Presseschau Libyen

Keine Zeugen

Berichte über Gräuel durch Gaddafis Truppen in Libyen stehen in Frage

An der bisherigen Darstellung des Bürgerkriegs in Libyen regt sich Kritik. Thomas Pany gibt auf Telepolis Stimmen von Journalisten und Mitarbeitern von Amnesty International und der International Crisis Group wieder. Demnach konnten Behauptungen von Massenvergewaltigungen durch Gaddafis Truppen ebenso wenig belegt werden wie die Bombadierung von Demonstranten durch die Luftwaffe. Somit wird den Rebellen in Bengasi bewußte Desinformation vorgeworfen. Darüber hinaus steht die Berichterstattung westlicher Medien in der Kritik: Sie hätten rein aus dem Blickwinkel der Rebellen berichtet und möglicherweise falsche Darstellungen nicht ausreichend  überprüft. Dabei steht keineswegs in Frage, daß Gaddafi den Aufstand mit brutalen Mitteln bekämpft hat.

Imperialismus auf Sparflamme

Die USA sind von der NATO enttäuscht

Unmittelbarer Auslöser des Unmuts war der Libyenkrieg: US-Verteidigungsminister Robert Gates beklagte sich in Brüssel über den mangelnden Willen und die limitierten Fähigkeiten seiner Alliierten, Krieg zu führen. Aber dahinter steckt wohl die Erkenntnis, dass die USA angesichts eines drastischen Haushaltsdefizits einerseits und mehrerer aktueller Kriege andererseits sich nicht mehr als alleiniger Weltpolizist verstehen können. Mit anderen Worten: Die Überbeanspruchung der eigenen Ressourcen verlangt nach einer neuen Lastenverteilung im Bündnis. Florian Rötzer mahnt dagegen einen Politikwechsel an, der statt auf das Militär auf internationale Kooperation setzt.

Eskalation durch die Hintertür

Die militärische Lage in Libyen
Ein französischer Helikopter vom Typ "Tiger" <br/>Foto von Rubbel
Ein französischer Helikopter vom Typ "Tiger" Bild von Rubbel

Auch wenn die Medien sich mittlerweile anderen Themen zugewandt haben: In Libyen gibt es immer noch schwere Kämpfe, täglich sterben Menschen. Nun hat die NATO ihre Angriffe deutlich verstärkt. Einerseits wurden massive Bombardements gegen die Marine des Landes durchgeführt, andererseits wollen Großbritannien und Frankreich Kampfhubschrauber dorthin schicken. Nach wie vor bleibt die Lage undurchsichtig. Ob und wie viele Zivilisten durch die westlichen Angriffe umkamen, lässt sich kaum ermitteln, zu widersprüchlich sind die Angaben beider Seiten.

Der Stift ist mächtiger als das Schwert

Regierungsumsturz gelingt häufiger ohne Gewalt als mit

Was macht Widerstandsbewegungen gegen Regierungen erfolgreich? Was schadet ihnen? Dieser Frage gingen die Politikwissenschaftlerinnen Erica Chenoweth und Maria J. Stephan nach. Sie untersuchten 323 Aufstände zwischen 1900 und 2006 und kamen zu dem Ergebnis, dass die Hälfte der gewaltlosen Rebellionen erfolgreich waren, aber nur ein Viertel der gewalttätigen.

Dass gewaltfreie Aufstände viel eher erfolgversprechend sind, erklären sie zum einen damit, dass die Gewaltlosigkeit zu höherer Legitimität und somit zu viel breiterer Unterstützung in der Bevölkerung führt. Das würde die Fläche, über die Druck auf das Regime ausgeübt werden kann, erhöhen, außerdem lässt es sich viel leichter an Demonstrationen teilnehmen als bewaffnet in den Kampf zu ziehen, da man nicht seinen Job aufgeben, seine Familie verlassen oder jemanden töten müsse. Zum anderen legitimiert gewalttätiger Widerstand auch gewalttätige Niederschlagung. Die gewalttätige Niederschlagung eines friedlichen Aufstands hingegen untergräbt die Autorität des Regimes weiter. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden im August in dem Buch Why Civil Resistance Works: The Strategic Logic of Nonviolent Conflict veröffentlicht. Einen Ausschnitt gibt es hier zu lesen.

Reine Spekulation

Die zweite Preisspirale bei den Lebensmittelpreisen ist die Triebfeder für weltweite Unruhen
Lebensmittelpreisentwicklung: Die zweite Blase binnen 5 Jahren
Lebensmittelpreisentwicklung: Die zweite Blase binnen 5 Jahren

Stehen die Revolutionen und Revolten in Nordafrika und im Nahen Osten durchaus in der öffentlichen Aufmerksamkeit, wird einer der zentralen Gründe mit einer gewissen Ratlosigkeit eher am Rande erwähnt: Die seit Frühjahr dramatisch ansteigenden Lebensmittelpreise auf den Weltmärkten. Ralf Streck näherte sich dem Phänomen mit einer exzellenten Analyse. In zahlreichen Ländern Afrikas, Asiens und Südamerikas führen die Lebensmittelpreise zu Hunger und innerer Instabilität wie zuletzt bei den Hungerrevolten 2008. Weder die forcierte Biospritproduktion noch der ebenfalls rasant steigende Ölpreis können der entscheidene Grund für die Preisblase sein, auch wenn sie einen gewissen Einfluß haben. Vielmehr sorgt die lockere Geldpolitik der Notenbanken für Spekulationen auf den Märkten für Rohstoffe und Grundnahrungsmittel. Weiterlesen … »

Offene Fragen

Der Militäreinsatz in Libyen

Frankreich, Großbritannien und die USA haben weder ein klares Konzept noch Antworten auf eine Vielzahl von Fragen. So ist durch das UN-Mandat lediglich ein begrenzter Einsatz zum Schutz der Zivilbevölkerung vorgesehen – doch die Bombardements richten sich gegen zahlreiche, womöglich auch zivile Ziele. Unausgesprochen sollen sie aber vor allem den Sturz Gaddafis herbeiführen.

Doch noch ist völlig offen, welche Folgen die Intervention haben wird: Kann sich Gaddafi gegen die Rebellen behaupten, was würden die im Falle eines Sieges tun? Und wird der Westen auch bereit sein, notfalls Bodentruppen zu schicken?

Die nächste Zeit wird also zeigen müssen, ob die Angriffe nicht in einem ähnlichen Desaster wie in Afghanistan enden werden. Daran kann jedenfalls niemand ein Interesse haben.

Eine Geschichte der Unterdrückung

Arabien als Opfer von Kolonialismus und Diktaturen

Schon die Osmanen beherrschten weite Teile Arabiens – mit harter Hand, aber durchaus auch mit Toleranz gegenüber den kulturellen Eigenheiten der jeweiligen Region. Die Europäer, allen voran das britische Weltreich, kümmerten sich noch weitaus weniger um die Bedürfnisse der Menschen. Bestimmend waren wirtschaftliche und geostrategische Interessen. Und dafür war man auch bereit zu falschen Versprechungen.

Trotz ihres antikolonialen Anspruchs setzten die nationalistischen Herrscher danach ebenfalls nur wenige ihrer Versprechen um. So etablierten sie zunehmend korrupte und autoritäre Regimes. Geheimdienste und Armee dominierten die Politik, die Wirtschaft geriet zum Selbstbedienungsladen der Eliten.

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