Presseschau Beitrag

Auf dem Schachbrett

Zwei Reportagen zeigen Realität und Ränkespiel des Kriegs in Afghanistan

Authentische Berichterstattung und Wissen über Zusammenhänge von Kriegen hängen oft von wenigen Journalisten vor Ort ab, die sich von Einschüchterung, Desinformation und Gefahren nicht schrecken lassen. Zu diesen zählen Marc Thörner und Ashwin Raman. Marc Thörner hat in seinen Hörfunk-Reportagen ein detaillierteres und anderes Bild des Afghanistan-Kriegs gezeichnet als gemeinhin bekannt. In seinem aktuellen Beitrag skizziert er das komplexe Ränkespiel der Kriegsfürsten: Da die ehemalige Nordallianz sich gegen den Präsidenten Karsai verschworen hat, sucht dieser ein Bündnis mit dem Al Qaida-Gespielen Gulbuddin Hekmatyar, welchem auch Verbindungen zum pakistanischen Nachrichtendienst ISI nachgesagt werden; diese Allianz soll durch eine scheinbare Spaltung von Hekmatyars Partei verschleiert werden.

Damit zeichnet sich immer deutlicher ab: Was in Afghanistan stattfindet, ist offenbar kein Krieg gegen den Terror, sondern längst eine Neuauflage des afghanischen Bürgerkriegs.

Ashwin Raman läßt seiner Fernseh-Reportage über Somalia einen Beitrag über Afghanistan folgen: Raman begleitet deutsche, amerikanische und afghanische Soldaten und spricht mit den Taliban. Dabei gerät er immer wieder in Kampfhandlungen, welche das unterschiedliche Vorgehen verdeutlichen. In dem Film werden die parallelen Realitäten in diesem Konflikt deutlich, ebenso wie der Zweifel am Sinn des Einsatzes vieler Soldaten auf diesem Schachbrett.

Beide Beiträge zusammen vermitteln ein eindrückliches Bild dieses Kriegs; sie zeigen, daß dieser Konflikt keineswegs gelöst ist, daß die auswärtigen Mächte dazu auch nicht in den Lage sind — dem Land stehen weitere blutige Jahre bevor. Es empfiehlt sich in dem Kontext die Dokumentation Es bleibt der frühe Tod für Allah aus dem Jahr 1985 von Heinz Metlitzky zu sehen, welche das ZDF zur Verfügung stellt.

 Nachtrag

Ein Beitrag von Marc Thörner in den Blättern für deutsche und internationale Politik stützt sich maßgeblich auf die von Wikileaks veröffentlichten internen US-Militärreporte. Diese Analyse liest sich als vertiefende Ergänzung des Beitrags im Deutschlandfunk.