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Geben und Nehmen auf Capitol Hill

Wie Lobbyismus im amerikanischen Parlament funktioniert
Geben und Nehmen auf Capitol Hill
Bild von citron_smurf

Die Einflussnahme privater Unternehmen auf die Gesetzgebung ist seit längerem Gegenstand öffentlicher Debatten. Die subtile Funktionsweise des Lobbyismus im amerikanischen Parlament erklärt Ezra Klein anschaulich im New York Review of Books. Dabei kommt er ohne die sonst allgemeine Unterstellung aus, die Abgeordneten würden böswillig, wider besseres Wissen handeln. Vielmehr ist seit den 90er Jahren ein symbiotisches System zwischen Abgeordneten und ihren Mitarbeitern auf der einen und Lobbyisten auf der anderen Seite entstanden, das die ungewünschte Einflussnahme herbeiführt – die einzelnen Akteure in dem System handeln aus ihrer Sicht lauter. Weiterlesen … »

Zeitenwende in Europa?

François Hollande wird französischer Staatspräsident in einem konservativ geprägten Europa
Siegesfeier in Paris
Siegesfeier in Paris Bild von rsepulveda

Frankreich hat gewählt, François Hollande ist neuer französischer Staatspräsident. Trotz seiner Ankündigung, die europäische Sparpolitik in Frage zu stellen und Reiche stärker zu besteuern, gilt er nicht gerade als ein Revolutionär. Philip Stephens sieht ihn in der Financial Times gar als »moderaten Konservativen«, da er »das Modell der sozialen Marktwirtschaft aus dem Nachkriegseuropa zurückfordert«. Der Autor bezweifelt, daß Hollande sich gegen das Dogma der Sparpolitik durchsetzen kann:

Ob links oder rechts, ob mit oder ohne Euro, die Eliten an der Macht huldigen dem Altar der Sparpolitik. Regierungen dürfen sich hier ein bisschen schräg stellen, dort angedeutete Akzente setzen. Doch niemand wagt es, den Katechismus der Haushaltsdisziplin in Frage zu stellen.

Dem setzt Javier Valenzuela in El País entgegen, daß es Zeiten gebe, in denen schon gesunder Menschenverstand revolutionär anmute. Denn Hollande stemme sich gegen den wirtschaftspolitischen Selbstmord Europas, von der Sparpolitik verursacht. Diese sei das Resultat einer falschen Diagnose. Die Wachstumsschwäche Europas sei vielmehr das eigentliche Problem und nicht die Verschuldung. Weiterlesen … »

Wahlkampfrenner Millionärssteuer

Wird François Hollande den Sozialismus einführen?

Zumindest eines ist sicher: Hollande, Kandidat der französischen Sozialisten für die anstehenden Präsidentschaftswahlen, hat ein Gespür für Themen. Die Millionärssteuer dürfte darauf zurückzuführen sein. Angesichts klammer öffentlicher Kassen und immer noch bestehender Finanzspekulation ist die Idee ohne Zweifel populär. Franzosen mit mehr als einer Million Euro Jahreseinkommen sollen künftig 75 Prozent Einkommensteuer bezahlen. Wie so oft, steckt aber auch hier der Teufel im Detail. Denn tatsächlich betrifft das nur schätzungsweise 7.000 bis 30.000 Personen. Und selbst die könnten sich durch Abschreibungen arm rechnen, für ihr Einkommen unter dieser Schwelle würden sie ohnehin deutlich weniger zahlen. Der Umverteilungseffekt dürfte sich also sehr in Grenzen halten. Abgesehen davon liest sich Hollandes Programm sowieso nicht gerade revolutionär: Ein bisschen weniger sparen, eine Prise mehr Dezentralisierung - et voilà. Die von Sarkozy durchgesetzte Einbindung in die NATO beispielsweise soll dagegen beibehalten werden.

Konservative und Fundamentalisten sind nicht das gleiche

Zum Wahlergebnis in Ägypten
Wahllokal in Ägypten
Wahllokal in Ägypten Bild von Jonathan Rashad

Die ersten freien Parlamentswahlen in Ägypten seit Jahrzehnten endeten im Januar. Der renommierte Nahost-Fachmann Olivier Roy sieht darin ein Aufbrechen der vorherrschenden politischen Kultur der letzten 60 Jahre. Wie zu erwarten war, triumphierten die sog. Islamisten (47% der Stimmen), sprich Kulturkonservative mit religiös unterfütterten politischen Vorstellungen. Weil sie jahrzehntelang vom politischen Geschehen in Ägypten ausgegrenzt wurden, besitzen sie große Glaubwürdigkeit bei den Wählern. Überraschend dagegen ist der Wahlerfolg der Salafisten (24,6% der Stimmen), also Fundamentalisten, die sich an ihrer Vorstellung, wie das Gemeinwesen zu Mohammeds Zeiten ausgesehen haben soll, orientieren. Dass sich diese Gruppe, die eigentlich parlamentarische Demokratie bzw. eine pluralistische Gesellschaft überhaupt ablehnt, gezwungen sieht, an den Wahlen teilzunehmen, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, spricht für die Verankerung demokratischen Denkens in der ägyptischen Öffentlichkeit. Weiterlesen … »

Bombe im Keller?

Die Beweislage für ein iranisches Atombombenprogramm ist dünn

Bastelt der Iran an der Atombombe? Dafür gibt es keine ausreichenden Belege, meint der Altmeister des investigativen Journalismus Seymour Hersh. Zwar schließt auch Hersh nicht aus, daß der Iran über eine »versteckte unterirdische Atomwaffenfabrik« verfügt. Aber das Material der internationalen Atomenergiebehörde biete darüber keine neuen Informationen. Im Gegenteil bestehen keine Anzeichen, der Iran habe Uran für den Bombenbau abgezweigt. Hersh zitiert einen ehemaligen leitenden Beamten des US-Außenministeriums:

Diejenigen, die aus dem IAEA-Bericht die Berechtigung für einen Angriff auf den Iran abzuleiten versuchen, wollen ihn absichtlich missverstehen.

Hersh sieht hinter dem schärferen Ton der IAEA weniger neue sustantielle Informationen als vielmehr den neuen Chef, Yukiya Amano, an der Spitze, welcher die Linie der USA unterstützt. Um diese Aussage zu belegen, zitiert er die von Wikileaks veröffentlichten US-Depeschen:

[…] bei allen strategischen Entscheidungen – und zwar sowohl bei wichtigen Personalentscheidungen als auch im Hinblick auf das angebliche Atomwaffenprogramm des Irans – stehe er aber fest an der Seite der USA.

Bis zum jüngsten Tag

Unbegrenzte Internierung wird in den USA gesetzeskonform
Bis zum jüngsten Tag
Bild von Gino Reyes, The National Guard

Barack Obama ist mit dem Versprechen angetreten, Guantanamo zu schließen. Doch am letzten Tag des vergangenen Jahres unterschrieb er den National Defense Authorization Act, der die zeitlich unbegrenzte Internierung von Terrorverdächtigen durch das Militär erlaubt. Das zuvor angekündigte Veto hat er fallenlassen – Abgeordnete des Kongresses vertreten die Meinung, das Gesetz würde nur geltende Praxis juristisch umsetzen. Doch an der Verfassungskonformität bestehen massive Zweifel. Human Rights Watch kritisiert, die USA würden nun zu geltendem Recht erklären, was sie in anderen Staaten wie Ägypten als Ausnahmezustand beklagen. Chris McGreal gab bereits Mitte Dezember die massive Kritik an dem Gesetz wieder. Offen greift Jonathan Turley im Guardian sowohl den Präsidenten als auch die Medien an:

Das beinahe vollständige Versagen der großen Medien, über die Sache zu berichten, ist schockierend. Viele Journalisten haben der Obama-Regierung ihren Spin abgekauft, wie sie der Bush-Regierung ihren Spin über Folter abgekauft haben. Noch immer weigern sich manche Journalisten die Praxis des Waterboarding Folter zu nennen - trotz der vielen Klagen und obwohl Experten seit Jahrzehnten sagen, dass es sich dabei durchaus um Folter handelt.

Die Bühne des irakischen Ringkampfes ist eröffnet

Dem Land droht nach dem Rückzug der Amerikaner eine Eskalationsspirale
Abzugs-Zeremonie am 15. März in Bagdad: "Ein neunjähriger Krieg, der sich neben Pearl Harbour, der deutschen Invasion in der Sowjetunion und Vietnam nahtlos in die Reihe der größten militärischen Fehler aller Zeiten einfügt."
Abzugs-Zeremonie am 15. März in Bagdad: "Ein neunjähriger Krieg, der sich neben Pearl Harbour, der deutschen Invasion in der Sowjetunion und Vietnam nahtlos in die Reihe der größten militärischen Fehler aller Zeiten einfügt." Bild von Erin A. Kirk-Cuomo

Kaum hat der letzten amerikanische Soldat den Irak verlassen, bricht der Sturm los: Die fragile Regierung bricht auseinander, kurz darauf explodieren in Bagdad fünf parallele Bomben, die 70 Menschen in den Tod reißen. Beobachter rechneten mit einer Zuspitzung der inneren Konflikte im neunten Jahr nach dem Einmarsch im März 2003  – vielmehr stellt sich aber die Frage, ob die Eskalationsspirale bis in einen erneuten Bürgerkrieg oder gar den Zerfall des Irak reichen wird. In diesem Konflikt ringen innere und äußere Kräfte um die Macht. Der Ministerpräsident Nuri Al-Maliki tritt als Repräsentant der schiitischen Bevölkerungsmehrheit auf, als er nach dem Regierungszerfall seinen sunitischen Stellvertreter Tarek al-Haschemi erfolglos festnehmen lassen will. Dieser floh in die autonome Kurdengebiete, der dritten Partei auf der irakischen Bühne. Doch auch die regionalen Mächte wollen ihren Einfluß geltend machen. Dazu zählen in erster Linie der Iran, der einen großen Einfluß bei den Schiiten hat, sowie dessen Rivalen Saudi-Arabien und die Türkei. Weiterlesen … »

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