Magazin Beitrag

Wir sparen uns die Feuerwehr

Ein sarkastischer Blick nach Fukushima I

Die Stadt brennt. Das hätte nicht passieren können, sagt der Bürgermeister. Unsere Stadt ist aus dem besten Holz weit und breit. Der Besitzer der Sägemühle hat versprochen, daß ein Großbrand ausgeschlossen ist. Der ist für das Löschen von Bränden zuständig, schließlich muß er es am Besten wissen. Da seine Häuser so sicher sind, hat er auf den Aufbau einer Feuerwehr verzichtet, schließlich ist das viel zu teuer und auch beinahe ausgeschlossen, daß etwas passieren kann. Aber jeder seiner Mitarbeiter hat einen Löscheimer. Die bilden nun eine Kette vom Fluß in die brennende Stadt. Ein Löschfahrzeug wäre jetzt prima; ebenso Menschen, die was vom Löschen verstehen. Naja, so ist es nun eben, das tut mir wahnsinnig leid, sagt der Besitzer der Sägemühle, aber es besteht keine Gefahr für die Stadt – nun, außer wo es halt brennt.

So darf man sich die Situation in Japan zur Zeit vorstellen. Ebenso wie in Deutschland sind in Japan die Betreiber für die Löschung einer Kernschmelze in den Kernkraftwerken zuständig. Die aber sagen – das müssen sie ja – daß eine Kernschmelze fast ausgeschlossen ist, sie beherrschen ihre Technik. Unfälle, ja, die passieren anderswo. Die Metapher vom Bock und vom Gärtner, wie ging die noch mal? Wo sind also die Krisenreaktionskräfte, wenn eine nukleare Katastrophe eintritt? Katastrophe, welche Katastrophe, wir beherrschen unsere Technik! Nicht nur, daß die Betreiber von Atomreaktoren den Super-GAU gar nicht erst versichern müssen, sie sind darauf auch nicht vorbereitet. Der Staat ebenso wenig. Ebenso bemängelt die Feuerwehr in Deutschland, daß sie für den Katastrophenfall nicht ausreichend ausgebildet ist.

So darf niemand verwundert sein, wenn Regierung und Betreiber in Japan völlig überfordert sind. Das ist halt so, wenn einem beim Großbrand auffällt, daß dafür keine ausgebildete Feuerwehr, also Krisenreaktionskräfte, vorhanden sind. Auch sollte keiner darüber staunen, daß keiner die Wahrheit sagt: Das Betreiben nuklearer Reaktoren setzt ohnehin eine perfekt ausgebildete Fähigkeit zur Verdrängung und zum Schönreden voraus. Das steckt ja schon klammheimlich in der euphemistischen Tautologie – sowie dem Unwort des Jahres 2011 – Restrisiko. Ein Risiko definiert sich ja geradezu durch einen Rest in der Wahrscheinlichkeit seines Eintretens. Dummerweise kann man die Wahrscheinlichkeit seines Eintretens in Hunderttausend Jahren erst nach Hunderttausend Jahren bestimmen. Wir danken schon jetzt den Statistikern für ihren langen Atem. Sich aber über die mangelnde Informationspolitik von Tepco zu echauffieren, ist gleich einem pathologischen Lügner das Flunkern übel zu nehmen.

Wie müßten angemessene Krisenreaktionskräfte für eine Atomkatastrophe INES 7 aussehen? Die internationale Atomenergiebehörde müßte aus einer Art Steuer der Betreiber einen umfangreichen Katastrophenstab finanzieren, eine Art stehendes Heer, das im Fall der Fälle seine Materialien und seine Einsatzleitung weltweit in 24 Stunden vor Ort hat. Diese müßte mit einem ausgebildeten Katastrophenstab im Einsatzland reibungslos zusammenarbeiten, ebenso mit den anderen nationalen Behörden. Diese Stäbe müßten über ausgearbeitete Worst-Case-Szenarien für alle Reaktoren inklusive Evakuierungspläne verfügen. In Kürze wird ein dichtes Netz von Meßpunkten um den Krisenherd gezogen. Eine mobile und anschließbare Reaktorsteuerung steht zur Verfügung. Für alle Reaktortypen gibt es sofort anschließbare mobile Generatoren oder gar ein mobiles alternatives und geschlossenes Notkühlsystem. Sowohl fernsteuerbare Löschfahrzeuge als auch Schwerlasthubschrauber stehen zur Verfügung. Mit dem Kühlen kann sofort begonnen werden. Mit der Evakuierung ebenso. Der Krisenstab ist über kleine Drohnen bestens über den Stand im Reaktor informiert und kann anhand der Meßergebnisse die richtigen Entscheidungen treffen. Im schlimmsten Fall kann durch eine ferngesteuerte Schwerlast-Heliflotte der Reaktor versiegelt werden. Die Bauteile für einen Sarkophag sind vorrätig.

Nur – was würde das alles auf jeden Stromcent kosten. So spart man sich halt die Feuerwehr, und hofft, daß die Wahrscheinlichkeit eines Brands sehr gering sei. Was ist das: Wahnsinn mit Methode? Nein, nur ein Schildbürgerstreich.

Kommentare

Nach der Abschaltung

Die Betreiber halten sich also raus, wenn es um’s Löschen geht. Sie halten sich aber auch raus, wenn es um die Endlagerung der Brennstäbe geht.
Für alles, was den Betreiber kosten könnte, kommt letztendlich der Staat, also der Bürger auf. Es werden Milliarden an Gewinnen erzeugt, doch die gehen ausschließlich an einen Großkonzern.
Es ist zum Kotzen!

Sehr guter Artikel!

da stellt sich dann doch zwangsläufig die Frage, warum wohl so viele Expolitiker in den Energiekonzernen sitzen…?