Magazin Beitrag

Koalitionäre Opposition

Eine Einschätzung
Die Bundestagswahl 2013 könnte man sich getrost sparen. Prozentzahlen stehen freilich noch nicht fest - aber dass am Ende eine Große Koalition steht, ja, stehen muß, das ist zweifellos programmiert. Die Sozialdemokratie spielt derzeit Opposition, wirkt dabei aber wie eine Regierung light, bejaht und bestärkt die Regierungsabsichten, indem sie hinter die Meldungen des Regierungssprechers ein dezentes Aber setzt und glaubt, damit eine eigene Alternative zur neoliberalen Agenda gefunden zu haben. Dabei entkräftet sie nur die Drastik einer wirtschaftsgeführten Regierung und glaubt mit dieser Abmilderung ganz neue, ganz andere Positionen einzunehmen, als es der »Kombattant« tut.
 
 
Diametral entgegen steht man der Leitlinie, dem Weiter so!, dem Augen zu und durch!, dem Erhalt so schöner Installationen wie dem kontinuierlichen Abbau des Sozial- und Rechtsstaates, nicht. Die Sozialdemokratie kommt überhaupt nicht auf diese Idee - nicht mal jetzt, da das Scheitern offenbar wird, da auch das eigene Scheitern aus der Ära des Parteidespoten Schröder und seiner Pompadour namens Müntefering, deutlich wurde. Kein Schwenk, keine Hinwendung zu einem Konzept, das die Prämissen der herrschenden Ideologie nicht aufgreift, nicht nachbetet, sondern sie hinterfragt und auch der Lüge überführt. Kurz gesagt, die Sozialdemokratie weigert sich, mit den Linken in Verbund zu gehen. Das tut sie, während sie stolz erklärt, dass sie so anders sei als der Merkelismus.

Das dicke Lamento Gabriels, das man zuweilen hört und das stets nicht mehr ist, als eine Bejahung der Regierungsarbeit mit negierenden Worten - Steinmeiers farbloses Opponententum, das bei genauer Durchleuchtung nicht mehr als antichambrierendes Kratzen an der Türe des Kanzlerbüros ist - Steinbrücks… ja, was denn eigentlich, was macht der eigentlich? - Steinbrücks postschröderianisches Überleben, seine vorbereitete Kandidatur als maskuliner Klon der jetztigen Kanzlerausgabe - all das ist nicht Opposition, bereitet nicht auf einen Wechsel vor, auf keinen der Parteien und auf keinen der Agenda. Das kündet davon, dass die Große Koalition abgemachte Sache ist - es geht für die Sozialdemokratie nicht darum, die Wahlen zu gewinnen. Man möchte die Sonntagsfragen-Tendenzen erhalten und konservieren bis in den Herbst 2013 hinein. Das ist die traurige Vision einer Partei, die keinerlei Visionen mehr hat. Zu mehr taugt sie nicht mehr.

Als Koalitionspartner sagt man dann wieder Aber, wenn der andere Partner etwas erzählt. Dann noch leiser als jetzt, noch versteckter. Dann spielt man die Opposition in der Regierungsbank, um den Gelüsten der Konservativen Einhalt zu gebieten - so wie man jetzt Koalitionspartner in der Opposition spielt, um als baldiger Partner auch attraktiv zu wirken. Sozialdemokratie ist immer das Gegenteil dessen, was sie gerade darstellen soll. Jetzt steht sie als Korrektiv der Macht zur Macht, um die nationale Einheit zu stärken. Danach spielt sie als Teil der Macht das Korrektiv der Macht, um diese zu bändigen - sie spielt diese Rolle dann freilich nur halbherzig, mit noch weniger lauten Abers und viel selteneren Einwänden.

Schon jetzt ist sie koalitionär. Wer soll da noch an der Großen Koalition zweifeln? Die Sozialdemokratie, einst mit großen Utopien ausgestattet, mit Stärkung des Sozialstaates, um den Habenichtsen die Freiheit zu sichern, mit Absichten mehr Demokratie zu wagen - heute ist ihre Vision, Merkel nicht zu sehr verärgern, die eigenen zaghaften Zuwächse in Umfragen nicht zu gefährden, um Koalitionspartner werden zu können, der Merkel korrigiert. Nickend korrigiert. Zustimmend korrigiert. Affirmativ korrigiert. Mit zustimmenden Einwänden und einwilligenden Widerreden. Sozialdemokratisch ist, die Konzepte der Gegenseite als untragbar abzutun, um sie durch Konzepte der Gegenseite zu ersetzen.

 

Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf ad sinistram.