Magazin Beitrag

Um die Zukunft Europas

Strukturelle Probleme und ein Rettungspaket

Das nun beschlossene 750 Milliarden Euro schwere Rettungspaket für klamme Euroländer ist wirklich bemerkenswert. Zum einen stellt es einen radikalen Bruch mit der bisherigen, von Deutschland betriebenen Finanzpolitik dar. Denn vordem galt der eherne Grundsatz: Ein gemeinsamer Markt bedeutet v.a. gute Bedingungen für deutsche Exporte, während gleichzeitig die anderen Länder mit Schulden und expansiver Lohnpolitik die entsprechende Nachfrage generieren.

Die Finanzkrise hat nun offenbart, dass dieses »Geschäftsmodell« langfristig nicht funktionieren kann. Die Rettungspakete für die Banken haben ebenso wie die Konjunkturprogramme die Staatsschulden explodieren lassen, während gleichzeitig die Steuereinnahmen wegbrachen. Die Maastricht-Kriterien (maximal 60% vom BIP als gesamte Staatsverschuldung, pro Jahr nicht mehr als 3%/BIP zusätzliche Schulden) wurden daher 2009 auf breiter Front überschritten: nur sieben Länder haben das erste, nur zwei das letztere Kriterium erfüllt. Nun wird im Interesse einer Aufrechterhaltung des Euros bzw. der EU mit den bankrotten Staaten ähnlich verfahren wie zuvor mit den Banken: Die solventen Länder garantieren deren Kreditwürdigkeit.

Diese – zumindest zeitweise - Niederlage der deutschen Politik seit Helmut Kohl basiert auch darauf, dass die möglichen Alternativen noch weitaus fataler gewesen wären. Einen Zusammenbruch der Absatzmärkte könnten sich die deutschen Exporteure ebenso wenig leisten wie die hiesigen Banken den Ausfall ihrer Kredite. Insofern überwiegen die Vorteile durch Europa für die deutschen Unternehmen nach wie vor die Kosten. Eine grundlegende Abkehr von der europäischen Integration steht daher auch nirgends ernsthaft zur Debatte.

Neben dem faktischen Nachgeben der Bundesregierung bleibt aber auch ein nachhaltiger Imageschaden. Schließlich hat das deutsche Zögern gerade in Bezug auf Griechenland die dortige Krise noch weiter verschärft. Und die Beteiligung des IWF nährt Zweifel an der Fähigkeit der EU, ihre Probleme selbstständig zu managen.

Alles in allem muss wohl offen bleiben, wie sich die Lage weiter entwickelt, denn gelöst sind die strukturellen Probleme Europas keineswegs. Daran werden wohl auch eine Tobinsteuer oder andere vorsichtige Regulierungen der Finanzmärkte, wie sie zur Zeit diskutiert werden, wenig ändern können. Denn gerade bei derart massiven kurzfristigen Wechselkursspekulationen kann eine Transaktionssteuer von weniger als einem Prozent kaum zu einer Beruhigung der Märkte beitragen. Sie wäre allenfalls sinnvoll, um dauerhaft die Kapitalströme etwas zu verlangsamen und parallel dazu zusätzliche Steuereinnahmen verbuchen zu können.

Wichtiger wäre vielmehr eine umfassende Neuorientierung: insbesondere stärkere Binnenmärkte mit entsprechend höheren Löhnen in Deutschland. Das würde die Abhängigkeit von den Exporten verringern und gleichzeitig den Konkurrenzdruck auf die anderen europäischen Länder senken. Auf diese Weise könnten dann ausgeglichenere Handelsbeziehungen etabliert werden als bisher. Faktisch erwirtschaftet die BRD bisher mit fast allen großen europäischen Partnern einen deutlichen Überschuss. Eine solche Abkehr von der Wirtschaftspolitik der letzten 30 Jahre erscheint aber gegenwärtig wenig realistisch. Sie wäre wohl nur möglich bei einer signifikanten Veränderung der Machtverhältnisse. Und dafür gibt es eigentlich keine Anzeichen, jedenfalls in absehbarer Zeit.

Hinzu kommt noch das Problem, dass etwa in Griechenland eine nennenswerte Industrie kaum noch existiert; seit dem EU-Beitritt 1981 wanderte diese in andere Länder ab. Insofern würde es selbst bei günstigen Rahmenbedingungen viele Jahre dauern, bis dort wieder eine exportfähige Wirtschaft aufgebaut ist.