen Widerspruch in der Bevölkerung ausgelöst — trotz der breiten Ablehnung des Afghanistan-Einsatzes. Dies liegt auch daran, daß die sicherheitspolitischen Leitlinien nicht Teil einer öffentlichen Debatte waren, sodern vielmehr im Stillen erarbeitet wurden und in den größeren Medien wenig beachtet wurden. Köhlers ungeschickte Einlassung könnte dies nun ändern.

Mit der Frage, inwieweit die Blogosphäre einen Einfluß darauf hatte, daß das Interview mit dem Bundespräsidenten nicht aus der öffentlichen Aufmerksamkeit verschwand, beschäftigen sich Carta, die Süddeutsche Zeitung und der Focus. Die digitale Vefügbarkeit des Materials spielt dabei mit Sicherheit eine entscheidene Rolle; ansonsten wäre der Beitrag schnell »versendet« gewesen, meint die Süddeutsche Zeitung.

Kommentare

Einen Zusammenhang ...

zwischen dem Rücktritt Köhlers und dem Eurohilfspaket sieht der Spiegel bzw. Peter Gauweiler:

Hintergründe: